Ausländische Pflegekraft verlangt Mindestlohn
Eine Bulgarin arbeitete seit 2015 als Sozialassistentin in Deutschland. Sie betreute eine 90-Jährige, erledigte für sie Haushaltstätigkeiten und half ihr im Alltag. Im Arbeitsvertrag mit einer bulgarischen Firma war eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden festgelegt, samstags und sonntags sollte die Pflegekraft nicht arbeiten. Ihre Nettovergütung lag bei 950 Euro pro Monat.
2018 verklagte die bulgarische Pflegekraft ihren Arbeitgeber. Der Grund: Sie forderte den deutschen Mindestlohn für ihre Arbeit. Außerdem habe sie nicht nur 30 Stunden pro Woche, sondern fast rund um die Uhr gearbeitet oder sei in Bereitschaft gewesen. Beispielsweise habe sie nachts die Tür offenlassen müssen, um das Rufen der 90-Jährigen hören zu können. Insgesamt forderte die Pflegekraft rund 40.000 Euro nach.
Die bulgarische Firma wies die Vorwürfe zurück. Die Pflegekraft hätte ihre Aufgaben in den 30 Wochenstunden erledigen können. Darüber hinaus sei kein Bereitschaftsdient vereinbart gewesen.
Urteil: Auch für Bereitschaftsdienst gilt der Mindestlohn
Schon das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg gab der Klägerin Recht. Die Richter beim Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt bestätigten schließlich die Auffassung des LAG. Auch ausländische Arbeitgeber müssen ihren Arbeitnehmern den Mindestlohn zahlen, wenn diese in Deutschland arbeiten. Außerdem gilt der volle Mindestlohn auch für den Bereitschaftsdienst (Urteil vom 24.06.2021, 5 AZR 505/20).
Unklar war jedoch, wie viele Stunden die Pflegekraft arbeitete. Das LAG hatte eine tägliche Arbeitszeit von 21 Stunden angenommen. Dass die Pflegekraft mehr als 30 Wochenstunden arbeite, sei laut BAG sehr wahrscheinlich, da sie sonst nicht alle Aufgaben hätte erledigen können. Ob es allerdings wirklich 21 Stunden pro Tag seien, muss das LAG erneut prüfen.
Das bedeutet das Urteil
„Für die Pflegebranche ist dieses Urteil ein echter Hammer“, sagt Ecovis-Rechtsanwalt Gunnar Roloff in Rostock, „es kann natürlich jeder verstehen, dass der Mindestlohn für alle Berufstätigen in Deutschland gelten muss. Viele Privathaushalte können sich dann jedoch die Betreuung nicht mehr leisten. Auch die Bereitschaftszeiten sind mit dem vollen Mindestlohn zu vergüten, selbst wenn der Arbeitnehmer in dieser Zeit untätig bleibt. Und vor allem droht den Auftraggebern eine Nachzahlung über den nicht verjährten Zeitraum von drei Jahren.“
Gunnar Roloff, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Ecovis in Rostock
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