Mit gewagten Thesen, die einer sauberen empirischen Überprüfung in keinem Fall standhalten, arbeitet sich der ehemalige Berliner Wissenschaftssenator im Tagesspiegel vom 19.7.2020 einmal mehr an den Privathochschulen ab. Dabei erweist sich schon die Titelzeile als Etikettenschwindel. Turners Thesen beschäftigen sich im Folgenden nämlich ausschließlich mit Privatuniversitäten. Die positive Entwicklung privater Fachhochschulen, die nicht nur den Löwenanteil privat Studierender für sich reklamieren können, sondern darüber hinaus auch ausgesprochen erfolgreiche Geschäftsmodelle hervorgebracht haben, mit denen sie Nischen im deutschen Hochschulmarkt besetzen, die von staatlichen Hochschulen in gleicher Weise nicht bedient werden (können), bleiben völlig unberücksichtigt. Und auch das scheint Methode zu haben, lässt sich doch so viel leichter ein Zerrbild der Realität des Jahres 2020 zeichnen. So ließe sich die These von den Ein-Fach-Hochschule ebenso wenig aufrechterhalten wie die Aussagen, die finanzielle Basis privater Hochschulen werde immer brüchiger, wenn der Blick auf die Gesamtheit privater Hochschulen gerichtet würde. Tatsächlich lässt sich die Zahl der in den letzten Jahren insolvent gewordener privater Hochschulen an den Fingern einer Hand abzählen – ein Wert mit dem wir im Angesicht von mehr als 120 Privathochschulen in einem marktwirtschaftlichen System wohl ebenso werden leben müssen wie mit der Tatsache, dass privatwirtschaftliche Unternehmen von Zeit zu Zeit fusionieren oder sich anderen, meist größeren Hochschulen oder Hochschulverbünden anschließen. In keinem Fall stützt diese Entwicklung den Eindruck, den Turner zu erwecken versucht, nämlich dass es sich hier um einen Trend handelt. Vielmehr muss der Verfasser zur Stützung seiner These, die er im Zusammenhang mit dem Rückzug des Stifters Klaus Jacobs aus der gleichnamigen Universität aufstellt, sämtlich auf Beispiele zurückgreifen, die eine ganze Weile zurückliegen.
Aber auch den Privatuniversitäten tut George Turner in weiten Teilen unrecht und er tut dies, indem er Ihnen einerseits die Qualität einer Universität abspricht (und sich dabei in allen Fällen gegen die Einschätzung des Wissenschaftsrats stellt). Festgemacht wird dies an der fehlenden Breite von Fachgebieten. Aber gerade das ist ja gerade das Alleinstellungsmerkmal nahezu aller Privatuniversitäten: Sie spezialisieren sich auf ein bestimmtes Fachgebiet und vertreten diesen mit großem Erfolg in Lehre und Forschung. Dass hierfür bisweilen der finanzielle Einsatz von Mäzenen erforderlich ist, ist nicht verwerflich, haben doch auch staatlich betriebene Hochschulen ihren Mäzen – den Steuerzahler. Andererseits wird durch die abschließende Aufzählung von seiner Einschätzung noch finanziell gesicherten Hochschulen der Eindruck erweckt, alle anderen Universitäten hätten hier Schwierigkeiten, was nicht zutrifft und Zeugnis davon ablegt, dass der Kolumnist sich nicht die Mühe macht, aktuelle Entwicklungen in seinem Beitrag zu berücksichtigen.
George Turner lässt damit die Gelegenheit verstreichen, den Kern des Erfolgs privater Hochschulen herauszuarbeiten. Erfolgreich etablieren konnten sich neben den durch Mäzene mitfinanzierten Hochschulen sämtlich Einrichtungen, die im Rahmen ihres Lehr- und Forschungsauftrags nicht nur gute Arbeit leisten, sondern auch ein tragfähiges Geschäftsmodell entwickeln konnten. Gelingt dies nicht, verschwinden diese Hochschulen unabhängig von der Qualität der dort geleisteten Arbeit wieder vom Markt.
Prof. Dr. Peter Thuy
Vorstandsvorsitzender des Verbands Privater Hochschulen
Verband der Privaten Hochschulen e.V.
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