Ein kleines Huhn hofft auf die große Politik

Frau Merkel kann das Rebhuhn retten; seit dem 1. Juli hat Deutschland die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union inne. Das heißt: Der Erfolg des „European Green Deal“ und einer ehrgeizigen Biodiversitätsstrategie 2030 liegen zu einem guten Stück auch in deutscher Hand. Artenschützer sind gespannt, denn: „In der Umweltpolitik ist gerade die Zeit der großen Worte und Versprechen“, sagt Dr. Andreas Kinser, stellvertretender Leiter Natur- und Artenschutz der Deutschen Wildtier Stiftung. „Wir hoffen sehr, dass am Ende nicht nur heiße Luft produziert wird, denn es geht um das Überleben unzähliger Arten, vor allem Insekten und Feldvögel.“

Ein markantes Beispiel für den Niedergang der Artenvielfalt in unseren Feldfluren ist das Rebhuhn. Intensive Landwirtschaft lässt kaum Raum für Insekten, die die Juli-Küken jedoch zum Überleben brauchen. Versteckmöglichkeiten zum Schutz vor Fressfeinden sind in ausgeräumten Agrarlandschaften ebenfalls kaum vorhanden. Ornithologen aus der Schweiz schockierten letzte Woche Vogelfreunde europaweit: Bei ihnen gilt das Rebhuhn jetzt als ausgestorben. „In Deutschland gibt es zwar noch Rebhühner, aber der Populationszustand ist absolut besorgniserregend“, sagt Eckhard Gottschalk von der Universität Göttingen, Projektleiter des EU-weiten Rebhuhn-Rettungsprojektes PARTRIDGE (siehe Infobox unten).

Das „altmodische“ Rebhuhn kommt in intensiv genutzten Agrarlandschaften nicht auf die Beine, es benötigt Vielfalt in der Feldflur, die es vor einigen Jahrzehnten noch gab und die heute kaum noch vorhanden ist.  „Seit den 1970er Jahren  beobachten wir einen rapiden Rückgang der Hühner“, sagt Gottschalk. Schätzungen gehen bundesweit von durchschnittlich nur noch einem einzigen Rebhuhn-Paar auf einer Fläche von etwa 700 Fußballfeldern aus. Gottschalk: „Und auch in Niedersachsen geht’s bergab.“ Dabei gehört Niedersachsen neben Nordrhein-Westfalen zu den Regionen, die einst viele Rebhühner hatten. Doch auch dort gingen in den letzten zehn Jahren 70 Prozent der Rebhuhn-Population verloren.

„Um das Ruder für die letzten Rebhühner noch herumzureißen, bedarf es keiner geringeren Institution als der Europäischen Union“, meint Artenschützer Andreas Kinser. „Wie in unserer Agrarlandschaft gewirtschaftet wird, ist auch ein Abbild der Europäischen Agrarpolitik. Sie hat die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft im Auge, aber noch immer viel zu wenig Natur- und Artenschutz.“ Derzeit diskutiert die EU über die Zukunft der Agrarförderung, die 35 % des EU-Haushaltes in Anspruch nimmt. Kinser weiter: „Damit das Rebhuhn und viele andere Arten in unseren Feldfluren erhalten bleiben, brauchen wir einen Paradigmenwechsel: Weg von Subventionen per Gießkanne und hin zur gezielten Honorierung von Naturschutzleistungen.“ Denn am Ende helfen den Rebhuhn-Küken keine Versprechen, sondern ausreichend Insekten, um in den ersten Lebenswochen nicht zu verhungern.

Infobox

Das internationale Projekt PARTRIDGE soll demonstrieren, dass es möglich ist, die Biodiversität in der Agrarlandschaft um 30 % zu erhöhen. Der Gradmesser für den Erfolg des Projektes ist die Entwicklung der Rebhuhnpopulation. In den untersuchten Landschaften werden dafür jeweils etwa sieben Prozent der Flächen im Sinne der Wildtiere aufgewertet.

Neben dem „Game and Wildlife Conservation Trust“ als Projektträger des Dach-Projektes und der Demonstrationsregionen in England und Schottland beteiligen sich Institutionen aus Belgien, den Niederlanden und Deutschland an dem Projekt. PARTRIDGE wird über das EU-Interreg Nordseeprogramm gefördert. In Deutschland wird die Abteilung Naturschutzbiologie der Georg-August-Universität Göttingen von der Deutschen Wildtier Stiftung und anderen Institutionen unterstützt.

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