Diese Pluralität führe zu teilweise starken Spannungen sowohl in der Gesellschaft als auch der Kirche. „Wie können wir als Christinnen und Christen mit dieser Pluralität und besonders mit denen, die sie ablehnen umgehen? Hat Kirche überhaupt Antworten auf die Herausforderungen der inneren und äußeren Pluralität?“
In seinem Impuls zum Einstieg ermutigte der Münsteraner Historiker Thomas Großbölting die Kirche, die Situation realistisch anzunehmen und beherzt an Veränderungen zu arbeiten. „Die Kirchen sind plural und es führt kein Weg in vergangene Geschlossenheit zurück“. Die Geschichte habe aber vielfach gezeigt, dass sich Kirche neuen Situationen erfolgreich stellen könne. Pater Klaus Mertes SJ bezeichnete es als die größte Gefahr für die Kirche, dem Relevanzverlust ihrer Stimme in der Gesellschaft mit Verzweiflung zu begegnen. Von Verzweiflung gelenkte Versuche, Relevanz zurückzugewinnen führten nur zu größerem Relevanzverlust. Insbesondere dem Phänomen der Religionslosigkeit könne die Kirche nur mit einer neuen Weise des Hörens begegnen, die bereit sei, auf das zu antworten, was die Menschen tatsächlich fragten. „Der Relevanzverlust fordert die Kirche heraus, sich aus der narzisstischen Selbstbezogenheit zu lösen.“
Wie und dass Pluralität von Beginn an zur Identität des Christentums gehört, belegte die Direktorin des Katholischen Bibelwerks, Katrin Brockmöller, in einer kurzen biblischen Analyse.
Glaube kann nur im Konkreten lebendig werden, darin waren sich Ellen Ueberschär, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, und Johannes Singhammer, ehemaliger Bundestagsvizepräsident, in einem Streitgespräch zum Thema „Wie politisch darf Kirche sein?“ einig. Singhammer warnte allerdings die Kirche, sich zu sehr in das politische Alltagsgeschäft einzumischen. Er scheue sich bei vielen politischen Entscheidungen davor, den Namen Gottes für die eigene Position in Anspruch zu nehmen. Ueberschär forderte dagegen die Entwicklung einer produktiven Streitkultur, in die Christinnen und Christen bei aller Pluralität ihre Positionen auch in Fragen der alltäglichen Politik einbringen sollten. Teilnehmer aus dem Plenum plädierten dafür, dass Kirche angesichts rechtsextremer und rassistischer Reden im politischen Diskurs deutlich Stellung beziehen müsse.
Mit Rechten reden
Anstoß für das Symposium „Anstrengende Vielfallt“ hat nicht zuletzt die Diskussion im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) über den Umgang mit rechtspopulistischen Parteien und Positionen gegeben, berichtete ZdK-Sprecherin Bettina Jarasch. So stand der zweite Teil der Tagung unter dem Thema „Mit Rechten reden“.
In seinem Impulsvortrag warb der Historiker und Autor des gleichnamigen Buches, Per Leo, dafür, sich mit rechtspopulistischen und neurechten Positionen argumentativ auseinanderzusetzen, statt sie aus dem Diskurs auszugrenzen. Er plädierte dafür, die Konfrontation mit Rechtspopulismus und Neuer Rechter verstärkt unter strategischen Gesichtspunkten zu führen. „Die Rechte profitiert von dem Antifa-Reflex, alles, was auch nur nach rechts riecht, sofort niederzuknüppeln. Diese wissen, dass dieser Reflex kommt. Damit können sie gut spielen. Wir beobachten doch, dass sich viele Zuschauer dann mit diesen Rechten solidarisieren, weil sie als Gesprächspartner pauschal disqualifiziert wurden. Es geht darum, nicht auf die rechten Provokation einzugehen, sondern auf Programm und Inhalte.“
Als Feinde der Vielfalt und keinesfalls Partner einer anstrengenden Vielfalt kennzeichnete der Publizist Andreas Püttmann die Vertreter rechtspopulistischer Positionen. Seine Erfahrung aus zahlreichen Gesprächen habe ihn zu der Überzeugung kommen lassen, dass man sich nicht mit den Opfern von Rechtpopulismus solidarisieren könne und gleichzeitig mit den Tätern auf dem Sofa parlieren.
Anschließend berichtete der Leiter des Katholischen Büros in Sachsen-Anhalt, Stephan Rether, von der Notwendigkeit und den Grenzen des Gesprächs mit Mandatsträgern der AfD im Landtag. Susanne Brandes, Leiterin des Projektes „Kompetent für Demokratie“ der katholischen Erwachsenenbildung aus Magdeburg bezeichnete öffentliche Diskussionen mit Rechtspopulisten nach ihrer Erfahrung als chancenlos, weil von einer Diskussionsverweigerung geprägt. Ihr Projekt setzt auf den persönlichen Erfahrungsaustausch und die Stärkung zivilgesellschaftlicher Akteure in Kirchengemeinden und Verbänden.
Auf persönliches Gespräch setzt auch Ali Can, Anbieter der „Hotline für besorgte Bürger“. So wenig er Möglichkeiten zu einem differenzierten, öffentlichen Dialog mit Funktionsträgern der AfD sieht, so sehr ermutigen ihn seine Erfahrungen aus den Telefongesprächen mit Sympathisanten. „Es darf in diesen Gesprächen aber nicht darum gehen, dem Anrufer entgegenzuhalten ‚Da hast Du aber Unrecht‘, sondern um eine Haltung, die signalisiert ‚Was möchtest Du eigentlich?‘“
Das Symposium habe die Gelegenheit geboten, im unaufgeregten Diskurs Lösungsvorschlage für gesellschaftlich ebenso strittige wie drängende Fragen zu entwickeln und zu prüfen, lautete das Fazit von Teilnehmern. Denn den Herausforderungen der pluralen Gesellschaft und des Rechtspopulismus dürften die Christen nicht ausweichen, sondern es gelte ihnen kreativ und im Vertrauen auf die Kraft der eigenen Überzeugungen zu begegnen.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist der Zusammenschluss von Vertretern der Diözesanräte und der katholischen Verbände sowie von Institutionen des Laienapostolates und weiteren Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft. Entsprechend dem Dekret des II. Vatikanischen Konzils über das Apostolat der Laien (Nr. 26) ist das ZdK das von der Deutschen Bischofskonferenz anerkannte Organ, das die Kräfte des Laienapostolats koordiniert und das die apostolische Tätigkeit der Kirche fördern soll. Die Mitglieder des Zentralkomitees fassen ihre Entschlüsse in eigener Verantwortung und sind dabei von Beschlüssen anderer Gremien unabhängig.
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