- – Erst Fullcrew, dann Doublehand
- – Spätstart für neue Projekte und alte Hasen
- – German Open der Dehler 30od
- – Zum Aal nach Eckernförde
Die Regattasaison der Seesegler erlebt einen Spätstart. Die Corona-Pandemie ließ bislang kaum sportlichen Wettkämpfe mit mehr als zwei Personen an Bord zu. Nun bietet die Kieler Woche (5. bis 13. September) den Seeseglern die Möglichkeit, ihre Kräfte untereinander zu messen. Die Internationale Deutsche Meisterschaft der ORCi-Seesegler und der Doublehand Segler sind dabei sicherlich sportliche Höhepunkte in einem Regattaangebot, das für alle etwas bietet: vom Familienspaß bis zum professionellen Segeln, von Wochenend-Einsätzen bis zum Segeln während der gesamten Kieler Woche reicht die Palette. „Wir haben auch in schwierigen Zeiten ein breites Angebot vorbereitet. Die Sicherheit der Teilnehmer steht natürlich im Vordergrund, und daher werden wir alle Hygienevorschriften und Abstandsregelns strengsten einhalten“, so der Organisationsleiter der Kieler-Woche-Regatten, Dirk Ramhorst. Entscheidend ist, dass gesegelt werden kann. Mit der Zulassung der größeren Crew (mehr als Doublehand) ist auch die Entscheidung gefallen, dass die J-Klassen (J/24, J/70 und J/80) an der Kieler Woche teilnehmen können.
Mit nötigem Sicherheitsabstand kann der Start der Seeregatten am Auftaktsamstag der Kieler Woche, 5. September, vor Düsternbrook live miterlebt werden. Ab 9 Uhr starten vor dem Kieler Yacht-Club die Multihulls (bereits fünf Meldungen zum Welcome Race), die Yardstick vermessenen Yachten für die Aalregatta, die ORC-Club-Teilnehmer am Welcome Race und die Teilnehmer an der ORCi-IDM. Meldebeschränkungen wegen der Corona-Pandemie reglementieren die Meldezahlen. Um den Vorschriften gerecht zu werden, werden auch nicht alle Bigboats in Schilksee aufgenommen. „Wir müssen die Personenzahl in Schilksee streng limitieren. Die Gesundheit geht vor“, so Ramhorst. Die Aktiven hätten Verständnis für das Vorgehen der Veranstalter, die es dank der Verschiebung der Kieler Woche ermöglichen, dass Seeregatten hier überhaupt möglich sind.
Während die ORCi-Yachten noch am Samstag wieder nach Kiel zurückkehren, legen die Teilnehmer der Aalregatta und des Welcome Races in Eckernförde an. „Ob im Päckchen, vor Anker oder mit dem Heck an der Pier klären wir noch mit den Behörden“, so Wettfahrtleiter Ralf Paulsen. Auf jeden Fall gibt es für alle Yachten, die an der Aalregatta teilnehmen, den obligatorischen Aal. Wie in Schilksee wird es auch in Eckernförde keine Rahmenveranstaltungen geben. Bei diesen Seeregatten sind die Meldezahlen (Aalregatta: 80, Welcome Race 45) beschränkt.
Auch der Senatspreis am Donnerstag der Kieler Woche (10. September) und das Silberne Band von Freitag auf Samstag (11./12. September) werden um Schilksee herumgeführt. Allein die Teilnehmer der IDM Offshore (Samstag bis Dienstag) und der IDM Doublehand (Donnerstag bis Samstag) sind in Schilksee beheimatet.
Die IDM beginnt am Samstag mit der Mittelstrecke. Versetzt zur Aalregatta starten die Teilnehmer vor Düsternbrook.. „Wir werden damit auch dem Wunsch gerecht, Segeln in die Innenförde zu holen“, so Dirk Ramhorst. Um allen Wind- und Wetterbedingungen gerecht werden zu können, sind drei unterschiedliche Kurse im Angebot, die nach Bedarf gesegelt werden können. „Das wesentliche Ziel ist es, den Aktiven faire Bedingungen und qualitativ hochwertige Regatten zu bieten“, erklärt Seebahnchef Eckart Reinke, der alle Absprachen mit dem Deutschen Segler-Verband, der Regattavereinigung Seesegeln und den Aktiven getroffen hat. Es folgen von Sonntag bis einschließlich Dienstag maximal acht Kurzwettfahrten. Erster Start ist jeweils ab 11 Uhr, der letzte Start ist am Dienstag, 8. September, bis 14 Uhr möglich, so dass die Siegerehrung in Schilksee auf 16 Uhr terminiert ist.
