Zentrales Element der Abschlusspräsentation ist eine Wandinstallation mit rund 50 Motiven, die an Tischen stehende, sitzende und arbeitende Frauen in verschiedenen Kontexten abbilden. Diese Darstellungen erzählen von gesellschaftlichen Erwartungen und Lebensrealitäten der Frauen in ihrer Zeit. Der Damensekretär beispielsweise war eines der ersten Möbelstücke für Frauen. Als Refugium zum Arbeiten fügte sich der multifunktionale Schreibschrank in den bürgerlichen Wohnraum des 18. Jahrhunderts ein, ohne dabei zu viel Platz wegzunehmen. Im Gegensatz zur Arbeitssituation von Männern mit großen Schreibtischen („bureaux“) im eigenen Arbeitszimmer, mussten sich Frauen arrangieren – räumlich, zeitlich und physisch. Am Sekretär wurden zum Beispiel auch Briefe geschrieben. Als Akt der weiblichen Selbstermächtigung gewann das Briefeschreiben im 18. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung. Die Veröffentlichung von Briefen gilt als eine der ersten Publikationsformen von Frauen.
Die Videoarbeit von Lea Sievertsen zeigt das 3D-Rendering eines Tisches, der sich in Form und Materialität verändert. Während ihrer Residenz erarbeitete sie sich die Grundlagen einer 3D-Software. Lea Sievertsen sieht darin für sich eine Form des Empowerments. Der Tisch steht metaphorisch für einen sich verändernden Raum, der Grenzen verschiebt bzw. auflöst und Hierarchien hinterfragt. Die Grafikdesignerin stellt Fragen nach heutigen Arbeitsbedingungen, nach Flexibilität und Veränderbarkeit der Arbeitssituation, die gerade in Zeiten der Corona-Pandemie besonders relevant sind.
Lea Sievertsen arbeitet in Berlin und ist Lehrbeauftragte an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg. 2020 schloss sie mit dem Master an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK) bei Prof. Ingo Offermanns ab. Zuvor studierte sie Kommunikationsdesign an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle und der HAW Hamburg. Ihre mehrfach ausgezeichneten Werke waren unter anderem im Kunstgewerbemuseum Dresden, dem HfG-Archiv Ulm, auf der International Biennial of Graphic Design Brno (Tschechien) und dem Graphic Design Festival Scotland ausgestellt. Lea Sievertsen ist Teil der Designinitiative notamuse und Co-Editorin der gleichnamigen Publikation, die genau jene Themengebiete vereint, denen sie sich heute vorrangig widmet: die Sichtbarkeit von Grafikdesignerinnen, Fragen nach Repräsentation, aktuellen Vorbildern und feministischen Aspekten im Grafikdesign.
Mit dem von der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen 2020 ins Leben gerufenen Fonds für Junges Design erhalten Nachwuchstalente aus gestalterischen Disziplinen wie Produkt-, Mode- und Grafikdesign sowie Fotografie die Möglichkeit, sich mit der Sammlung des MK&G auseinanderzusetzen. Im Rahmen einer sechsmonatigen Residenz können sie die Objekte als Inspirationsquelle entdecken, die Expertise der Kurator*innen einholen und neue Materialien und Techniken zu erkunden. Ziel ist es, eine oder mehrere Arbeiten zu schaffen, die in das Eigentum der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen übergehen und als Dauerleihgabe in die Sammlung des MK&G überlassen werden. Der Fonds für Junges Design wird regelmäßig halbjährlich vergeben und trägt zur finanziellen und ideellen Förderung junger Gestalter*innen bei. Mit dem Erwerb der Arbeiten durch die Stiftung Hamburger Kunstsammlungen stärkt das MK&G seine Sammlung mit neuen Werken und fördert damit zeitgenössisches Design.
Ab Oktober 2022 residiert der Stuttgarter Fotograf Jan Hottmann im Förderprogramm Fonds für Junges Design im MK&G.
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