Swisscom Trust Services: Verifizierte Twitter-Accounts – Fluch oder Segen?

Die Twitter-Übernahme durch Elon Musk macht weiterhin Schlagzeilen. Bereits im Vorfeld äußerte der Tech-Milliardär ehrgeizige Pläne für die Plattform. Die NZZ berichtete am 25. April:

„Falls es Elon Musk tatsächlich gelingen sollte, Twitter aufzukaufen, will er Bots und Spam auf der Plattform beseitigen. Dies schrieb Musk am Freitag (22. 4.) auf Twitter. Weiter wolle er alle Nutzerinnen und Nutzer authentifizieren. Gegenwärtig hat Twitter die Identität von 400 000 Nutzern verifiziert. Insgesamt melden sich 206 Millionen Personen regelmässig bei Twitter an.“

Doch sind verifizierte Accounts durchweg positiv zu bewerten oder gibt es auch Schattenseiten? Wie könnte man das Verfahren nutzerfreundlich und sicher umsetzen? Dazu ein Kommentar von Ingolf Rauh, Head of Product and Innovation Management bei Swisscom Trust Services:

„Spam und Bots beseitigen, das klingt natürlich gut. Damit möchte sich schließlich kein Internetnutzer freiwillig plagen. Die reale Identität hinter Accounts zu kennen, ist auch wichtig, um Hass, Hetze und Mobbing im Netz zu bekämpfen. Heute muss dies erst umständlich und unter Mitwirkung der Telekommunikations-Provider festgestellt werden, wenn der Verdacht auf eine Straftat vorliegt. Würden Menschen unter Klarnamen posten oder die Plattformbetreiber zumindest die wahre Identität kennen, wäre das Verfahren deutlich einfacher.

Auf der anderen Seite sind es gerade eine gewisse Anonymität und die Nutzung von Pseudonymen oder Nick Names, die die Internetkultur ausmachen. Sofern sie nicht missbraucht wird, kann diese Anonymität sogar zur Förderung der Meinungsfreiheit beitragen. Dissidenten oder Oppositionelle in autoritären Regimen können sich so untereinander austauschen und Nachrichten ins Ausland senden. Repression durch den Staatsapparat wird so zwar nicht unmöglich gemacht, aber zumindest erschwert. Eindeutig verifizierte Accounts und Listen, aus denen direkt hervorgeht, welcher Tweet von welcher Person verfasst wurde, wären hingegen ein Traum für Geheimdienste.

Aus einer moralischen Perspektive sind verifizierte Accounts nicht eindeutig als gut oder schlecht zu bewerten – es kommt immer auf den Blickwinkel an. Ein Kompromiss wäre eventuell, dass Plattformbetreiber eine freiwillige Identifikation für alle Nutzer anbieten. Den blauen Haken bei Twitter erhalten beispielsweise nur „Accounts von öffentlichem Interesse“. Das sind aktuell gerade einmal 400.000 der 206 Millionen Twitter-Konten, was 0,2 Prozent entspricht.

Eine ‚Massenidentifikation‘ wäre also nicht nur eine moralische, sondern auch eine technische Frage. Eine Identifikationslösung zu diesem Zweck müsste automatisiert und leicht skalierbar sein. Elektronische Signaturen für natürliche und elektronische Siegel für juristische Personen wären ein möglicher Weg. Hier wäre die Zusammenarbeit mit einem Trust Service Provider notwendig. Das mag auf den ersten Blick widersinnig scheinen, noch eine dritte Instanz ins Boot zu holen. Doch dadurch wird nur einmal eine Identifikation notwendig und nur der zentrale Trust Service erhält die Nutzerdaten. Einmal identifiziert könnten Nutzer gegenüber jedem Dienst im Netz ihre Identität mit einer Signatur nachweisen – ohne, dass dorthin persönliche Daten übertragen werden müssen. Das wäre ein klarer Vorteil gegenüber Verfahren wie dem Einscannen des Ausweises. Letzteres ist außerdem auf Anbieterseite zeitaufwändig, da Menschen die Identitäten prüfen müssen. Hinzukommt, dass die Trust Service Provider in Europa sitzen und dort nach strengen Richtlinien zertifiziert sind, sodass persönliche Daten dort auf jeden Fall durch die DSGVO geschützt sind. Amerikanische Konzerne sehen den Datenschutz bekanntermaßen etwas lockerer und es gilt immer noch das Prinzip: Soziale Netzwerke sind vordergründig kostenlos, denn die Nutzerdaten sind neben Werbeeinnahmen die Währung für die Anbieter. Ohne durchdachte Identifikationslösung würde ansonsten auch Twitter hierbei zu einer weiteren Datenkrake.

Es ist immer eine Gratwanderung zwischen Anonymität, Datenschutz und Strafverfolgung im Netz. Daher kann man keine eindeutige Beurteilung verifizierter Accounts abgeben, das hängt immer von externen Faktoren ab. Was wir aber empfehlen können ist, eine nutzerfreundliche und datensparsame Identifikationsmethode anzubieten, wenn eine Verifizierung gewünscht wird.“

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