Einhundert Mal präziser als ein Kinofilm

Wer kennt nicht die beeindruckenden Aufnahmen von Wärmebildkameras mit Häusern im Winter, auf denen die Schwächen einer thermischen Isolierung an den Fenstern sichtbar gemacht werden? Oder die Aufnahmen der Sicherheitstechnik in Flughäfen, bei denen die Passagiere auf erhöhte Temperatur untersucht werden? Das LaserApplikationsZentrum (LAZ) der Hochschule Aalen erhält nun eine moderne Hochgeschwindigkeitskamera der Firma InfraTec, um mit Wärmebildern die Temperaturverteilung auch bei schnellen Laserprozessen sichtbar zu machen.

Die hochpräzise Messtechnik wird von den Forschern am LAZ zur Optimierung innovativer Laserprozesse, wie beispielsweise dem 3D-Druck oder dem Laserlöten, eingesetzt. „Durch die vielen Einsatzmöglichkeiten der Hightechkamera entstehen unserem LaserApplikationsZentrum ganz neue Möglichkeiten Vorgänge in der Laserbearbeitung zu beobachten, zu analysieren und zu optimieren,“ so Professor Dr. Harald Riegel, Leiter des LaserApplikationsZentrums und Forscher im strategischen FH-Impulsprojekt SmartPro (Smarte Materialien und intelligente Produktionstechnologien für energieeffiziente Produkte der Zukunft).

Auf den optimalen Wärmefluss kommt es an

Weshalb benötigt eine Forschungszentrum, das sich mit Lasermaterialbearbeitung befasst eine Wärmebildkamera? Bei allen Laserprozessen wird die Laserstrahlung an der Materialoberfläche absorbiert und in Wärme umgewandelt. Je nachdem, wie schnell die Wärme abfließt, hat das Auswirkungen auf den Bearbeitungsprozess und das Ergebnis. Da man den Wärmefluss mit bloßem Auge nicht sehen kann, hilft den Forschern die Wärmebildkamera weiter. Markus Hofele, Doktorand am LAZ: „Eine zu hohe Bearbeitungstemperatur kann die Bauteileigenschaften negativ beeinflussen, was wir natürlich verhindern möchten.“ Beispielsweise beim Hochtemperaturlaserlöten muss die Fügestelle sehr präzise und gleichmäßig auf ca. 1.200 Grad Celsius erhitzt werden, während das restliche Bauteil kühl bleiben soll. „Die Wärmebildkamera macht für uns sichtbar, wie sich das Bauteil beziehungsweise die Fügestelle erwärmt und an welche Stellen der Laserstrahl geführt werden muss, um eine optimale Durchwärmung des Bauteils sicherzustellen und die thermische Belastung der umgebenden Zonen zu reduzieren“, erklärt der junge Forscher.

Filmaufzeichungen bis zu 5.000 Hertz

Mit dem Hochleistungsgerät kann bei voller Auflösung mit 300 Hertz Bildfrequenz, also dreihundert Bilder pro Sekunde, aufgezeichnet werden. Im Teilbildmodus sogar bis zu enorm hohen 5.000 Hertz. Im Vergleich dazu: Bei aufwendig produzierten Kinofilmen betragen die Bildwechselfrequenzen 48 Hertz und bei Computerspielen 60 bis 240 Hertz. Durch Laserschutzfenster und Schutzgläser ist die Kamera gegen Laserstrahlung und Spritzer aus der Laserbearbeitung geschützt und kann deshalb in unmittelbarer Nähe zu den Laserstrahlen eingesetzt werden.

Optimale Ergebnisse beim 3D-Druck

Auch beim Pulverbett-basierten 3D-Druck, oft auch selektives Laserschmelzen genannt, leistet die Kamera wichtige Dienste, um die Ergebnisse zu optimieren. Bei diesem 3D-Druck-Verfahren wird das jeweilige Bauteil aus Metallpulver Schicht für Schicht gedruckt. Dabei kann es bei filigranen Strukturen zu Überhitzungen infolge eines Wärmestaus kommen. Um ein Bauteil reproduzierbar und fehlerfrei herzustellen, ist es wichtig, dass die Temperatur in einem geeigneten Bereich, dem Prozessfenster, liegt. Denn bleibt das Bauteil zu warm, können die nachfolgend aufgetragenen Schichten nicht mehr erstarren und es kommt zu Unebenheiten an der Bauteiloberfläche. „Aber durch die Kamera erkennen wir Hitzestaus und können sie nachhaltig beseitigen“, erklärt Markus Hofele.

Werkstoffprüfung ohne das Bauteil zu zerstören

Zusätzlich nutzen die Forscher des LAZ die Kameraaufnahmen zur zerstörungsfreien Werkstoffprüfung während des Herstellprozesses. Dabei wird das zu prüfende Bauteil mit einer Wärmequelle in einer bestimmten Frequenz bestrahlt. Den entstehenden Wärmestrom stellt die hochauflösende Kamera präzise dar. Fehlstellen unterhalb der Materialoberfläche stören den Wärmefluss und können durch die Kamerabilder online aufgespürt werden, bzw. am Ende des Druckprozesses kann eine Freigabe im Fall einer fehlerfreien Herstellung sofort gegeben werden.

Die Wärmebildkamera wurde innerhalb des Forschungsprojekts FlexLight4.0 („Flexibles Licht als Enabler von hochfunktionalisierten, adaptiven optischen Elementen und Sensoren für Realtime Messungen bei I4.0 Applikationen“) beschafft und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. In diesem Forschungsvorhaben wird eine komplette digitale Fertigungskette zur Herstellung von Bauteilen aus Metallen und Keramik aufgebaut werden, die auf Licht als Werkzeug mit flexiblen und anpassungsfähigen Eigenschaften basiert.

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