Seit März erlebt China den bislang stärksten Anstieg der Corona-Infektionszahlen, weit über die Werte beim Ausbruch der Pandemie in Wuhan Anfang 2020. Der Anstieg wird durch die sehr ansteckende Omikron-Variante verursacht, die größere Wirtschaftsräume trifft und Städte wie Shanghai, das chinesische Finanzzentrum und größter Hafen der Welt. Die Regierung bleibt aufgrund unterentwickelter Krankenhäuser und unzureichender Impfraten vorsichtig. Der politische Einsatz für eine Richtungsänderung wäre wohl zu hoch. Somit liegt der Fokus auf beschleunigten Impfungen für besonders gefährdete Gruppen, Massentests und lokalen Sperrungen.
Xi Jinping steht vor der erstmaligen Verlängerung seines Mandats als Staats- und Parteiführer über zwei Amtszeiten hinaus beim 20. Nationalkongress im nächsten Herbst. Daher ist er sehr auf Glaubwürdigkeit bedacht. Credendo sieht seine oberste Priorität auf Kontrolle der Pandemie und Begrenzung der Todeszahlen, die im Vergleich zu den meisten Ländern extrem niedrig sind. Die innere Stabilität soll gewahrt bleiben, unabhängig von den Kosten für die Wirtschaft und Kritik an lokaler Lebensmittelknappheit und den schweren Beschränkungen in Shanghai. Auch Peking ist betroffen, mehrere Bezirke wurden gesperrt. Ein heikler Vorgang im politischen Zentrum des Landes. Im ganzen Land sind wohl mehr als 180 Millionen Menschen vollständig oder teilweise abgeriegelt. Credendo bewertet dies als weitere große politische Herausforderung vor dem Hintergrund von Immobilienturbulenzen und hohen Energie- und Lebensmittelpreisen, insbesondere seit Beginn des Kriegs in der Ukraine. Als weltweit größter Treibstoffimporteur (70 % des Öls und mehr als 40 % des Gases kommen aus dem Ausland) und großer Abnehmer von Nahrungsmitteln aus der ganzen Welt ist China direkt und indirekt betroffen von den gestiegenen Öl- und Rohstoffpreisen. Die wichtigsten wirtschaftlichen und sozialen Indikatoren verdunkeln sich. Die Inflation steigt, liegt mit 1,5 % im März aber immer noch auf niedrigem Niveau. Die Währung befindet sich im Abwärtstrend (-5 % gegenüber dem US-Dollar seit Jahresbeginn per 6. Mai) und beendet damit den seit Mitte 2020 bestehenden positiven Trend. Als Gründe benennt Credendo die Konjunkturabkühlung, aber auch steigende US-Zinsen und die allgemeine Stärkung des US-Dollars.
Darüber hinaus haben Lockdowns weitreichende nachteilige wirtschaftliche Auswirkungen. Die Industrieproduktion wächst leicht, während der Dienstleistungssektor und die Einzelhandelsumsätze im Zuge sinkenden Verbrauchervertrauens zurückgehen. Credendo analysiert auch Verschlechterungen der sozialen Lage. Die Arbeitslosigkeit steigt (5,8 % im März gegenüber weniger als 5 % im Oktober 2021). Die Immobilienverkäufe sind weiter rückläufig. Die Exporte waren der einzige Lichtblick bis April. Diese leiden nun aber auch unter schwächelnder Nachfrage aus der EU und den USA und Unterbrechungen der Lieferketten, obwohl die Häfen weitgehend offen gehalten wurden. Der Kreditversicherer erwartet eine gesamtwirtschaftliche Besserung nicht vor dem dritten Quartal. Die Regierung ergreift unterstützende Maßnahmen wie eine expansive Fiskalpolitik, beschleunigte Infrastrukturinvestitionen und geldpolitische Lockerung. Credendo sieht eine große Herausforderung nicht nur für das Land, sondern insbesondere auch für die Kommunistische Partei, deren Legitimität auf der Gewährleistung von Stabilität und Wohlstand beruht. Die Aussichten sind aufgrund der Coronarestriktionen und der Entwicklungen rund um den Krieg in der Ukraine ungewiss. Credendo erwartet derzeit keine Änderung seiner Risikoratings für China in den kommenden Monaten.
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