„Zwangsräumungen unbedingt verhindern“

Die aktuellen Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln werden für Menschen, die sowieso schon in engen finanziellen Verhältnissen leben, zur existenziellen Frage, erklärt Simon Näckel, armutspolitischer Referent beim Caritasverband Rottenburg-Stuttgart anlässlich des Tages der Wohnungslosen am 11. September. „Viele werden die angepassten Abschläge und die drohenden Nachzahlungen für Strom und Gas nicht bedienen können. Sie fürchten sich vor Strom- und Gassperren und letztlich vor dem Verlust des Wohnraums.“ Die Situation auf dem Wohnungsmarkt sei schon seit Jahren mehr als angespannt. „Die Kosten für Miete und Energieversorgung haben Haushalte mit niedrigem Einkommen schon vor der Krise häufig überbelastet und mehr als 40 Prozent ihres Einkommens abgeschöpft.“

Derzeit sei nicht damit zu rechnen, dass sich der Wohnungsmarkt durch die Schaffung von neuem bezahlbaren Wohnraum entspannt, so Näckel. Denn Baumaterial habe sich verteuert, Fachkräfte fehlten und mit Lieferengpässen sei zu rechnen. „Damit sich die Wohnungsnot nicht weiter verschärft, dürfen keine weiteren Sozialwohnungen aus der Preisbindung rausfallen.“ Zwangsräumungen von Mietern müssten verhindert und ausgesetzt werden, wenn die Mieter aufgrund der gestiegenen Preise ihre Nebenkosten nicht mehr bezahlen können. „Wohnen ist ein Menschenrecht, und entsprechend gilt es, den Verlust der Wohnung mit allen möglichen Mitteln zu verhindern“, so Näckel.

In Kommunen, in denen die Lage besonders prekär ist, wurden u.a. durch Landesmittel Fachstellen für Wohnraumsicherung eingerichtet. Ziel dieser Stellen ist es, durch intensive Kommunikation mit den Vermietern, den Stadtwerken und dem Jobcenter den Verlust der Wohnung und Zwangsräumungen zu verhindern. Aus der Sicht von Näckel ist es zwingend notwendig, dass solche Fachstellen flächendeckend und regelhaft finanziert eingerichtet werden.

„Die Zahl der Wohnungs- und Obdachlosen ist seit Jahren auf einem hohen Niveau. Diesen Menschen ist der Zugang zu Wohnraum aufgrund von Stigmatisierung und Diskriminierung allzu häufig versperrt“, berichtet Näckel. Es seien auch immer mehr Frauen betroffen. Meist kämen bei den Betroffenen viele Probleme zusammen: Fehlender Schulabschluss, Schulden, Suchterkrankung oder andere psychische Erkrankungen, bei Migranten fehlende Sprachkenntnisse und eine unsichere Bleibeperspektive. Hinzu kämen infolge der Arbeitnehmerfreizügigkeit viele Personen aus osteuropäischen EU-Mitgliedsländern, die in Deutschland nur eingeschränkten Anspruch auf Sozialleistungen haben. „Bund und Land haben sich zu dem EU-Ziel bekannt, Wohnungslosigkeit bis 2030 zu überwinden. Entsprechend fordert der Caritasverband eine gemeinsame Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen, die geeigneten Maßnahmen im Kampf gegen Wohnungslosigkeit zügig und zielgerichtet umzusetzen“, so Näckel.  

Stichwort Wohnungslosigkeit

Am „Tag der Wohnungslosen“ (11. September) macht die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) mit einem jährlichen Aktionstag auf das Schicksal von wohnungslosen und von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen aufmerksam. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) schätzt die Zahl der bundesweit Betroffenen auf rund 680.000 Personen, wobei wohnungslos nicht gleichbedeutend ist mit obdachlos. Laut der offiziellen Definition der BAG W in Deutschland sind Menschen wohnungslos, wenn sie über keinen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügen und auf ordnungs- oder sozialrechtlicher Grundlage in eine kommunale Wohnung oder in ein Heim der Wohnungslosenhilfe eingewiesen werden. Darüber hinaus besteht Wohnungslosigkeit auch, wenn die Betroffenen in einer Notunterkunft oder als Selbstzahler in einer Billigpension leben. Wohnungslos sind zudem jene Personen, die "Platte machen", also obdachlos sind und auf der Straße leben.  

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