Ashkan Kalantary, KPMG-Partner im Bereich Venture Services: „COVID19 hat sich auf dem Risikokapitalmarkt im ersten Quartal wegen der gut gefüllten Deal-Pipeline noch nicht besonders niedergeschlagen. Aber das dürfte nur die Ruhe vor dem Sturm sein. Schon für das zweite Quartal ist mit spürbaren Auswirkungen zu rechnen. Diese dürften, je nach Wachstumsphase eines Start-ups, sehr unterschiedlich ausfallen. Unternehmen im Frühphasenstadium werden möglicherweise besser über die Runden kommen, da sie noch nicht auf Einnahmen angewiesen sind. Start-ups in der Wachstumsphase und solche, die auf wiederkehrende Einnahmen angewiesen sind, wie etwa B2B-Dienstleister, könnten die Auswirkungen allerdings stärker zu spüren bekommen.“
USA und Europa stabil, China schwächelt
Mit 34,2 Milliarden Dollar entfiel über die Hälfte der Investments auf die USA. Dort warben der Mobilitätsanbieter Waymo 2,25 Milliarden und der Cleantech-Infrastrukturinvestor Generate Capital eine Milliarde Dollar ein. In Europa wurden bei 923 Deals 8,8 Milliarden Dollar investiert. Ungeachtet des offiziellen “Brexit” zum 31. Januar verzeichnete dabei das Vereinigte Königreich einen starken Zufluss an Risikokapital und lag mit 3,2 Milliarden Dollar auf Vorjahresquartalsniveau (3,3 Mrd. $). An der Spitze lagen dabei mehrere Investitionen in Höhe von jeweils 100 Millionen Dollar und mehr an die Fintechs Revolut und Starling Bank, das Medtech LumiraDx sowie das Halbleiterunternehmen Graphcore.
Auch in Deutschland wurde mit 1,37 Milliarden Dollar kräftig investiert, allen voran die Finanzspritzen in Höhe von 250 Millionen Dollar an das Lufttaxi-Unternehmen Lilium sowie 168 Millionen an den Gebrauchtwagen-Onlinemarktplatz Car Group. Größere Summen flossen auch in die HR-Onlineplattform Personio (75 Mio. $) und die Banking-Plattform Penta (20 Mio. $).
In Asien dagegen gingen die Venture Capital-Investitionen im ersten Quartal deutlich zurück – trotz der beiden 3 Milliarden Dollar-Finanzierungen von Gojek (Indonesien) und Kuaishou (China) und dem 1 Milliarde-Investment in den chinesischen Online-Weiterbildungsanbieter Yuanfudao. So sank die Investitionssumme im Reich der Mitte von 12,6 Mrd. Dollar im ersten Quartal 2019 um 30 Prozent im ersten Quartal dieses Jahres auf 8,9 Milliarden.
KPMG Law-Partner Stefan Kimmel: „Angesichts der zahlreichen Reise- und Bewegungsbeschränkungen stellen vor allem grenzüberschreitende VC-Investitionen eine große Herausforderung dar. Persönliche Due-Diligence-Prüfungen und Treffen sind schließlich kaum durchführbar. Möglicherweise führt das auch dazu, dass einige Investoren sich erst einmal stärker am Heimatstandort engagieren. Doch selbst wenn Geschäfte abgeschlossen werden, dürften die Transaktionszeiten deutlich länger werden, da man erst einmal neue Prozesse zur Unterstützung alternativer Due-Diligence-Ansätze schaffen muss. Und da das COVID19-Virus die Tür zum IPO-Markt zumindest kurzfristig zugeschlagen hat, werden einige Unternehmen möglicherweise eine Überbrückungsfinanzierung benötigen, um die aktuellen Marktturbulenzen zu überwinden.“
Fintechs sind weltweit weiterhin gefragte Investmentziele. In mehreren Regionen konnten Digitalbanken starke Finanzierungsrunden abschließen, wie etwa Chime (USA, 500 Mio. $), Revolut (UK, 500 Mio. $), Klarna (Schweden, 200 Mio. $) und Xinja (Australien, 160 Mio. $).
KPMG-Partner Tim Dümichen: „Viele Investoren werden sich angesichts der aktuellen Situation wahrscheinlich erst mal Zeit nehmen müssen, um ihre Portfolios neu zu bewerten. Wenn es zu VC-Geschäften kommt, dann am ehesten in Form von Folgefinanzierungen für Unternehmen, die in der derzeitigen Situation einen klaren Mehrwert liefern können. Dazu zählen beispielsweise Start-ups in den Bereichen digitale Gesundheit, Pharmazeutika und Biowissenschaften; oder aber Unternehmen, die sich auf die KI-Modellierung zur Vorhersage der Ausbreitung von Krankheiten konzentrieren. Und auch Start-ups mit Angeboten rund um Onlinehandel, Online-Lernplattformen und Gaming dürften dazu gehören.“
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