„Patienten mit Demenz verbringen einen Großteil ihres Tages ohne Betreuung und Begegnung, das bedeutet: Diese freie Zeit ist nicht ausgestaltet. Wissenschaftliche Untersuchungen dazu gibt es bisher kaum“, schildert Bleses im Gespräch mit Landrat Manfred Görig die Ausgangslage des Forschungsprojektes. Zum „Feldeinsatz“ kommen die Professorin und ihr Forscherteam nun schon zum zweiten Mal in den Vogelsbergkreis. Schon für RoboLand, einem von 2016 bis 2020 ausgelegten Projekt, hatten sie mit Personen mit Demenz und deren Angehörigen im Vogelsbergkreis gearbeitet. Dabei war es um den Einsatz von Telepräsenz-Robotern um häuslichen Lebensumfeld und in der Pflege von Demenz-Patienten gegangen.
Beim neuen Forschungsprojekt FreiZeit werden Bleses und ihre Kollegen erneut eng zusammenarbeiten mit der Fachstelle für Gesundheitliche Versorgung beim Vogelsbergkreis und mit dem Pflegestützpunkt. „Die Unterstützung des Vorhabens durch Landrat Manfred Görig ist uns ganz wichtig“, betont Prof. Bleses. „Wir wollen in Pflegeheime gehen, aber auch in die häusliche Lebenswelt der Personen und dabei hoffen wir auf die bewährte Unterstützung der Fachstelle Gesundheitliche Versorgung, des Pflegestützpunktes und der Familien, die uns den Zugang in ihre Häuslichkeit ermöglichen. Ein Pflegeheim hat seine Unterstützung bereits bekundet.“
In vielen Gesprächen und Beobachtungen werden Helma M. Bleses und ihre Kollegen erkunden, wo, wann, wodurch, wie und wie oft betreuungs- und begegnungsfreie Zeiträume auftreten und wie sich diese aus den verschiedenen Sichtweisen darstellen. Sie werden unter anderem fragen, wie Personen mit Demenz betreuungsfreie Zeit empfinden und beschreiben. Auch die Frage, wie sich Personen mit Demenz nonverbal ausdrücken, wird eine Rolle spielen. Vor allem aber auch, welche Deutungen, Wünsche, Absichten und Interessen die Betroffenen dabei zum Ausdruck bringen wollen? „Wir wollen auch wissen, was sie in den freien Zeiträumen tun und wie sie sie nutzen“, betont Helma M. Bleses. Analog sollen diese Fragen auch den pflegenden Angehörigen und Pflegedienstmitarbeitern gestellt werden.
„Wir unterstützen das Projekt gerne und sind gespannt auf die Ergebnisse und die sich daraus ableitenden Konsequenzen“, unterstreicht Landrat Manfred Görig. „Die Gesellschaft wird älter, über die sich daraus ergebenden Auswirkungen und Herausforderungen diskutieren wir im Vogelsbergkreis schon länger. Personen mit Demenz und ihre betreuenden Angehörige stehen im Mittelpunkt unserer Aktivitäten“, so der Landrat. Die Versorgung dieser Personengruppe stelle gerade im ländlichen Raum eine Herausforderung dar. „Wir stehen immer wieder vor der Frage, wie geeignete Konzepte für die Versorgung von Personen auszusehen haben, die wegen einer Demenz eingeschränkt und auf vielfältige Hilfe angewiesen sind.“ Landrat Görig weist auf einen weiteren Aspekt hin: „Wir sehen auch die Belastung der Angehörigen, die teilweise selbst in einem Alter sind, in dem sie Unterstützung benötigen, oder die die Betreuung neben ihrem Beruf übernehmen müssen.“
Wenn nun betreuungs- und begegnungsfreie Zeiten identifiziert und Lösungsmöglichkeiten gefunden würden, „dann ist das in unserem Sinn und Interesse“, so Görig abschließend.
Hintergrund:
Das Forschungsprojekt „Betreuungs- und begegnungsfreie Zeiträume: Methodenplurale Erkundungen zum Erleben von Personen mit Demenz (FreiZeit)“ wird vom Schweizer Nationalfond/SNF und der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen eines im Rahmen eines Lead-Agency-Verfahrens für 3 Jahre gefördert. Der Vogelsbergkreis, vertreten durch Landrat Manfred Görig, ist Praxispartner. Das Forschungsprojekt wird von Prof. Dr. Helma M. Bleses am Fachbereich Gesundheitswissenschaften der Hochschule Fulda gemeinsam mit Ihren Kollegen Prof. Dr. Thomas Beer und Prof. Dr. Sabina Misoch, beide an der Hochschule OST/St. Gallen und Prof. Dr. Matthias Kliegel an der Universität Genf in der Schweiz sowie von Prof. Dr. Peter König an der Hochschule Furtwangen in Baden-Württemberg geleitet.
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