Sächsischer Tourismus verliert im Jahr 2020 über 40 Prozent Umsatz

Nach einem hervorragenden Tourismusjahr 2019 mit einem Bruttoumsatz von 8,1 Milliarden Euro hat die Corona-Pandemie das Geschäft in Sachsen zum Erliegen gebracht. Mit einem volkswirtschaftlichen Verlust von über 2,69 Milliarden Euro allein in den Monaten März bis Oktober und rund 50 Prozent der Gäste und Übernachtungen zum ersten Halbjahr ist die Branche massiv getroffen. Eine Expertengruppe denkt den Neustart vor. 

Dazu erklärt Rolf Keil, Präsident des Landestourismusverbandes Sachsen e.V. (LTV SACHSEN): „Jetzt gilt es, nach vorn zu denken. Der Aktivtourismus mit Naturerlebnissen, zwischen Ruhe und Abenteuer, ist im Aufwind. Es wird nach der Krise neue Chancen für Leben und Arbeiten im ländlichen Raum geben. Lebensqualität für unsere Menschen ist die beste Standortqualität für unsere Gäste. Um die Zukunft der Tourismusbranche auch nach der Krise zu sichern, ist auch weiterhin die politische Unterstützung in Form von Kompensations- und Fördermaßnahmen gefragt. Mit neuen Ideen in historische Gasthöfe oder neue Angebote für Wohnmobile zu investieren, sind nur zwei Beispiele dafür. Auch auf das Dauerthema Betriebsübergabe und -übernahme kommt neuer Druck, dem Wirtschaft und Freistaat mit allen Instrumenten begegnen müssen. Der Tourismus braucht jetzt Perspektiven und eine konstruktive Aufbruchstimmung, um sich für die Herausforderungen der kommenden Jahre zu rüsten“.

Sachsens Tourismusministerin Barbara Klepsch: „Die Corona-Pandemie stellt den Tourismus vor große Herausforderungen und die Lage ist für viele Betroffene schwierig. Wir wollen alle gemeinsam aus dieser Situation herauskommen. Und ich höre auch von Akteuren, die zuversichtlich auf das nächste Jahr setzen. Die sächsischen Regionen sind attraktive Reiseziele. Die Städte werden mit dem Umland neue Kombinationen finden, um noch stärker Natur und Kultur zu kombinieren. Wir sind im engen Austausch, um für den Tourismus die notwendige finanzielle Unterstützung zu ermöglichen. Damit wollen wir die weitere Entwicklung und das Tourismusmarketing der Regionen finanzieren, insbesondere in der Phase der Wiedereröffnung".

Die Übernachtungsrückgänge sind bundesweit in allen Regionen festzustellen. In Sachsen ist bis Oktober ein Rückgang von 27,4 Prozent bei den Übernachtungen und ein Minus von 35 Prozent bei den Gästeankünften zu verzeichnen. 

Die Sommermonate und der Herbst brachten nur für einige Regionen bzw. bestimmte Beherbergungsbereiche Entspannung. Im Übernachtungsbereich mussten in Ostdeutschland von Januar bis September 2020 die Ferienwohnungen (Minus 14,3 Prozent) und die Campingplätze (Minus 4,5 Prozent) geringere Verluste hinnehmen als die Hotellerie (Minus 40 Prozent) und Gruppenunterkünfte (Minus 58 Prozent). Bei den Regionstypen ist festzustellen, dass „Regionen mit Bergen und Wasser“ relativ gut nachgefragt wurden, dafür aber die Situation in den Städten sehr schwierig ist. Der Grund hierfür ist der fehlende Geschäftstourismus mit Kongressen, Events, Messen und Tagungen. Auch in Sachsen ist diese Auswirkung deutlich sichtbar: Während die Sächsische Schweiz „nur“ 8,1 Prozent Übernachtungsrückgänge bis Oktober hinnehmen muss, fehlen Leipzig 38,2 Prozent der Übernachtungen (Siehe Anlage).

