Sozialbetreuung von Studierenden im Nationalsozialismus: neue Studie

  • Deutsches Studentenwerk legt erste historische Monografie vor zum NS-„Reichsstudentenwerk“
  • Autor Dr. Christian Schölzel, Berlin
  • Anlass: Gründung des Deutschen Studentenwerks (DSW) vor exakt 100 Jahren
  • Ab 1933 Gleichschaltung der Studentenwerke durch die NS-Diktatur, Instrumentalisierung ihres Dachverbands
  • DSW-Präsident Rolf-Dieter Postlep: „Wir stellen uns dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte“
  • Online-Publikation auf der DSW-Website www.studentenwerke.de

Aus Anlass seiner Gründung vor 100 Jahren legt das Deutsche Studentenwerk (DSW), der Verband der 57 Studenten- und Studierendenwerke, die erste geschichtswissenschaftliche Monografie vor zum nationalsozialistischen „Reichsstudentenwerk“.

„Wir tun dies bewusst als Zeichen unserer politisch-moralischen Verantwortung“, erklärt DSW-Präsident Prof. Dr. Rolf-Dieter Postlep, „im Jahr 100 nach unserer Gründung füllen wir nicht allein eine Forschungslücke; wir stellen uns dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte.“

Autor der Studie „Das Reichsstudentenwerk. Sozialbetreuung von Studierenden im Nationalsozialismus“ ist der Berliner Historiker Dr. Christian Schölzel; er erarbeitete sie im Auftrag des Deutschen Studentenwerks. Schölzel konstatiert eine „rasche Gleichschaltung der zentralen studentischen Sozialfürsorge“ nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ ab dem 30. Januar 1933. Er schreibt: „Personelle ‚Säuberungen‘ [in den Studentenwerken] sind nachweisbar; aktiver Widerstand lässt sich kaum feststellen.“

DSW-Präsident Postlep spricht im Vorwort der Studie von einer „tiefen institutionellen Zäsur“: „Die Studentenwerke wurden gleichgeschaltet und jeglicher Autonomie beraubt; ihr Dachverband wurde instrumentalisiert und integriert ins Gefüge der NS-Diktatur.“

Autor Schölzel geht aber auch auf die „nationalen Anklänge“ ein, die er vor 1933 im Deutschen Studentenwerk belegt; so verstand sich der Verband in der Zwischenkriegszeit als Teil eines „nationalen Projekts“. Es habe „volkstumspolitische“ Tendenzen gegeben,

Das 1934 eingerichtete, nationalsozialistische „Reichsstudentenwerk“ war, so Schölzels Fazit, „durch seine Protagonisten in Studentenschaft, Politik und Wirtschaft von der NS-Ideologie durchdrungen. An erster Stelle habe ein „politisiertes Verständnis von Wissenschaftsförderung“ gestanden, welches mit herkömmlichen Forschungsidealen immer weniger zu tun habe. Schölzel weiter: „Die NS-Rassenideologie wird mit dem Ausschluss von Juden aus der Studienförderung massiv handlungsleitend.“

Schon bevor er die Leitung des „Reichsstudentenwerks“ übernahm, war der hohe SS-Offizier Gustav Adolf Scheel die zentrale Figur. Historiker Schölzel schreibt über ihn: „‘Führerprinzip‘ statt Föderalismus, der Einsatz von linientreuen nationalsozialistischen Funktionären und eine NS-konforme Förderpolitik sind seine Handlungsmaximen.“

Die Studie“ Das Reichsstudentenwerk. Sozialbetreuung von Studierenden im Nationalsozialismus“ von Dr. Christian Schölzel zum Download (60 Seiten, 4 MB): www.studentenwerke.de/de/content/das-reichsstudentenwerk 

Website von Dr. Christian Schölzel: www.cultureandmore.com/de/unternehmen/dr-christian-schoelzel

Hintergrund: 100. Gründungstag des Deutschen Studentenwerks

Am 19. Februar 1921 wurde in Tübingen die „Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft e.V.“ gegründet. Als Dachverband der zuvor ab 1919 unter anderem in Dresden, Bonn oder München gegründeten, von Studierenden und Lehrenden getragenen „Studentenhilfen“, war die Wirtschaftshilfe mit Sitz in Dresden die unmittelbare Vorläuferorganisation des Deutschen Studentenwerks, welches ab 1929 dann so hieß. Angesichts der Coronavirus-Pandemie und der schwierigen Lage sowohl der Studierenden als auch der Studenten- und Studierendenwerke plant das Deutsche Studentenwerk in diesem Jahr vorläufig keine größeren Feierlichkeiten zu seiner Gründung vor 100 Jahren.

100 Jahre DSW online: www.studentenwerke.de/de/content/jubilaeen-der-stw

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