– Ost-Ausschuss-Erhebung zur aktuellen Lage deutscher Unternehmen in der Ukraine
– Produktion läuft trotz gestörter Lieferketten und Vermögensschäden weiter
– Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung vordringlich
– Deutsche Wirtschaft will Wiederaufbau und EU-Integration begleiten
Die wichtigsten deutschen Unternehmen in der Ukraine halten trotz des Krieges ihre Produktion aufrecht. Dies ist das ermutigende Ergebnis einer Abfrage des Ost-Ausschusses, an der sich 35 in der Ukraine aktive Unternehmen beteiligten. Dabei sind die Kämpfe der vergangenen vier Wochen auch an den Unternehmen nicht spurlos vorübergegangen: Über zwei Drittel waren insbesondere in den ersten Kriegstagen von Produktionsausfällen betroffen, gut 40 Prozent haben bereits Vermögensschäden erlitten. Liquiditätsengpässe und die Aufrechterhaltung von Logistikketten unter anderem auf Grund fehlende Fahrer und Fahrzeuge sowie Problemen mit der Versicherung stellen eine tägliche Herausforderung dar.
„Unter schwierigsten Umständen versuchen die deutschen Unternehmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Ukraine alles, um die Produktion aufrechtzuerhalten. Diesem Mut und Durchhaltewillen zollen wir allergrößten Respekt“, sagt der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Oliver Hermes. Insgesamt würden in den Unternehmen je nach Branche weiterhin zwischen 60 und 70 Prozent des Produktionsniveaus der Vorkriegszeit erreicht. „Dieser Einsatz ist für die Ukraine ganz wichtig“, sagt Hermes. „Nur funktionierende Unternehmen können Steuern und Löhne bezahlen und die Versorgung der Bevölkerung gewährleisten.“
Besondere Anstrengungen gelten der Agrarproduktion in der Ukraine, um die Bevölkerung weiter zu versorgen und auch von der Ukraine abhängige Länder zu beliefern. In dieser Hinsicht begrüßt die German Agribusiness Alliance beim Ost-Ausschuss die Ankündigung von EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski, „grüne Korridore“ zwischen Polen und der Ukraine mit dem Ziel einzurichten, Saatgut und andere Betriebsmittel so einfach wie möglich in die Ukraine und dort produzierte Agrargüter wiederum in die EU transportieren zu können. „Die ukrainischen Agrarunternehmen tun gerade alles dafür, um die Frühjahrsaussaat so weit möglich sicherzustellen. Dafür brauchen Landwirte und Unternehmen Diesel, Landtechnik, Saatgut und Düngemittel. Diese Versorgung muss sichergestellt werden“, sagt Dirk Stratmann, Ländersprecher Ukraine der German Agribusiness Alliance beim Ost-Ausschuss.
Finanzielle Engpässe abfedern
Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, dass auch Instrumente der Außenhandelsfinanzierung wie die Bundesbürgschaften („Hermesdeckungen“) weiter funktionieren. Die gute Nachricht: Bislang berichten nur zwölf Prozent der befragten Unternehmen von Schwierigkeiten. „Die Bundesregierung sollte diese gute Deckungspraxis beibehalten und trotz aller Risiken schnell und großzügig entscheiden“, fordert Oliver Hermes. Der Ost-Ausschuss-Vorsitzende plädiert darüber hinaus für mehr Unterstützung. „Die meisten Unternehmen wollen weiter in der Ukraine arbeiten“, sagt Hermes. „Um dies zu ermöglichen, schlagen wir der Bundesregierung vor, auch Vermögensschäden und Liquiditätsengpässe infolge des Krieges über Kredit- oder Garantieinstrumente des Bundes abzufedern.“ Auf diese Weise könne sichergestellt werden, dass Unternehmen auch während der Kriegszeit im Land aktiv seien und weiterproduzierten.
