Seit 2015 führen Wissenschaftler*innen des Gepardenforschungsprojekts des Leibniz-IZW gemeinsam mit dem Ministerium für Umwelt, Forstwirtschaft und Tourismus (MEFT) von Namibia eine nationale Gepardenerhebung durch. Ziel ist es, Daten zu Dichte und Verbreitung der Raubkatzen im ganzen Land zu erhalten. In diesem Rahmen fing das Team eine Koalition von drei Männchen in der Namib-Wüste und stattete ein Tier mit einem GPS-Halsband aus. Die aufgezeichneten Standort- und Bewegungsdaten wurden regelmäßig mithilfe eines Kleinflugzeuges ausgelesen. Bei einem dieser Flüge wurde der Kadaver des mit dem Halsband versehenen Geparden geortet. Bei der anschließenden Suche am Boden wurden die beiden anderen Geparde ebenfalls tot aufgefunden. „Die GPS-Daten der Tiere zeigten, dass sie einige Tage zuvor innerhalb eines Zeitfensters von sechs Stunden starben“, sagt Ruben Portas, Projekt-Wissenschaftler. „Bei der Auswertung ihrer letzten Bewegungen fanden wir zudem eine hohe Zahl an GPS-Positionen etwa zwei Kilometer von dem Ort entfernt, an dem wir sie tot aufgefunden hatten.“ An diesem Ort, an dem sich die Geparde am Tag vor ihrem Tod 20 Stunden lang aufhielten, fand Portas den Kadaver eines ausgewachsenen Bergzebras. Die GPS- und Aktivitätsdaten des Halsbandes deuten darauf hin, dass die Geparde davon fraßen. Aus Mundhöhlen- und Nasenabstrichen des toten Bergzebras wurde Bacillus anthracis isoliert. Dies stellt die erste bestätigte Milzbrandinfektion bei einer Wildtierart in der Namib-Wüste dar.
Raubtiere sind in der Regel weniger anfällig für Milzbrand als Pflanzenfresser. Insbesondere Geparde haben eine starke angeborene Immunität, die ihnen eine schnelle erste Abwehr gegenüber Krankheitserregern wie Bacillus anthracis bietet. „Nehmen Geparde jedoch eine große Menge an Bakterien auf, zum Beispiel mit dem Fleisch eines kontaminierten Kadavers, kann ihre angeborene Immunität überlastet werden“, erklärt Projektleiterin Bettina Wachter. „Geparde fressen kaum Aas, weshalb sie nur selten Beutetieren ausgesetzt sind, die mit Milzbrand infiziert sind. Infolgedessen bilden sie nur wenige Antikörper aus, die eine weitere Abwehrlinie darstellen würden. Geparde sterben daher sehr schnell, wenn sie mit Milzbrand infiziert sind, wie Untersuchungen im Etosha-Nationalpark im Norden Namibias zeigten.“
Der Erreger wurde bei keinem der drei in der Namib gefundenen Geparde nachgewiesen, aber die Wissenschaftler*innen halten es für sehr wahrscheinlich, dass Milzbrand die direkte Ursache für ihren Tod war. Bakterienkulturen von hochgradig anfälligen Tieren, die schnell sterben, weisen oft ein negatives Testresultat auf den Erreger auf, da die Tiere bereits bei einer geringen Bakterienkonzentration im Blut oder bei einer hohen Belastung durch das Toxin, das Bacillus anthracis bei der Zerstörung durch das Immunsystem freisetzt, sterben können. Zudem entwickelt sich die vegetative Form des Erregers nur dann, wenn er nach dem Tod des Wirts schnell in Kontakt mit Luft kommt. Die Geparde wurden elf Tage nach ihrem Tod äußerlich unversehrt aufgefunden; ihre Körper wurden nicht von Aasfressern geöffnet. Dies könne eine weitere Erklärung für die negativen Ergebnisse der Labortests auf Milzbrand sein, so das Team.
Milzbrand ist eine in trockenen Lebensräumen wenig erforschte Krankheit. Wenn Wildtiere in der Namib-Wüste verenden, werden die Ursachen oft auf Dürre, Hunger und die schwierigen Wüstenbedingungen zurückgeführt. „Die wenigen gemeldeten Fälle von Milzbrand in den trockenen Regionen Namibias traten auf, wenn Nutztiere oder Menschen direkt betroffen waren“, erklärt Portas. „Wir wissen daher nicht, wie häufig Milzbrand in der Namib-Wüste vorkommt und wie sehr die Wildtierpopulationen von dieser Krankheit betroffen sind. Für andere Lebensräume wie den Etosha-Nationalpark gibt es zahlreiche Forschungsergebnisse, die zeigen, dass Milzbrand eine wichtige ökologische Rolle spielt.“
Dieser erste bestätigte Fall von Milzbrand in der Namib-Wüste bei Wildtieren zeigt, dass die Krankheit in der Wüste und anderen trockenen Gebieten seit langem etabliert (endemisch) sein könnte. Der größte Teil der Namib-Wüste besteht aus Schutzgebieten, in denen Geparde und andere Arten einen wichtigen Zufluchtsort vor Konflikten mit Menschen finden. Die neuen Erkenntnisse können daher wichtig sein, um die Risiken für Geparden zu bewerten. „Obwohl nur wenige Daten vorliegen, hat keine andere Krankheit solche Auswirkungen auf die Gepardenbestände. Weitere Forschung, die zu geeigneten Schutzmaßnahmen führen kann, ist daher unbedingt erforderlich“, so Wachter. „Unsere Untersuchung zeigt zudem den hohen Wert von mittels GPS-Halsbändern aufgezeichneten Daten: Diese haben das Potenzial, neben der Bewegung und der Raumnutzung von Tieren auch zu weiteren bedeutsamen Fragestellungen wichtige Informationen zu liefern.“
Publikation
Portas R, Aschenborn OHK, Melzheimer J, Le Roux M, Uiseb KH, Czirják GÁ, Wachter B (2021): GPS telemetry reveals a zebra with anthrax as putative cause of death for three cheetahs in the Namib desert. Frontiers in Veterinary Science 8:714758. doi: 10.3389/fvets.2021.714758
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