Wie angekündigt, erhöhte die Fed ihren Leitzins zum ersten Mal seit über zwei Jahrzehnten um 50 Basispunkte (BP). Kaum etwas anderes kann einen Handlungsdruck stärker hervorrufen als eine Inflationsrate von 8,5 % im Jahresvergleich. Trotz dieses Schrittes sind wir der Meinung, dass die Fed – und andere Zentralbanken – den Höhepunkt ihrer hawkishen Geldpolitik noch nicht erreicht haben. Die derzeitige Inflation hat unseres Erachtens zu viele unberechenbare Ursachen, als dass sie durch eine umsichtige Anhebung der Leitzinsen leicht wieder in den Griff zu bekommen wäre. Pandemiebedingte Lieferengpässe, eine wachsende Wirtschaft, eine zunehmende Deglobalisierung, der Krieg in der Ukraine und die historische Liquiditätsmenge, die von den Zentralbanken weltweit aus dem Nichts geschaffen wurde, um die kurzzeitige Rezession abzufedern, haben zu dem beispiellosen Anstieg der Preise in weiten Teilen der Weltwirtschaft beigetragen.
Ein Tempowechsel, keine Zieländerung
In seinen Kommentaren räumte der Vorsitzende Powell dies ein und stellte die Weichen für eine weitere Ausweitung des Normalisierungsprogramms. Dazu dürften zwei weitere Zinserhöhungen um 50 Basispunkte und eine rasche Beschleunigung des Bilanzabbaus gehören. Dieser soll letztlich 95 Mrd. USD monatlich betragen, indem fällig werdende Staatsanleihen und Hypothekenpapiere nicht mehr reinvestiert werden. Das soll nicht heißen, dass die Fed ihr endgültiges Ziel geändert hat. Auf ihrer März-Sitzung senkte sie schließlich ihre Erwartung für den neutralen Leitzins von 2,5 % auf 2,375 %. Aber angesichts der verzögerten Wirkung der Geldpolitik und einer Inflation, die sich auf dem höchsten Stand seit mehreren Jahrzehnten befindet, glauben wir, dass die Fed mit der vorgezogenen Normalisierung die richtige Entscheidung getroffen hat und die Daten in der zweiten Jahreshälfte genau beobachten wird, um die Entwicklung von Preisen und Wirtschaftswachstum zu verfolgen.
Bislang deutet alles darauf hin, dass die Kehrtwende der Fed in den letzten Monaten auf den Finanzmärkten Anklang gefunden hat. Dies zeigt sich vor allem in einer sich abflachenden Zinskurve. Im Laufe des Jahres 2022 ist die Rendite der 2-jährigen US-Staatsanleihe um 191 Basispunkte auf 2,64 % gestiegen (nach dem Renditerückgang vom Mittwoch), da der Markt kurzfristige Leitzinserhöhungen eingepreist hat. Die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen ist dagegen weniger dramatisch, nämlich um 141 Basispunkte auf 2,92 % gestiegen. Nach unserer Einschätzung ist der Markt der Ansicht, dass die Fed eine echte Chance hat, die US-Wirtschaft zu einer sanften Landung zu führen. Hätte die Fed ihre Glaubwürdigkeit bei den Anlegern verloren, wäre der Abstand zwischen den Renditen 10-jähriger und 2-jähriger Staatsanleihen wahrscheinlich höher als die derzeitigen 28 Basispunkte. Andere marktbasierte Daten vermitteln die gleiche Botschaft. Die Inflationserwartungen auf der Grundlage von Treasury Inflation Protection Securities (TIPS) sind von 3,73 % Ende März auf 3,24 % gesunken. Über einen 10-Jahres-Horizont implizieren die TIPS einen Jahresdurchschnitt von 2,88 % und liegen damit ebenfalls unter ihrem jüngsten Höchststand. Interessant ist, dass beide nach der Ankündigung der Fed leicht angestiegen sind.
Die Fixed-Income-Perspektive
Die Abflachung der Zinskurve hat das Umfeld für Anleiheinvestoren verändert. Während höhere Renditen bei kürzeren Laufzeiten eine willkommene Entwicklung für diejenigen sein mögen, die schon lange darauf gewartet haben, mit liquideren Instrumenten höhere Renditen zu erzielen, mindert die unseres Erachtens fehlende angemessene Laufzeitprämie bei längerfristigen Staatsanleihen derzeit die Attraktivität dieser Wertpapiere. Dies gilt insbesondere angesichts des derzeit hohen Inflationsniveaus, zu dessen Ursachen auch solche gehören, die möglicherweise nicht auf höhere Leitzinsen reagieren.
Blick nach vorn
Wie die Fed werden auch wir genau beobachten, ob es in den nächsten Monaten Anzeichen für einen nachlassenden Inflationsdruck gibt. Dies wird wahrscheinlich dauern, und vieles hängt davon ab, dass Lieferunterbrechungen und Arbeitskräftemangel behoben werden. Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass der Markt die Zahl der Zinserhöhungen, die die Fed im Laufe des nächsten Jahres vornehmen wird, wahrscheinlich zu hoch eingeschätzt hat. Schließlich handelt es sich hier um die Powell-Fed, die in der Vergangenheit immer eher zu einer lockeren Geldpolitik tendierte. Doch angesichts einer Inflation, die sich auf dem höchsten Stand seit mehreren Jahrzehnten befindet, ist „Vorsicht“ ein relativer Begriff geworden. Der angespannte Arbeitsmarkt gibt der Fed den Handlungsspielraum, die Eindämmung der für die amerikanischen Haushalte schmerzhaften Inflation den Vorrang zu geben. Bis dies erreicht ist, wird jede Tendenz den Wachstumskurs beizubehalten, wahrscheinlich in den Hintergrund rücken.
Die Futures-Märkte sehen derzeit das Potenzial für etwa acht weitere Zinserhöhungen im Jahr 2022. Unmittelbar nach der Andeutung des Vorsitzenden Powell, dass eine noch hawkishere Anhebung um 75 Basispunkte wahrscheinlich nicht in Frage kommt, haben Treasuries bereits etwas an Fahrt verloren, denn die Rendite der 2-jährigen fiel am Mittwochnachmittag um bis zu 25 Basispunkte. Ein methodischerer Weg zur geldpolitischen Neutralität wird unseres Erachtens wahrscheinlich zu einer geringeren Volatilität am vorderen Ende der Zinskurve führen als das, was die Anleger bei längeren Laufzeiten erwarten können.
Und wie in letzter Zeit üblich, sollten alle Anleger auf weitere Forward Guidance achten, um zu erfahren, wie die Fed selbst die Inflationsentwicklung und andere Risiken für die wirtschaftliche Erholung einschätzt.
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