Der Einladung gefolgt waren Bernd Loebe als Intendant der Oper Frankfurt am Main, der Musikjournalist Uwe Friedrich, der Tenor Paul McNamara, in diesem Jahr auch Jury-Mitglied, und die Komponistin Lucia Ronchetti.
Einflussreiche Tonsetzerin
Besonders herzlich begrüßte Clarry Bartha die am selben Tag aus Venedig eingetroffene Tonsetzerin Ronchetti, die im letzten Jahr zur Künstlerischen Leiterin der am 14. September 2022 beginnenden Musik-Biennale von Venedig berufen wurde. Die Italienerin machte deutlich, dass sie bei der 66. Biennale Musica mit dem Titel „Out of Stage – New Experimental Music Theatre“ den Schwerpunkt auf das zeitgenössische Musiktheater setzen wird. Als unverzichtbarer Bestandteil der klassischen Gesangsausbildung darf das Lied im Wettbewerb von DEBUT nicht fehlen. So hat Lucia Ronchetti aus ihrer an der Oper Frankfurt konzertant aufgeführten und von der Kritik und dem Publikum gleichermaßen enthusiastisch aufgenommenen Oper „Inferno“ zwei Arien ausgewählt, die ab dem Semifinale in Weikersheim von allen Sängerinnen und Sängern vorzutragen sind.
Nach dem kompositorischen Beitrag zur Kunstform Lied zum DEBUT-Jubiläum 2020 durch Giorgio Battistelli, der die Biennale Musica mit seinem Instrumentaltheater „Jules Vernes“ eröffnet und für sein Lebenswerk den diesjährigen Goldenen Löwen erhält, konnte Clarry Bartha mit Lucia Ronchetti die wohl einflussreichste Komponistin ihrer Zeit für den Gesangwettbewerb gewinnen.
Pretiosen zur Umrahmung
Souverän begleitet von der Pianistin und Korrepetitorin Doriana Tchakarova bereicherte die schwedische Sopranistin Karolina Bengtsson, Gewinnerin der Goldenen Viktoria 2020, mit dem Glanz und der Strahlkraft ihrer Stimme die Matinee mit drei Liedern. "Glück, das mir verblieb", auch bekannt als "Mariettas Lied" aus der vielschichtigen Oper „Die tote Stadt“ von Erich Wolfgang Korngold wurde zu einem melancholisch funkelnden Juwel. Später folgte der um eine Singstimme erweiterten Satz „Litanei“ aus Arnold Schönbergs Streichquartett fis-Moll, op. 10. Der Text des dritten und vierten Satzes knüpft an zwei Gedichte von Stefan George an. Spielerisch leicht schlüpfte die DEBUT-Preisträgerin zum Abschluss mit der Arie "Quando me’n vo“ in die Rolle der Musetta in Puccinis Oper La Bohème. Es war für alle Anwesenden ein besonders Erlebnis, durch die unmittelbare Nähe zu der Sopranistin mit ihrer raumfüllenden Stimmgewalt die Emotionen geradezu pysisch am eigenen Körper zu erfahren.
„Mitten ins Herz“ traf Clarry Bartha mit ihrer ersten Frage an Lucia Ronchetti über ihr Verständnis von Sprache und Musik.
Temperamentvoll schilderte die Italienerin die große Bedeutung, die Dante Alighieri als „Vater der italienischen Sprache“ mit seinen Versen auf ihrem Weg zur international nachgefragten Komponistin hatte. Über ihren Beitrag zum DEBUT-Wettbewerb mit zwei zeitgenössischen Liedern zeigte sich Jury-Mitglied Paul McNamara sehr erfreut. Der gebürtige Ire und erfolgreiche Tenor ist heute Künstlerischer Leiter der Dutch National Opera Academy in Amsterdam. Während der Studienzeit lerne man heute fünf, sechs bekannte Arien und gehe damit überall zum Vorsingen oder zu Wettbewerben, meinte McNamara. „Auch die Studierenden freuen sich deshalb sehr, etwas Neues zu lernen. Denn so kann man besser seinen eigenen Weg finden.“
Rüstzeug für den Gesang
Bernd Loebe, seit 2002 Intendant der Oper Frankfurt, zeigte Unverständnis für die an deutschen Theatern weitverbreitete Einbeziehung von Agenten für die Besetzung von Opernrollen, statt das Augenmerk auf die Heranführung eigener Nachwuchskräfte zu richten. Deren behutsame Förderung trage schließlich Früchte für das eigene Haus, vor allem aber für die Sängerinnen und Sänger selbst. Insofern habe er kaum Probleme, weil die Agenten inzwischen wissen, dass er es sich – im Gegensatz zu vielen anderen Häusern – nicht nehmen lasse, selbst die Besetzungen vorzunehmen. Es reiche eben nicht, nur eine Vorstellung zu besuchen, um sich ein Bild zu machen.
Der tiefe Fall eines Rolando Villazón
Der Musikjournalist, ARD-Moderator und Regisseur Uwe Friedrich möchte den Nachwuchs davor warnen, sich einseitig an den Auftritten großer Namen zu orientieren. Die bloße Nachahmung versperre den Weg zur Entfaltung einer eigenen sängerischen Persönlichkeit. Bernd Loebe erinnerte an den früher gefeierten Tenor Rolando Villazón. Er habe der hohen Gagen wegen jeden Abend irgendwo anders gesungen und innerhalb von drei, vier Jahren seine Stimme ruiniert: „Es gehört viel Selbstdisziplin zu diesem Beruf.“ Clarry Bartha wies darauf hin, dass man auch „Nein“ sagen und bei der Rollenwahl lieber auch einen vermeintlichen Schritt zurück machen solle, bevor man sich „einen zu großen Schuh“ anziehe. Paul McNamara meinte angesichts ständig gestiegener Anforderungen: „Die Sängerinnen und Sänger müssen in der Ausbildung ein Gefühl und Verständnis dafür entwickeln, wer sie selber sind und was sie können.“ Bernd Loebe ergänzte, dass oft das Rüstzeug für den Gesang fehle, wenn man mit schönen Stimmen konfrontiert werde, die Nachfrage nach der Situation, in der sich die Opernfigur befinde, beim Bewerber aber ins Leere laufe: „Eine schöne Stimme allein ist nicht alles.“ Uwe Friedrich outete sich als Korngold-Fan und lobte Karolina Bengtsson noch einmal explizit für ihr Lied aus der Oper „Die tote Stadt“. Es sei gelungen, nicht „jede Träne herauszudrücken“; so habe sie die Zerbrechlichkeit des Sentiments bewahren können. „Man soll traurig sein, aber nicht emotional erpresst werden.“
Die Gesprächsrunde war sich insgesamt einig, dass Deutschland mit seiner weltweit einmaligen Theaterlandschaft besonders im Ausland bewundert wird, durchaus aber durch Sparmaßnahmen gefährdet ist.
Die Matinee im Kursaal von Bad Mergentheim weckte die Vorfreude auf den DEBUT-Gesangswettbewerb ab 18. September, den Liederabend am 22. September um 19:30 Uhr in der TauberPhilharmonie und auf das Galakonzert mit der Finalrunde am 24. September um 19:00 Uhr, ebenfalls in der Weikersheimer TauberPhilharmonie.
Alle Informationen zum Wettbewerb unter www.debut.de
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