„Anhand der mittlerweile vorliegenden Evaluationsstudien lässt sich einigermaßen gut abschätzen, wie viel Arbeitsvolumen durch den Mindestlohn verdrängt wurde“, erklärt Thum. Ausschlaggebend sei die Verringerung der Arbeitszeit. „Wenn die Firmen die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter reduzieren, sinkt das insgesamt geleistete Arbeitsvolumen“, schreiben die Autoren. „Gesamtwirtschaftlich handelt es sich ebenfalls um einen Beschäftigungsabbau.“
Dass weniger Arbeitsvolumen verdrängt wurde, als in Prognosen vorhergesagt, sei nicht zuletzt auf die Umgehung des Mindestlohns zurückzuführen. „Wir hatten seinerzeit, je nach Arbeitsmarktmodell, Beschäftigungsverluste zwischen 426.000 und 911.000 Stellen vorhergesagt“, erklärt Thum. „Tatsächlich ist die Umsetzung des Mindestlohns bislang alles andere als umfassend“. Die Daten legen nahe, dass 2016 nur 47 Prozent der Lohnerhöhung erfolgt ist, die man aufgrund der Einführung des Mindestlohns eigentlich hätte beobachten müssen. „Berücksichtigt man dies, läge der vorab prognostizierte Beschäftigungsverlust bei maximal 534.000 Stellen“, sagt Thum. „Der maximal prognostizierte Beschäftigungsverlust wäre damit sogar noch etwas geringer als die festgestellte Obergrenze von 594.000 Stellen.“
Zudem führte der Mindestlohn nicht zur erhofften Einkommenserhöhung bei Geringverdienern. „Im ersten Jahr der Einführung des Mindestlohns machte die Arbeitszeitreduktion die Stundenlohnerhöhungen nahezu vollkommen wett“, schreiben die Autoren. „Aber auch diejenigen Mindestlohnempfänger, die im gleichen Umfang wie bisher arbeiten, haben nicht viel vom Mindestlohn.“
Aufsatz: "Alles im grünen Bereich?", von Andreas Knabe, Ronnie Schöb und Marcel Thum; in: ifo Schnelldienst 4/2020, veröffentlicht hier: https://www.ifo.de/DocDL/sd-2020-04-knabe-schoeb-thum-etal-mindestlohn-2020-04-15.pdf
Der ifo Schnelldienst 4/2020 ist nachzulesen unter https://www.ifo.de/publikationen/2020/zeitschrift-einzelheft/ifo-schnelldienst-042020
Seine anderen Themen lauten:
Die Welt unter Quarantäne:
Wie werden sich die Volkswirtschaften im Klammergriff von Covid-19 entwickeln?
Covid-19 – eine neuartige, hochansteckende Lungenerkrankung – hat die Welt in einen Ausnahmezustand versetzt. In vielen Ländern steht das öffentliche Leben weitestgehend still. Auch in Deutschland haben Regierung und Unternehmen einschneidende Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen: Reisebeschränkungen, ein Verbot von Veranstaltungen, die Schließung von Schulen und Universitäten, Hotels, Gaststätten und die Stilllegung von Fabriken und Dienstleistungsbetrieben.
Die Nebenwirkungen dieser Maßnahmen treffen die deutsche Volkswirtschaft hart: Laut Szenarien des ifo Instituts werden die Produktionsausfälle Deutschlands Wirtschaft Hunderte von Milliarden Euro kosten, sie werden Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben und den Staatshaushalt erheblich belasten. Und die Auswirkungen werden umso gravierender sein, je länger die jetzt beschlossenen Einschränkungen anhalten. Als Überbrückungshilfe haben Bund und Länder zahlreiche Hilfsmaßnahmen für Unternehmen beschlossen, die unverschuldet in eine Notlage geraten sind, unter anderem Liquiditätshilfen, Steuererleichterungen und Ausweitung der Kurzarbeit.
Unsere Autoren stellen im aktuellen Schnelldienst Schätzungen vor, wie groß der volkswirtschaftliche Schaden der partiellen Stilllegung der Wirtschaft sein wird. Mit welchen Wachstumseinbußen ist zu rechnen? Welche Branchen sind besonders betroffen? Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die gesetzliche Rentenversicherung? Wie wirksam sind die wirtschaftspolitischen Maßnahmen?
Auf unserer Website finden Sie weitere Berichte zur Coronakrise, unter anderem zu einer tragfähigen Strategie, wie der Shutdown schrittweise gelockert werden könnte: https://www.ifo.de/themen/coronavirus.
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