Besonders ausgeprägt ist der Personalmangel bei Facharbeitern und Fachangestellten sowie Auszubildenden. Doch auch Un- und Angelernte, Meister, Techniker und Fachwirte sowie Hochschulabsolventen werden gesucht – und eine Trendwende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil – angesichts des demographischen Wandels und der weiterhin hohen Abwanderung in andere Bundesländer wird das Erwerbspersonenpotential bis 2030 um 80.000 auf rund 530.000 Menschen sinken. Dies entspricht einem Rückgang um gut 13 Prozent gegenüber dem heutigen Niveau. Bis zum Jahr 2060 muss sogar mit einem Rückgang um rund ein Drittel gerechnet werden. „Einem sinkenden Angebot steht eine weitgehend konstante Nachfrage nach Arbeitskräften aller Qualifikationsniveaus gegenüber. Rund 80 Prozent der Unternehmen befürchtet daher heute bereits, dass sie ihre offenen Stellen für Facharbeiter und -angestellte nicht oder nur mit Problemen besetzen können. Bei Auszubildenden, Meistern, Technikern, Fachwirten und Hochschulabsolventen mit technischen Schwerpunkten sieht es kaum besser aus“, so Thomé.
Vakanzzeiten nehmen zu
Dass in zahlreichen Berufsfeldern Mangel herrscht, zeigt sich auch an den überdurchschnittlich langen Vakanzzeiten, also der Zeit, die benötigt wird, um eine Stelle zu besetzen. Inzwischen liegt diese in der Mehrzahl der Fälle bei drei bis sechs Monaten. Besonders ausgeprägt sind die Suchzeiten bei Facharbeitern und -angestellten, Technikern, Meistern und Fachwirten sowie technisch-orientierten Hochschulabsolventen wie Informatikern und Ingenieuren. Mehr als jedes dritte Unternehmen gibt zudem an, in diesen Qualifikationssegmenten sogar länger als sechs Monate nach geeigneten Mitarbeitern suchen zu müssen.
Doch zu wenige Bewerbungen, über die inzwischen 70 Prozent der Betriebe klagen, sind das eine. Das andere sind fehlende Qualifikationen und unzulängliche Berufserfahrung. 76 bzw. 61 Prozent der Unternehmen können aufgrund dieser Defizite offene Stellen nicht besetzen. Und immerhin 60 Prozent der Personalsuchenden bemängelt, dass es den Bewerberinnen und Bewerbern an der erforderlichen Mobilität oder an der Bereitschaft mangelt, ins Saarland zu ziehen.
Unternehmen leisten erhebliche Anstrengungen
Um fehlendes Personal zu gewinnen, unternimmt die Saarwirtschaft erhebliche Anstrengungen. So nehmen die Unternehmen inzwischen bei der Personalakquise verstärkt Zielgruppen in den Blick, die bisher eher unterdurchschnittlich in den jeweiligen Branchen oder Berufsgruppen vertreten waren (Ältere, Frauen, Migranten, Studienabbrecher). Dabei werden zunehmend auch im Mittelstand Rekrutierungsinstrumente und -wege genutzt, die bislang noch nicht überall zum festen Bestandteil der Personalgewinnung gehörten (z. B. Kooperationen mit Schulen und Hochschulen, Einsatz von Headhuntern, Social Media, Empfehlungsmarketing). Zwar gibt es durchaus Erfolge auf diesen Gebieten. An der eigentlichen Ursache des Bewerbermangels und den daraus resultierenden Engpässen in den Betrieben hat sich allerdings in den letzten Jahren nichts geändert: Das Arbeitskräfteangebot kann mit der Nachfrage nicht Schritt halten. Die Unternehmen reagieren daher auf die personellen Engpässe durch eine Reihe von Kompensationsmaßnahmen, etwa Höherqualifizierung der Beschäftigten, Ausweitung des Arbeitsvolumens und stärkere Prozessoptimierung (Digitalisierung und Automatisierung, vor allem in der Industrie und Finanzwirtschaft). Ultima Ratio ist die Unter-Auftragsvergabe an andere Unternehmen oder gar die Einschränkung des Serviceangebots.
