ifo Institut: Einführung des Mindestlohns hatte negative Effekte auf Beschäftigung in Deutschland

Der Mindestlohn hat seit seiner Einführung in Deutschland deutlich messbare Verdrängungseffekte ausgelöst. „In der Summe erhält man Beschäftigungsverluste durch den Mindestlohn zwischen 129.000 und 594.000 Arbeitsplätzen“, schreiben Marcel Thum, Leiter der ifo Niederlassung Dresden, und Koautoren in einem Aufsatz für den ifo Schnelldienst.

„Anhand der mittlerweile vorliegenden Evaluationsstudien lässt sich einigermaßen gut abschätzen, wie viel Arbeitsvolumen durch den Mindestlohn verdrängt wurde“, erklärt Thum. Ausschlaggebend sei die Verringerung der Arbeitszeit. „Wenn die Firmen die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter reduzieren, sinkt das insgesamt geleistete Arbeitsvolumen“, schreiben die Autoren. „Gesamtwirtschaftlich handelt es sich ebenfalls um einen Beschäftigungsabbau.“

Dass weniger Arbeitsvolumen verdrängt wurde, als in Prognosen vorhergesagt, sei nicht zuletzt auf die Umgehung des Mindestlohns zurückzuführen. „Wir hatten seinerzeit, je nach Arbeitsmarktmodell, Beschäftigungsverluste zwischen 426.000 und 911.000 Stellen vorhergesagt“, erklärt Thum. „Tatsächlich ist die Umsetzung des Mindestlohns bislang alles andere als umfassend“. Die Daten legen nahe, dass 2016 nur 47 Prozent der Lohnerhöhung erfolgt ist, die man aufgrund der Einführung des Mindestlohns eigentlich hätte beobachten müssen. „Berücksichtigt man dies, läge der vorab prognostizierte Beschäftigungsverlust bei maximal 534.000 Stellen“, sagt Thum. „Der maximal prognostizierte Beschäftigungsverlust wäre damit sogar noch etwas geringer als die festgestellte Obergrenze von 594.000 Stellen.“

Zudem führte der Mindestlohn nicht zur erhofften Einkommenserhöhung bei Geringverdienern. „Im ersten Jahr der Einführung des Mindestlohns machte die Arbeitszeitreduktion die Stundenlohnerhöhungen nahezu vollkommen wett“, schreiben die Autoren. „Aber auch diejenigen Mindestlohnempfänger, die im gleichen Umfang wie bisher arbeiten, haben nicht viel vom Mindestlohn.“

Aufsatz: "Alles im grünen Bereich?", von Andreas Knabe, Ronnie Schöb und Marcel Thum; in: ifo Schnelldienst 4/2020, veröffentlicht hier: https://www.ifo.de/DocDL/sd-2020-04-knabe-schoeb-thum-etal-mindestlohn-2020-04-15.pdf

Der ifo Schnelldienst 4/2020 ist  nachzulesen unter https://www.ifo.de/publikationen/2020/zeitschrift-einzelheft/ifo-schnelldienst-042020

Seine anderen Themen lauten:

Die Welt unter Quarantäne:

Wie werden sich die Volkswirtschaften im Klammergriff von Covid-19 entwickeln?

Covid-19 – eine neuartige, hochansteckende Lungenerkrankung – hat die Welt in einen Ausnahmezustand versetzt. In vielen Ländern steht das öffentliche Leben weitestgehend still. Auch in Deutschland haben Regierung und Unternehmen einschneidende Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen: Reisebeschränkungen, ein Verbot von Veranstaltungen, die Schließung von Schulen und Univer­sitäten, Hotels, Gaststätten und die Stilllegung von Fabriken und Dienstleistungsbetrieben.

Die Nebenwirkungen dieser Maßnahmen treffen die deutsche Volkswirtschaft hart: Laut Szenarien des ifo Instituts werden die Produktionsausfälle Deutschlands Wirtschaft Hunderte von Milliarden Euro kosten, sie werden Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben und den Staatshaushalt erheblich belasten. Und die Auswirkungen werden umso gravierender sein, je länger die jetzt beschlossenen Einschränkungen anhalten.  Als Überbrückungshilfe haben Bund und Länder zahlreiche Hilfsmaßnahmen für Unternehmen beschlossen, die unverschuldet in eine Notlage geraten sind, unter anderem Liquiditätshilfen, Steuererleichterungen und Ausweitung der Kurzarbeit.

Unsere Autoren stellen im aktuellen Schnelldienst Schätzungen vor, wie groß der volkswirtschaftliche Schaden der partiellen Stilllegung der Wirtschaft sein wird. Mit welchen Wachstums­einbußen ist zu rechnen? Welche Branchen sind besonders betroffen? Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die gesetzliche Rentenversicherung? Wie wirksam sind die wirtschaftspolitischen Maßnahmen?

Auf unserer Website finden Sie weitere Berichte zur Coronakrise, unter anderem zu einer tragfähigen Strategie, wie der Shutdown schrittweise gelockert werden könnte: https://www.ifo.de/themen/coronavirus.

Zur Diskussion gestellt

Bilanz nach fünf Jahren: Was hat der gesetzliche Mindestlohn gebracht?

Alles im grünen Bereich?       3
Andreas Knabe, Ronnie Schöb und Marcel Thum

Die Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns – eine Bilanz      7
Oliver Bruttel

Mindestlohn in Deutschland: Löhne, Beschäftigung und Armutsbekämpfung         10
Benjamin Börschlein und Mario Bossler

Gesetzlicher Mindestlohn: Erwartungen nicht erfüllt 14
Felix Pakleppa

Der Mindestlohn birgt nach wie vor Beschäftigungsrisiken   16
Holger Bonin und Nico Pestel

Mindestlohn: Ein steiniger Weg zu einer »High-Road«-Strategie     20
Alexandra Fedorets

Fünf Jahre Mindestlohn: Einiges erreicht, aber wesentliche Ziele verfehlt   23
Marco Caliendo

Die Welt unter Quarantäne: Wie werden sich die Volkswirtschaften im Klammergriff von Covid-19 entwickeln?

Die volkswirtschaftlichen Kosten des Corona-Shutdown für Deutschland:
Eine Szenarienrechnung        29
Florian Dorn, Clemens Fuest, Marcell Göttert, Carla Krolage, Stefan Lautenbacher,
Sebastian Link, Andreas Peichl, Magnus Reif, Stefan Sauer, Marc Stöckli, Klaus Wohlrabe und Timo Wollmershäuser

Corona-Pandemie: Auswirkungen auf die gesetzliche Rentenversicherung 36
Axel Börsch-Supan und Johannes Rausch

Konjunkturumfragen im Fokus: Deutsche Wirtschaft in Corona-Schockstarre         44
Stefan Sauer und Klaus Wohlrabe

Ökonomenpanel: Wie bewerten Ökonom*innen die wirtschaftspolitischen
Reaktionen auf die Coronakrise?       48
Johannes Blum, Martin Mosler, Niklas Potrafke und Fabian Ruthardt

Kurzfassung: Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2020:
Wirtschaft unter Schock – Finanzpolitik hält dagegen           52
Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose

Daten und Prognosen

Belastung durch Unternehmensteuern in Deutschland senken –
ist das der richtige Weg?        56
Johannes Blum, Thiess Büttner und Niklas Potrafke

Branchen und Sektoren

Branchen im Fokus: Gastgewerbe     60
Przemyslaw Brandt

Weitere Termine:
ifo Geschäftsklima Deutschland am 24. April

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