„Dass am 1. Februar 1899 eine Frau, Lina Hähnle, einen Verein gründete, war an sich schon außergewöhnlich für die damalige Zeit. Dass es noch dazu einer war, der sich um den Schutz wildlebender Vögel kümmerte – das war schlichtweg eine Sensation“, schildert Katrin Fritzsch, die für den NABU in Bad Buchau das Naturschutzzentrum leitet. Sie könne die rücksichtslose Ausbeutung der Natur einfach nicht mehr mitansehen, begründete Lina Hähnle damals ihren mutigen Schritt. Das Aufgabengebiet des NABU – damals hieß er noch Bund für Vogelschutz – erweiterte sich rasch. Heute ist der NABU der mitgliedsstärkste Umweltverband mit über 900.000 Mitgliedern in mehr als 2.000 lokalen Gruppen.
Der Federsee ist die Keimzelle des Naturschutzes im Land
Dabei spielt der Federsee eine ganz besondere Rolle in der Geschichte des NABU. 1911 kaufte Lina Hähnle erste Riedflächen nördlich von Buchau im heutigen Banngebiet Staudacher und stellte auf den Flächen jede Nutzung ein. „Prozessschutz würde man das heute nennen, das bewusste Zulassen der natürlichen Entwicklung“, erklärt Fritzsch. „Inzwischen hat sich auf der Fläche ein struktur- und artenreicher Moorwald entwickelt“ ergänzt sie. Es folgten weitere Flächenkäufe durch den NABU, später durch das Land, sowie 1939 die Ausweisung des ersten Naturschutzgebiets im Federseemoor. „Heute gehört das Federseeried zu den bedeutendsten Naturschätzen im Land und ist Teil des internationalen Schutzgebietsnetzes Natura 2000, das die europaweit wertvollsten Flächen umfasst. Damit verfolgen die EU-Mitgliedsstaaten das Ziel, die Biologische Vielfalt in Europa zu sichern“, führt die NABU-Mitarbeiterin aus.
Lina Hähnle ist heute Ehrenbürgerin der Stadt Bad Buchau. Nach jahrzehntelangem ehrenamtlichen Einsatz hat der NABU mit der Gründung des Naturschutzzentrums im Jahr 1987 ein nach außen sichtbares Zeichen für das NABU-Engagement vor Ort gesetzt. Vom Land mit der Betreuung des Moores beauftragt, dient es als Basis für die naturschutzfachlichen Aufgaben, aber auch für die Öffentlichkeitsarbeit und die Umweltbildung. Hier werden Schutzmaßnahmen geplant, Vorschläge für die zielführende Pflege besonderer Standorte für die Behörden ausgearbeitet, Untersuchungsergebnisse wie Bestandserfassungen und Wasserstandsdaten zusammengeführt und ausgewertet. Daneben führt das NABU-Zentrum eigene Landschaftspflegearbeiten durch, kontrolliert die Funktionsfähigkeit von Staubauwerken, um Wasser in ausgewählten Flächen von naturschutzfachlichem und archäologischem Interesse zu halten und erfasst die Bestände von Tieren und Pflanzen, die Veränderungen im Gebiet besonders gut widerspiegeln.
Vom Land und von der EU geforderte Renaturierung
Als Meilenstein zur Verbesserung der Moorlebensräume hätten sich zwei große von der EU geförderte Renaturierungsprojekte erwiesen, durch die die Revitalisierung von rund 450 Hektar ehemals tiefgründig entwässerter Riedflächen ermöglicht wurde, so Fritzsch. „Der Schlüssel zum Erfolg war die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Naturschutzbehörden, NABU und verschiedensten Akteuren“ bilanziert die Zentrumsleiterin. Als Beispiel nennt sie die gemeinsamen Bemühungen von Naturschutz und Feuchtbodenarchäologie, die entwässerungsbedingte Zersetzung des Torfs aufzuhalten: feuchter Torf hat außer seiner Funktion als Speicher für klimawirksame Gase noch einen weiteren Job: nämlich die jahrtausendealten Siedlungsreste im Moor zu konservieren. „Darüber hinaus sind Revitalisierungen die einzige Chance, die Moorlebensräume als Standort wertgebender Arten zu erhalten“ ist die Naturschützerin überzeugt. So beherbergt das Federseemoor Arten, die in Baden-Württemberg oder sogar deutschlandweit selten geworden sind und für deren Fortbestand der Federsee Verantwortung trägt.
