Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzufedern, hat die Bundesregierung weitreichende Hilfsmaßnahmen eingeführt. So wurde beispielsweise die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen zwischen März und September 2020 komplett ausgesetzt, die Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld erleichtert und zahlreiche Kredit- und Zuschussprogramme aufgelegt. Diese Maßnahmen haben sich stabilisierend auf die deutsche Wirtschaft ausgewirkt. Die ergriffenen Maßnahmen führen, zumindest teilweise, jedoch lediglich zu einer zeitlichen Verlagerung der negativen wirtschaftlichen Folgen durch Lockdown und anderer Beschränkungen. So zeigen die Umfrageergebnisse der Sonderfrage des ZEW-Finanzmarkttests, dass die überwiegende Mehrzahl der befragten Finanzmarktexperten/-innen eine Zunahme der Unternehmenskonkurse innerhalb der kommenden sechs Monate erwartet: 43 Prozent der Befragten gehen dabei von einem leichten Anstieg aus, während 55 Prozent einen starken Anstieg erwarten.
Sparkassen und Genossenschaftsbanken scheinen besonders stark betroffen
Anders als die globale Wirtschaftskrise 2007/2008, die im Finanzsektor ihren Ursprung nahm und sich von dort auf die Realwirtschaft übertrug, ist die Corona-Krise zunächst eine globale Gesundheitskrise. Da die Bekämpfung der Ausbreitung des Virus jedoch mit großen wirtschaftlichen Einschnitten einhergeht, besteht diesmal die Gefahr, dass die aktuelle Krise von der Realwirtschaft in den Bankensektor rückwirkt. Aus Sicht der Finanzmarktexperten/-innen werden die Kreditausfälle im deutschen Bankensektor auf Halbjahressicht zunehmen. Bezogen auf die Anzahl der ausfallenden Kredite erwarten 48 Prozent der Befragten einen leichten Anstieg und 45 Prozent einen starken Anstieg, während 64 Prozent (25 Prozent) einen leichten (starken) Anstieg des ausfallenden Kreditvolumens erwarten.
Überdurchschnittlich betroffen seien von diesen Ausfällen besonders die Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken: 58 Prozent bzw. 56 Prozent der Experten/-innen teilen diese Erwartung. Dagegen erwarten nur 32 Prozent der Befragten bei den Großbanken überdurchschnittliche Ausfälle und bei den Privatbankiers sind es lediglich neun Prozent. „Angesichts der zunehmenden Warnungen bezüglich einer möglichen anstehenden Bankenkrise betonen die Banken selbst, dass sie in den Jahren seit der Finanzkrise ihre Eigenkapitalausstattung deutlich verbessert und ausreichend Vorsorge getroffen hätten. Auch die Bankenaufseher sehen das deutsche Finanzsystem als Ganzes als robust an, auch wenn einige der schwächsten Banken die Krise vermutlich nicht überstehen würden“, sagt Dr. Karolin Kirschenmann, stellvertretende Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs „Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement“.
Aussetzen der Insolvenzantragspflicht als Hauptgrund für Zombieunternehmen
Die wirtschaftspolitischen Corona-Maßnahmen könnten auch zu ungewollten Nebeneffekten führen, etwa zu einem Anstieg der Anzahl an sogenannten Zombieunternehmen. Diese Unternehmen sind an sich insolvent und unprofitabel, werden aber durch die wiederholte Zuführung von Krediten künstlich am Leben gehalten. So befürchten 58 Prozent der befragten Finanzmarktexperten/-innen einen geringen und 39 Prozent einen starken Anstieg an Zombieunternehmen in Deutschland als Folge der wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Milderung der wirtschaftlichen Effekte der Corona-Krise. Aus Sicht der Experten/-innen wird die Zunahme der Zombieunternehmen vor allem durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht verursacht: Insgesamt 61 Prozent der Befragten schreiben ihr einen sehr starken Effekt zu. Des Weiteren werden staatliche Kredite über die KfW (23 Prozent) und das Kurzarbeitergeld (17 Prozent) als Ursachen genannt. Kaum einen Einfluss auf den Anstieg an Zombieunternehmen wird dagegen der Senkung der Mehrwertsteuer beigemessen. „Während es zu Beginn der Krise richtig und wichtig war, diese Maßnahmen schnell einzuführen, geht es nun darum, die Rückwirkungen auf den Bankensektor und die Entstehung von Zombieunternehmen möglichst einzudämmen. Hierfür sind verschiedene Wege gangbar, die beispielsweise die Ausstattung von Unternehmen mit Eigen- statt Fremdkapital oder das Vorgehen der Bankenaufseher betreffen“, erläutert Karolin Kirschenmann.
Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Durch gezielten Wissenstransfer und Weiterbildung begleitet das ZEW wirtschaftliche Veränderungsprozesse. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW Mannheim rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.
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