Das Gefälle in den Schulerfolgen zwischen Kindern und Jugendlichen mit und ohne sogenannten Migrationshintergrund ist laut jüngster PISA-Studie nach wie vor besonders stark. Und rassismus- und diskriminierungskritische Unterrichtsprojekte entfalten oft nur eine begrenzte Wirkung. Welche Strategien gibt es, um Ungleichheiten abzubauen, demokratische Prinzipien zu vermitteln und die Schulumgebung für alle als sicheren Ort zu gestalten?
Sechs Expert:innen aus den Bereichen Bildungsverwaltung, Lehrkräftefortbildung und Antidiskriminierungsarbeit aus mehreren Bundesländern stellen in einem öffentlichen Podiumsgespräch am Montag, 22. Januar, an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe (PHKA) erprobte Handlungsansätze vor, wie Lehrkräfte für eine diversitätsorientierte und diskriminierungskritische Schulentwicklung qualifiziert werden können. Unter dem Titel „Verantwortungsgemeinschaften aufbauen und stärken – Konzepte und Bedingungen für diversitätssensible, rassismus- und diskriminierungskritische Professionalisierung und Schulentwicklung“ geben sie Einblicke, wie Lehrkräfte und Schulen in Kooperation mit Bildungsverwaltungen und zivilgesellschaftlichen Antidiskriminierungsstellen aktiv geworden sind, um Diskriminierungen entgegenzuwirken.
Die eineinhalbstündige Hybrid-Veranstaltung an der PHKA, Bismarckstraße 10, 76133 Karlsruhe, Gebäude 1, Raum 013, ist Teil der Ringvorlesung Migration – Demokratie – Bildung und wird von Mechtild Gomolla, Initiatorin der Ringvorlesung und Professorin für Erziehungswissenschaft und Bildungsgerechtigkeit an der PHKA, und ihrer Mitarbeiterin Paulina Miliczek moderiert. Beginn ist um 18.15 Uhr, der Eintritt ist frei. Wer online teilnehmen möchte, wird gebeten, sich per Mail an info-ringvorlesung_MDB@ph-karlsruhe.de anzumelden.
Klare Haltung gegen Rassismus: Kernaufgabe von Schulen
„Von wissenschaftlicher Seite wird schon lange darauf aufmerksam gemacht, dass Ad-hoc-Maßnahmen nicht ausreichen, um den komplexen Bildungserfordernissen der heutigen Migrationsgesellschaft zu begegnen“, sagt Mechtild Gomolla. „Die wachsende Heterogenität der Flucht- und Migrationsgeschichten, Nationalitäten, Erst-/Sprachen, Religionen sowie der Lebenshintergründe und oft transnationalen Lebensbezüge tragen erhebliche Anforderungen an Lehrkräfte und Schulen heran.“ Zudem richteten sich angesichts des gesellschaftlichen Rassismus, Antisemitismus sowie menschenrechts- und demokratiefeindlicher Orientierungen hohe Erwartungen an Schulen als zentrale Orte der politischen Bildung. Deshalb sei konzertiertes und zeitgleiches Handeln auf mehreren Ebenen erforderlich: im Unterricht, in Schulorganisation und -kultur sowie in der Personalentwicklung.
„Schulen brauchen institutionelle Stützsysteme“, macht die Erziehungswissenschaftlerin deutlich. Beispielsweise neutrale Antidiskriminierungsstellen, geeignete Angebote der Lehrkräfteausbildung und klare rechtliche Vorgaben. „Eine klare Haltung gegen Rassismus und Diskriminierung und ein kompetenter professioneller Umgang mit vielfältigen Bildungsvoraussetzungen und -bedürfnissen sind keine freiwillige Sonder- und Zusatzleistung, sondern eine Kernaufgabe von Lehrkräften und Schulen“, unterstreicht Gomolla.