In der Prognose gehen Experten davon aus, dass der sächsische Tourismus zum Ende des Jahres mit einem Umsatzrückgang in Höhe von 3,5 Milliarden Euro rechnen muss. Das wäre im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von über 40 Prozent.
Mit dem zweiten Shutdown kämpfen viele Tourismusbetriebe um die Existenz. Laut Umfragen geben aktuell 76 Prozent der Hotels und 62 Prozent der Gaststätten an, um ihr Überleben zu kämpfen. Deutschlandweit stieg der Anteil an Kurzarbeit bei Hotels auf 91 Prozent, in der Gastronomie auf 71,7 Prozent. Finanzielle Einbußen müssen dabei Mitarbeiter durch weniger Gehalt in der Kurzarbeit und Unternehmer durch immer höhere Verluste hinnehmen. Die Rücklagen sind bei vielen Betrieben aufgebraucht, Umsatzeinbrüche mussten mit Fremdkapital finanziert werden. Damit droht zum Jahreswechsel einigen Betrieben die Insolvenz. Bund und Bundesländer haben zwar eine Vielzahl von Hilfen beschlossen (u.a. Kurzarbeitergeld, Überbrückungshilfe, November- und Dezemberhilfen und Darlehen), diese konnten aber das Überleben nur sichern, wenn sie rechtzeitig angekommen sind. In Sachsen wurden bis dato branchenübergreifend ca. 11.500 Anträge mit einem Volumen von rund 148 Millionen Euro für die November- und Dezemberhilfen gestellt. Davon wurden rund 19 Prozent ausgezahlt.

Wie geht es weiter?
Experten schätzen ein, dass weiterhin von einer sehr labilen Marktentwicklung auszugehen ist, die von Reisewarnungen, Lockdowns und Ängsten geprägt wird. Weiterhin wird prognostiziert, dass sich der Inlandstourismus schneller als der Auslandstourismus wieder erholen wird, sobald Reisen wieder möglich sind. Dabei wird es aber insgesamt weniger Reisen geben, diese werden als Reiseziel das Inland haben. Die Gäste werden bei der Anreise den eigenen PKW und weniger öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Nach einer Umfrage sehen rund 91 Prozent der Tourismusorganisationen in Ostdeutschland ein steigendes Interesse an Naturerlebnissen. Perspektivisch werden jene Unternehmen sich am Markt behaupten, welche ein klares Profil besitzen sowie erfolgreich um die Gunst von Kunden und qualifizierten Mitarbeitern werben. Der Wettbewerb um Fach- und Arbeitskräfte hat sich auch branchenübergreifend deutlich verschärft.

Unternehmen die auf Digitalisierung, Flexibilität, Nachhaltigkeit und Innovationen setzen, werden im Wettbewerb besser als andere bestehen können. Experten sehen als ein wichtiges Handlungsfeld für Unternehmen außerdem die Optimierung und zukunftssichere Ausrichtung der Kapitalstrukturen und Finanzierungsmodelle. 

Rolf Keil, Präsident des LTV SACHSEN erläutert dazu: „Vor diesem Hintergrund müssen wir heute schon an morgen denken. Wenn sich für den Tourismus hoffentlich im ersten Quartal 2021 wieder Perspektiven eröffnen, steht „sicheres Reisen“ im Mittelpunkt. Gebraucht werden praktikable Impfverfahren, anerkannte Testroutinen und kluge Lösungen zur Nachverfolgung für den betrieblichen Alltag im Tourismus. Das Virus wird uns noch lange begleiten, deshalb besteht die Herausforderung für Unternehmen und Destinationen bei den Gästen mit „sicheren Angeboten“ um Vertrauen zu werben, damit Reisen für uns alle wieder unbeschwert möglich wird. Um erste Schritte konkret zu machen, bringt der LTV SACHSEN gemeinsam mit dem Sächsischen Staatsministerium für Kultur und Tourismus eine interdisziplinäre Expertengruppe zum Thema „Neustart Tourismus“ auf den Weg. Ziel ist es, mögliche Perspektiven für eine Öffnung des Tourismus in Sachsen zu erörtern. Zu diskutieren sind die für einen flexiblen Wiedereinstieg und „Sichere Gastfreundschaft“ erforderlichen Rahmenbedingungen sowie Herausforderungen und Lösungsansätze“.

Über den Landestourismusverband Sachsen e.V.

Als Dachverband repräsentiert der LTV SACHSEN rund 4.500 direkte und indirekte Mitglieder aus dem gesamten Dienstleistungssektor. Die breit gefächerte Mitgliederpalette unterstützt dabei seine Aufgabe, die Interessen des mittelständisch geprägten Tourismus in Sachsen zu vertreten. Wichtiges Anliegen: Eine Tourismuspolitik in Sachsen, die auf Wettbewerbsfähigkeit, Qualität, Innovation und Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Der Tourismus erwirtschaftet in Sachsen einen Jahresumsatz von 8,1 Milliarden Euro, der 194.000 Menschen Beschäftigung sichert.

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