Am Start ist alles, was im deutschen Seesegeln Rang und Namen hat, so auch die Titelverteidiger aus dem Vorjahr, „Intermezzo“ (Jens Kuphal, Berlin, ORCi I/II), „Immac Fram“ (Kai Mares/Dänischenhagen/ORCi III), „Nemo“ (Uwe Kleinvogel/Rostock/ORCi IV) sowie der erste Deutsche Meister im Offshore Doublehand, „Halbtrocken“ (Knut Freudenberg/Nils Reichert/Flensburg).
„Ich freue mich auf die Verbindung der Kieler Woche und der IDM. Die Kieler Woche ist ein Klassiker, und die IDM könnte man im Fußball-Jargon schon fast als Classico bezeichnen“, hatte Bertil Balser, Klassenchef der Regatta-Vereinigung Seesegeln, bereits zu Jahresbeginn betont. Der Stollergrund und die erfahrene Wettfahrtleitung um Eckart Reinke seien immer eine Reise wert, so der Europameister 2019 an Bord der „Sportsfreund“ (Axel Seehafer/Heiligenhafen). „Wir sind heiß auf die IDM in Kiel“, so Balser. Im Vorjahr musste sich die „Sportsfreund“ bei der IDM mit Platz zwei begnügen, so dass Wiedergutmachung angesagt ist. „Der Titel Deutscher Meister ist immer noch unangefochten die Krone im Deutschen Seesegeln. Ich denke, wir haben eine kleine Rechnung offen“, so Balser mit Blick Richtung Saisonhöhepunkt. Ob noch weitere Regatten anliegen, steht nicht fest. Eine geplante Baltic Serie, bestehend aus schwedischer, dänischer und deutscher Meisterschaft, ist 2020 schwierig bis unmöglich geworden und dürfte auf 2021 geschoben werden.Auch der amtierende Deutsche Meister in der Klasse ORCi III, Kai Mares, freut sich auf den ersten Regattastart 2020. Der Skipper der „Immac Fram“ beschreibt es so: „Unsere Crew scharrt schon mit den Füßen und freut sich, endlich loslegen zu dürfen. Seit dem 1. Juli haben wir das Training aufgenommen. Drei Monate später als normal.“ Natürlich steht die IDM-Titelverteidigung ganz oben auf der Agenda des Seesegelteams des Hamburger Unternehmens. Danach folgt der Start bei der zweiten verschobenen Regatta, der Palma Vela. Die Regatta vor Mallorca wurde vom Frühjahr auf Ende Oktober verlegt. „Das passt jetzt. Wir hatten ohnehin vor, das Schiff nach Mallorca zu verlegen, um dort im Winter zu trainieren, neue Talente zu sichten und 2021 die Saison auf dem Mittelmeer zu verbringen. Nachwuchsarbeit ist das Hauptthema des Immac Sailing Teams um die neue Geschäftsführerin Nic Breuer. Doch zunächst gilt es, an 2019 anzuschließen. Im Vorjahr gewann die „Immac Fram“ alle Wettfahrten der IDM vor Travemünde.