Freier Führungseintritt für Federseegemeinden
Dennoch gebe es keine Faustformel, mit der die komplexen Folgen der rund 250 Jahre dauernden Entwässerung der Wiesen so einfach rückgängig gemacht werden könnten, schränkt Fritzsch ein: „Geschädigte Moore sind schwerkranke Patienten: sie brauchen eine intensive, feinfühlige Überwachung und Pflege“. Zwar, so die promovierte Botanikerin, zeige sich rund 10 Jahre nach der Renaturierung im nördlichen Federseeried auf manchen Flächen eine positive Vegetationsentwicklung – beispielsweise dort, wo die geschädigte obere Moorschicht entfernt worden war. Dennoch gebe es noch viel Verbesserungspotenzial im Federseebecken. So plant das Land aktuell die Revitalisierung des Betzenweiler Riedes im westlichen Teil des Federseemoores. „Die wöchentliche Ablesung der Wasserstände an rund 120 im Ried verteilten Messstellen, die Kontrolle von Staubauwerken, die Ausarbeitung von Pflegevorschlägen für die Parzellen, die Entwicklung von Schutzmaßnahmen gemeinsam mit den Naturschutzbehörden – man muss immer am Ball bleiben. Hier bedanken wir uns bei allen, die mit uns vor Ort an einem Strang ziehen“ betont die NABU-Mitarbeiterin. Daher gewähre das Naturschutzzentrum für alle Einwohnerinnen und Einwohner der Federseegemeinden im Jubiläumsjahr freien Eintritt in seine öffentlichen Veranstaltungen. Der Eintritt in die Ausstellung ist ohnehin frei – tritt man ein, fällt der Blick rechterhand als erstes in ein riesiges Maul: der legendäre, im Jahr 2005 im Federsee gefangene, mehr als zwei Meter große Wels hat hier als Präparat seinen Platz gefunden.
Chronik des Naturschutzes am Federsee
1911 Die NABU-Gründerin Lina Hähnle kauft auf Anregung des Buchauer
Oberförsters Walter Staudacher 16 ha Riedflächen im heutigen Banngebiet Staudacher
(in der Folge Erweiterung auf rund 500 ha NABU-Eigenbesitz)
1911 Bau des Federseestegs auf Initiative von Walter Staudacher.
Moderne Besucherlenkung und Öffentlichkeitsarbeit. Ein regel-
rechter Naturtourismus beginnt
1939 Ausweisung von 1410 ha als "Naturschutzgebiet Federsee"
ab 1939 Jahrzehntelanges ehrenamtliches Engagement von Dr. Gerhard
Haas
1954 Verbot der Jagd im Naturschutzgebiet Federsee
1958 Einstellung des deutschlandweit ersten hauptamtlichen
Naturschutzwarts Rolf Mahr
1968 Der Internationale Rat für Vogelschutz verleiht dem Federsee
das Prädikat "Europareservat"
1981 Inbetriebnahme der Ringleitung und Kläranlage zur Sanierung
des abwasserbelasteten Federsees
1987 Der NABU gründet das Naturschutzzentrum Federsee. Leiter der
ersten Stunde ist Jost Einstein
ab 1994 Ausweisung weiterer Naturschutzgebiete am Federsee
1997 – 2002 EU-gefördertes LIFE-Projekt zur Renaturierung geschädigter
Moorflächen ("Sicherung und Entwicklung der Natur in der
Federseelandschaft")
2009 – 2014 EU-gefördertes LIFE+-Projekt zur Renaturierung geschädigter
Moorflächen ("Restauration von Habitaten im Federseemoor")
2020 Stabsübergabe der Zentrumsleitung von Jost Einstein auf
Dr. Katrin Fritzsch
2023 Beginn eines Projektes zur Revitalisierung des westlichen
Federseeriedes (rund 100 ha)
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Infos zum NABU B-W: https://baden-wuerttemberg.nabu.de/index.html
Infos zur Geschichte des NABU: https://www.nabu.de/wir-ueber-uns/index.html?ref=start
NABU-Naturschutzzentrum Federsee
Federseeweg 6
88422 Bad Buchau
Telefon: +49 (7582) 15-66
Telefax: +49 (7582) 17-78
http://www.nabu-federsee.de
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung
Telefon: +49 (7582) 1566
E-Mail: Kerstin.Wernicke@nabu-federsee.de