Über die Ringvorlesung „Migration – Demokratie – Bildung“
Schwerpunkte der Ringvorlesung (bis 29. Januar) sind Herausforderungen der Demokratie und die sich wandelnde Bedeutung des Politischen, In- und Exklusionsprozesse in der Migrationsgesellschaft in Schule und Lehramtsausbildung, Sozialer Arbeit und Hochschule sowie die Frage, wie Bildungsprozesse in Richtung Inklusion, soziale Gerechtigkeit und Demokratie entwickelt, gestärkt und institutionell verankert werden können. Weitere Infos auf ph-ka.de/mdb.
Auf dem Podium am 22. Januar:
Andreas Foitzik | Antidiskriminierung, Empowerment, Praxisentwicklung e.V. Tübingen
Andreas Foitzik ist Diplompädagoge und als Trainer, Fortbildner, Berater, Supervisor und Coach in der Antidiskriminierungsarbeit tätig, seit 2017 für adis e.V., Fachstelle für diskriminierungskritische Arbeit in Baden-Württemberg. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Materialien im Bereich Rassismus- und Diskriminierungskritik und Migrationspädagogik/Schule.
Regine Hartung | Leiterin der Beratungsstelle Interkulturelle Erziehung am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg
Regine Hartung ist Leiterin der Beratungsstelle Interkulturelle Erziehung am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung und Fachreferentin für Interkulturelle Erziehung in der Behörde für Schule und Berufsbildung in Hamburg. Arbeitsschwerpunkte: Beratung, Fortbildung, Schulbegleitung und ministerielle Aufgaben im Bereich „diversitätsbewusste/ diskriminierungskritische Öffnung von Schule“.
Sybille Hoffmann | Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg
Sybille Hoffmann ist Gymnasiallehrerin und Fachreferentin für Diversität und Diskriminierung am Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg. Sie führt unter anderem zentrale Lehrgänge im Bereich Diskriminierungskritische Schule, Extremismusprävention und Demokratiebildung durch. Mit ihren Schwerpunkten Rassismus und Antisemitismus ist sie freiberuflich unter anderem als Referentin bei der Landeszentrale für politische Bildung tätig. Ehrenamtlich wirkt sie im Beratungskreis von Dr. Felix Klein (Bundesbeauftragter gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben) sowie in der Arbeitsgruppe der KMK zum Umsetzung der Empfehlungen zum Umgang mit Antisemitismus an Schulen mit.
Dr.‘in Rita Panesar | Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung e.V. Hamburg, Diversity Beraterin und Referentin
Rita Panesar ist gestaltorientierte und systemische Organisationsberaterin mit den Schwerpunkten Diversität, Bildung und Arbeitsmarkt. Die Historikerin und Religionswissenschaftlerin unterstützt Schulen, Universitäten, Unternehmen und soziale Projekte beim Abbau von Barrieren. Bei der Hamburger Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung leitet sie gemeinsam mit dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung eine zweijährige berufsbegleitende Qualifizierung für diversitätsbewusste und diskriminierungskritische Schulentwicklung nach dem Anti-Bias-Ansatz.
Michael Schneider-Velho | Leiter des Bereichs Politische Bildung am Pädagogischen Institut München
Michael Schneider-Velho ist Sprachwissenschaftler und Gymnasiallehrer. Schon seit vielen Jahren ist er als Referent für politische Bildung und Trainer tätig, vor allem in den Bereichen Rassismus-/ Diskriminierungskritik. In München hat er die Zusatzqualifikation „Schule der Vielfalt“ konzipiert und kontinuierlich zu einem Programm zur diskriminierungs-, vor allem rassismuskritischen Pädagogik und Schulentwicklung weiterentwickelt.
Melike Yar-Böttcher | Stiftung Kinder forschen Berlin
Melike Yar-Böttcher ist seit 2007 für verschiedene NGOs als Programmleitung für Schulentwicklungsvorhaben tätig. Sie leitete bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und bei Save the Children Deutschland unter anderem Programme zu Kinderrechten, Inklusion, Diversität und Antidiskriminierung. Zuletzt verantwortete sie das Programm „Vielfalt entfalten – gemeinsam für starke Schulen", in dem Schulen und die Bildungssteuerung gemeinsam an einer diversitätssensiblen Schul- und Unterrichtskultur arbeiteten.
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