Jens Kuphal, Eigner und Skipper der „Intermezzo“, freut sich, die Titelverteidigung der IDM Seesegeln (ORCi I/II) angehen zu können: „Zuallererst freuen wir uns, dass es überhaupt möglich ist, die Kieler Woche und die IDM auszutragen. Und wenn man der Pandemie aus sportlicher Sicht etwas Positives abgewinnen kann, dann sicherlich die Qualität des Feldes. Viele Teams sind offenbar hungrig, in dieser Saison noch ein Highlight zu haben.“ Die Wiederholung des Vorjahreserfolges, als die „Intermezzo“ vor Travemünde ihren ersten nationalen Titel einsegelte, nimmt Kuphal in jedem Fall in den Fokus: „Warum nicht? Wir werden darum kämpfen und rechnen uns auch realistische Chancen aus.“ Der Leistungsstand der Mannschaft ist nach den Monaten des Stillstandes zwar noch ungeklärt, doch Mitte Juli soll die Yacht, eine Landmark 43, zum Training bereitstehen. „Wir versprechen uns davon noch einmal eine Leistungssteigerung. Und die Mannschaft ist stark besetzt.“ Neben Taktiker Robert Stanjek (Starboot-Olympiasechster von London) und dem Yachtoptimierer Max Gurgel auf der Trimmerposition stößt auch die zweimalige britische Weltumseglerin und Olympiateilnehmerin Annie Lush zum Team. Kuphal: „Wir freuen uns, sie als Pit-Frau mit an Bord zu haben. Damit haben wir eine Top-Besetzung – auch wenn wir vermutlich wegen Corona nur zehn Mann an Bord haben werden, obwohl wir sonst zu elft segeln.“
Aufmerksamkeit verdient sicherlich auch der Auftritt der neuen „Halbtocken 4.0“. Eigner Michael Berghorn vom Kieler Yacht-Club hat seine X41 gegen eine Mills 45 ausgetauscht. Der Offshore-Renner stammt aus der Feder von Mark Mills und wurde bei PCT in Dubai gebaut. In den vergangenen Jahren segelte die Mills 45 unter dem Namen „Concubine“ die großen Regatten auf der Südhalbkugel vor Australien. Von Adelaide kam die Yacht nach Europa und wartet jetzt auf ihre ersten Einsätze. Große Ziele sind Offshore-Regatten wie die Teilnahme am Fastnet Race. Davor steht jetzt Up&Down vor Kiel.
Nach der IDM mit voller Crew stürzt sich das Duo Knut Freudenberg/Nils Reichert (SV Flensburg) mit der First 36.7 gleich in die nächste IDM. Denn im zweiten Teil der Kieler Woche tritt die Double-Hand-Flotte an. Die neue olympische Disziplin „Mixed Two Person Offshore Keelboat” (ab 2024) steckt noch in der Aufbauphase. Zwar erfreuen sich Offshore-Regatten mit kleinen Crews (Einhand und Zweihand) großer Beliebtheit, aber die Eckpunkte für das olympische Offshore-Segeln sind noch wage.
Neben Knut Freudenberg/Nils Reichert segeln auch Max Gurgel und Robert Stanjek von der „Intermezzo“ eine zweite Schicht. Beide gehen in der zweiten Hälfte bei der Deutschen Meistershaft Offshore Doublehand ins Rennen. Max Gurgel segelt dabei mit Lena Weißkichel auf der L30 „Sharifa“, Robert Stanjek wird gemeinsam mit dem Minitransat-Helden Morten Bogacki eine neue Dehler 30od des Offshore Team Germany an den Start bringen.
Im Gegensatz zu den olympischen Wettkämpfen 2024 die Internationale Deutsche Meisterschaft nicht nur im Mixed angeboten. „Bei der IDM können alle Zweihandcrews, egal ob Mixed oder nicht, antreten“, so Bertil Balser. Eine zusätzliche Mixed-Wertung wird es allerdings geben. Am Donnerstag starten die Zweihand-Crews um 10.30 Uhr, und ab 11 Uhr gehen die Teilnehmer am Senatspreis auf eine 60 Seemeilen lange Bahn. Am Freitag stehen dann 150 Seemeilen auf dem Programm. Die Langstrecke über Nacht wird um 17 Uhr in Strande gestartet und endet am Samstag am Kieler Leuchtturm.
Zum jetzigen Zeitpunkt treffen die Deutschen Meister Freudenberg/Reichert auf fünf gemeldete Konkurrenten. „Das Segeln zu zweit erfreut sich seit längerer Zeit immer größerer Beliebtheit. Die Zeit der großen Crews ist vorbei. Gesellschaftliche Entwicklungen machen es immer schwerer, größere Crews verbindlich für den Sport zu gewinnen“, beschreibt Eckart Reinke das Phänomen Double-Hand.
