Elektromotoren und elektronische Geräte erzeugen elektromagnetische Felder, die bisweilen abgeschirmt werden müssen, um benachbarte Elektronikbauteile oder die Übertragung von Signalen nicht zu beeinflussen. Hochfrequente elektromagnetische Felder können nur mit allseitig geschlossenen, leitfähigen Hüllen abgeschirmt werden. Oft werden dafür dünne Bleche oder metallbedampfte Folien verwendet. Doch für viele Anwendungen ist eine solche Abschirmung zu schwer oder zu schlecht auf die gegebene Geometrie adaptierbar. Ideal wäre ein leichtes, flexibles und langlebiges Material mit extrem hoher Abschirmwirkung.
Aerogele gegen elektromagnetische Strahlung
Ein Durchbruch in diesem Bereich gelang nun einem Forscherteam um Zhihui Zeng und Gustav Nyström. Die Forscher nutzen Nanofasern aus Zellulose als Basis für ein Aerogel, ein leichtes, hochporöses Material. Zellulosefasern werden aus Holz gewonnen und ermöglichen aufgrund ihrer chemischen Struktur vielfältige chemische Modifikationen. Sie sind darum ein begehrtes Forschungsobjekt. Entscheidend bei der Verarbeitung und Modifikation dieser Zellulose-Nanofasern ist, dass man bestimmte Mikrostrukturen definiert herstellen kann und die dadurch erzielten Effekte zu interpretieren weiss. Diese Zusammenhänge zwischen Struktur und Eigenschaften sind genau das Forschungsgebiet von Nyströms Team an der Empa.
Den Forschern gelang es, eine Mixtur aus Zellulose-Nanofasern und Silber-Nanodrähten herzustellen und damit ultraleichte Feinstrukturen zu erzeugen, die elektromagnetische Strahlung hervorragend abschirmen. Beeindruckend ist dabei die schiere Wirkung des Materials: Bei einer Dichte von nur 1,7 Milligramm pro Kubikzentimeter erzielt das silberverstärkte Zellulose-Aerogel im Frequenzbereich von hochauflösender Radarstrahlung (8 bis 12 GHz) mehr als 40 dB Abschirmung – mit anderen Worten: Nahezu die gesamte Strahlung in diesem Frequenzbereich wird vom Material abgefangen.
Eiskristalle steuern die Form
Entscheidend für die abschirmende Wirkung ist nicht nur die korrekte Mischung aus Zellulose und Silberdrähtchen, sondern auch die Porenstruktur des Materials. Innerhalb der Poren werden die elektromagnetischen Felder hin und her reflektiert und lösen zusätzlich im Composite-Material elektromagnetische Felder aus, die dem eingestrahlten Feld entgegenwirken. Um zu Poren mit optimaler Grösse und Form zu gelangen, giessen die Forscher das Material in vorgekühlte Formen und lassen es langsam ausfrieren. Das Wachstum der Eiskristalle erzeugt die für die Dämpfung der Felder optimale Porenstruktur.
Mit dieser Herstellungsmethode lässt sich die Dämpfungswirkung sogar in verschiedene Raumrichtungen spezifizieren: Wenn das Material von unten nach oben in der Gussform ausfriert, fällt die elektromagnetische Dämpfung in vertikaler Richtung geringer aus. In horizontaler Richtung – also rechtwinklig zur Gefrier-Richtung – wird die Dämpfung optimiert. Die so gegossenen Abschirm-Strukturen sind höchst flexibel: Selbst nach tausendfachem hin- und herbiegen ist die dämpfende Wirkung praktisch gleich gross wie beim Neumaterial. Die gewünschte Absorption kann sogar noch leicht angepasst werden durch eine Zugabe von mehr oder weniger Silber-Nanodrähten in die Mixtur, durch die Porosität des gegossenen Aerogels und die Dicke der gegossenen Schicht.
Der leichteste elektromagnetische Schirm der Welt
In einem weiteren Experiment liessen die Forscher die Silber-Nanodrähte aus der Mixtur weg und verbanden ihre Zellulose-Nanofasern mit zweidimensionalen Nanoplättchen aus Titancarbid, die mit Hilfe eines speziellen Ätzprozesses hergestellt wurden. Die Nanoplättchen wirken wie harte "Ziegel", die mit flexiblem "Mörtel" aus Zellulosefasern miteinander verbunden werden. Auch diese Mixtur wurde in gekühlten Formen zielgerichtet eingefroren. Bezogen auf das Materialgewicht lässt sich eine derartige Abschirmung mit keinem anderen Material erreichen. Damit ist das Titancarbid-Nanocellulose-Aerogel das bei weitem leichteste elektromagnetische Abschirmmaterial der Welt.
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