„Die Ergebnisse unserer Umfrage zeigen einmal mehr wie hoch der Handlungsdruck inzwischen tatsächlich ist“, so Meier. Das Zukunftsbündnis Fachkräfte Saar habe zwar in den letzten Jahren zahlreiche wertvolle Initiativen gestartet, etwa bei der Verringerung von Ausbildungs- und Studienabbrüchen oder bei der Implementierung von Maßnahmen zur Steigerung der Erwerbsquoten. Dieser Kurs müsse aber forciert fortgesetzt und zudem um weitere Maßnahmen ergänzt werden „Der Schlüssel zum Erfolg liegt gerade darin, die Bindekraft des Landes zu steigern und dadurch junge Menschen in der Region zu halten. Zugleich braucht es frische Ideen, eine langfristige Strategie und mehr Umsetzungsstärke, um Nachwuchskräfte aus anderen Bundesländern für den Lebens- und Arbeitsstandort Saarland zu begeistern. Die geplanten Aktivitäten der jüngst gegründeten Rückhol- und Halteagentur sind hierfür ein erster wichtiger Baustein. Mindestens ebenso wichtig wäre es aber, die Attraktivität des Standortes zu stärken, das Saarland-Marketing noch zielgerichteter im Wettbewerb der Regionen um Arbeitskräfte zu positionieren und mit einer ganzheitlichen Anwerbestrategie des Landes mehr qualifizierte Zuwanderung zu erzielen – auch deshalb, weil das endogene Arbeitskräftepotenzial weiterhin rückläufig und bei weitem nicht ausreichend sein wird“, so Meier.
Nach Ansicht der IHK werden die Unternehmen schon im eigenen Interesse künftig noch stärker als bisher innovative Rekrutierungsinstrumente und -wege in den Blick nehmen, ihre Arbeitgebermarke weiter schärfen und ihre Personalentwicklung noch strategischer ausrichten. „Gefordert sind aber auch die Beschäftigten, etwa mit einer höheren Bereitschaft zur Weiterbildung, um durch Höherqualifizierung die Produktivität und Servicequalität zu steigern“, so Thomé.
Handlungsempfehlungen der IHK im Überblick – 10 Punkte:
1. Potenzial der Älteren durch Weiterbildung, altersgerechte Arbeitsplätze, altersgemischte Teams und Gesundheitsförderung stärker nutzen
2. Frauen-Erwerbsbeteiligung durch bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erhöhen, Steigerung der Erwerbsquote von derzeit 72 Prozent mindestens auf Bundesniveau (76 Prozent), insbesondere durch a) den Ausbau der Kita-Betreuungsangebote, b) größere Flexibilität bei den Betreuungszeiten, c) mehr gebundene Ganztagsschulen, d) leistungsfähige Einrichtungen und Dienste zur Betreuung pflegebedürftiger älterer Menschen sowie e) Ausbau der betrieblichen Ansatzpunkte: flexible Arbeitszeit- und Arbeitsort-Modelle, Wiedereinstiegsprogramme nach der Eltern-/Pflegezeit, Kinderbetreuung während der Schulferien, Eltern-Kind-Zimmer, Belegplätze in Kitas, etc.
3. Geflüchtete und hier länger lebende Migranten besser in den Arbeitsmarkt integrieren
4. Abwanderung durch Erhöhung der Bindekraft des Saarlandes und Steigerung der Standortattraktivität stoppen
5. Qualifizierte Zuwanderung steigern, insbesondere durch ganzheitliche, kohärente Anwerbestrategie des Landes mit dem Ziel einer verstärkten Rekrutierung aus Ländern mit Angebotsüberhängen, vorzugsweise aus dem EU-Binnenmarkt
6. Saarland-Marketing zielgerichteter im Wettbewerb der Regionen um Arbeitskräfte positionieren, d. h. in erster Linie Saarland-Marketing potenzialorientiert fokussieren und „nach außen“ richten
7. Duale Ausbildung durch qualifiziertere Berufsorientierung an den Schulen stärken
8. Mehr Studienabbrecher für duale Ausbildung gewinnen
9. Weiterbildungsbeteiligung erhöhen
10. Stärkung der Ingenieurwissenschaften an den Hochschulen durch a) nachhaltige Finanzierung der entsprechenden Studiengänge und deren zielgerichtete Bewerbung auch über die Landesgrenzen hinweg, b) Förderung der außerschulischen Lernorte (Schülerlabore), c) Gewinnung von mehr jungen Frauen für technische Studiengänge, d) Reduzierung der Abbrecherquoten und Stärkung der Beschäftigungsfähigkeit von Absolventen durch mehr Praxisbezug und den Ausbau betriebswirtschaftlicher und kommunikativer Kompetenzen während des Studiums.
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