Eine eigene Wertung ist das Ziel der Dehler 30od-Klassenvereinigung, die auch parallel zum Senatspreis und dem Silbernen Band gestartet wird. Die Klasse hat große Ziele und „bewirbt“ sich um den Olympiastatus für die Mixed Two Person Offshore Keelboat Disziplin. Die Klassenvereinigung rechnet in Kiel mit acht Booten. Zwar wurden bereits 14 Stück in den Ostseeraum verkauft, aber noch sind nicht alle startbereit. „Aber es besteht für Nicht-Eigner die Möglichkeit, eine wettbewerbsfähige Dehler zu chartern“, so Felix Hauss von der Klassenvereinigung. Geplant ist, dass die Dehler 30od-Yachten bis zur Kieler Woche einen Standard-ORCi-Meßbrief haben, um auch in den Kampf um den Titel der Deutschen Meisterschaft eingreifen zu können.
Nicht nur für die Aktiven ist es eine besondere Kieler Woche, auch die Wettfahrtleitung steht vor neuen Herausforderungen. „Wettfahrtleitungen müssen ebenso trainieren wie die Sportler. Winddreher erkennen, Bahnen neu ausrichten und unter Zeitdruck entsprechende Manöver einleiten, all das gehört zum Aufgabenfeld dazu. Durch die geschlossenen Häfen und ausgefallenen Regatten stehen die Wettfahrtleitungs-Crews vor den gleichen Herausforderungen wie die Teilnehmer, nämlich ohne viel Training sofort perfekte Leistung erbringen zu müssen“, blickt Seebahn-Chef Eckart Reinke auf die Kieler Woche 2020 mit dem Spätstart der Seesegler in die Saison. (hel)
Segeln plus X mit Hygiene und Abstand
Neben Segelsport auf höchstem Niveau kennzeichnete bislang auch traditionell eine bunte Eventfläche in Schilksee die Kieler Woche. Anders in diesem Jahr. Im Mittelpunkt des Geschehens steht ausschließlich der Segelsport. Schilksee wird zu einer geschlossenen Gesellschaft ohne Eventareal. Da die Gesamtzahl der Personen im Hafenvorfeld auf rund 1000 begrenzt ist, muss das Gelände für die Öffentlichkeit abgesperrt werden. Die Aktiven sind mit Trainern und Organisatoren unter sich. Auf Veranstaltungszelte, die Sponsorenmeile und Verkaufsstände wird verzichtet. Das Regattahaus, der boot-Düsseldorf-Club als Check-In-Zelt, die Vaasahalle und das Areal rund um den Kieler Yacht-Club in Düsternbrook sind die Anlaufstellen an Land, ggf. wird die Bootshalle des KYC in Strande integriert. Die Aktiven, Organisatoren und Trainer erhalten Einlass-Tickets, die nur für bestimmte Areale gelten.
„Es sind enorme Herausforderungen, denen wir uns stellen, um den Seglerinnen und Seglern auch in diesem Jahr die Möglichkeit zu geben, Regatta zu segeln. Dabei steht die Gesundheit aller Beteiligten ganz klar im Vordergrund. Hygienevorschriften und Mindestabstandsregeln müssten eingehalten werden“, so der Organisationsleiter der Kieler-Woche-Regatten, Dirk Ramhorst. Zudem werden die Einreise-Vorschriften Einfluss auf die endgültigen Starterlisten nehmen.
Da das analoge Kieler-Woche-Erlebnis in Schilksee im Jahr der Pandemie also nicht stattfindet und Zuschauer vor Ort damit ausgeschlossen sind, legen die Veranstalter ein noch größeres Gewicht auf die digitale Öffentlichkeitsarbeit. Die Präsenz in den sozialen Netzwerken wird ausgebaut, und die Regatten werden den Segelfans in aller Welt umfangreich über Kieler-Woche-TV virtuell zugänglich gemacht. Für den TV-Bereich zeichnet die Landeshauptstadt Kiel verantwortlich und trägt die entsprechenden Kosten.
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