Wiederaufbau als gemeinsame Aufgabe
Die EU hatte vor wenigen Tagen einen Solidaritätsfonds für die Ukraine beschlossen. „Die deutsche Wirtschaft steht bereit, sich für den Wiederaufbau der Ukraine zu engagieren und gleichzeitig die wirtschaftliche Annäherung an die EU zu begleiten“, betont der Ost-Ausschuss-Vorsitzende. Eine weitere Integration der Ukraine in den EU-Binnenmarkt sei ein wichtiger Motor für die wirtschaftliche Erholung nach dem Krieg. Dass dieser Prozess nicht in Wochen, sondern erst in Jahren abgeschlossen sein werde und auch schmerzhafte Anpassungsleistungen erforderlich mache, müsse man den Ukrainern klar sagen. „Entscheidend ist es, dem Land eine klare Perspektive für einen zukünftigen EU-Beitritt zu geben“, so Hermes. „Das ist ein starker Reformmotor“
Von Vorteil sei, dass die Ukraine bereits über das EU-Assoziierungsabkommen mit dem EU-Binnenmarkt verbunden sei. Mitte März war das ukrainische erfolgreich mit dem europäischen Stromnetz verbunden worden. In vielen Branchen, etwa in der Landwirtschaft, der Automobilindustrie und im Energiesektor seien deutsche Unternehmen schon seit Langem erfolgreich tätig. „Ich bin davon überzeugt, dass die Ukraine als zweitgrößtes Flächenland in Osteuropa rasant an Bedeutung für die deutsche Wirtschaft gewinnen wird“, sagt Hermes.
Vielfältige Hilfsprogramme aufgelegt
Die deutsche Wirtschaft mobilisiert bereits seit Kriegsbeginn in einer gemeinsamen Anstrengung verfügbare Kapazitäten, um schnell, zielgerichtet und unbürokratisch zu helfen. Der Ost-Ausschuss unterstützt dazu die Initiative #WirtschaftHilft, die von den Spitzenverbänden BDA, BDI, DIHK und ZDH ins Leben gerufen wurde. Der Ost-Ausschuss hat darüber hinaus ein Job-Portal zur Vermittlung ukrainischer Flüchtlinge in temporäre Beschäftigung initiiert (GERMAN-UKRAINIAN DIGITAL PARTNERSHIP (gu-dp.com), setzt sich für humanitäre Organisationen bei der Vermittlung von Wohnungen in Kooperation mit Rotary Deutschland ein (Spaces for Ukraine – Rotary and Rotaract United for Ukraine) ein und ruft gemeinsam mit dem Deutsch-Ukrainischen Forum (DUF) und dem Deutschen Industrie-und Handelskammertag (DIHK) zu Spenden an die Johanniter Unfallhilfe auf (Ost-Ausschuss richtet Task Force für Unternehmen ein | Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft).
Die vom Ost-Ausschuss initiierte Job-Börse bietet aktuell über 100 Stellen von knapp 80 Unternehmen an. Über 100 Ukrainerinnen und Ukraine haben sich als arbeitssuchend gemeldet. Im Rahmen der Wohnungsvermittlung konnten in den vergangenen fünf Wochen über 310 Wohnplätze vermittelt. Der Bedarf, aber auch die Hilfsbereitschaft sind weiterhin groß. Aktuell stehen rund 400 angebotenen Wohnplätzen rund 460 Anfragen gegenüber, die durch das ehrenamtliche Projektteam von „Spaces for Ukrainian Refugees“ kontinuierlich vermittelt werden.
Deutsch-ukrainische Wirtschaftsbeziehungen
Der deutsch-ukrainische Handel erreichte 2021 mit einem Warenumsatz von 8,5 Milliarden Euro einen neuen Rekord. Der Handelsumsatz wuchs gegenüber dem Vorjahr um 19,3 Prozent. Insgesamt gibt es nach Schätzungen der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer rund 2.000 Unternehmen mit deutscher Beteiligung in der Ukraine, die dort rund 50.000 Arbeitsplätze geschaffen haben. Die wichtigsten deutschen Importe aus der Ukraine waren 2020 Rohstoffe (ohne Brennstoffe), Elektrotechnik und Nahrungsmittel, auf die gut rund 55 Prozent der deutschen Importe entfielen. Geliefert wurden vor allem chemische Erzeugnisse, Maschinen sowie Kraftfahrzeuge und Kfz-Teile, zusammen 56 Prozent der deutschen Ausfuhren.
Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V. (gegründet 1952) fördert die deutsche Wirtschaft in den 29 Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas, des Südkaukasus und Zentralasiens. Der deutsche Osthandel steht insgesamt für rund ein Fünftel des gesamten deutschen Außenhandels und ist damit bedeutender als der Handel mit den USA und China zusammen. Der Ost‑Ausschuss hat rund 350 Mitgliedsunternehmen und -verbände und wird von sechs Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft – BDI, BGA, Bankenverband, DIHK, GDV und ZDH – getragen.
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