Herzschwäche ist nicht gleich Herzschwäche: Zahlreiche mögliche Ursachen und Begleiterkrankungen bestimmen den individuellen Verlauf, lassen die Prognose schwer abschätzen und bedingen teils unbefriedigende Therapieoptionen. Juniorprofessorin Dr. Sandy Engelhardt, Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg, und Prof. Dr. Philipp Wild, Universitätsmedizin Mainz der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, möchten mit ihrem interdisziplinären Projektteam die Versorgung und Behandlung für die Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche verbessern. Die Carl-Zeiss-Stiftung (CZS) fördert das Projekt mit ihrem Programm „CZS Durchbrüche“ ab Juli 2024 für sechs Jahre mit insgesamt fünf Millionen Euro. Ziel des Förderprogramms ist es, etablierte Forschungsschwerpunkte mit hoher Relevanz in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Thüringen weiterzuentwickeln und international auszubauen. Projektpartner sind Arbeitsgruppen der Universitätsklinika sowie der Universitäten Heidelberg und Mainz aus den Fachbereichen Kardiologie, Bioinformatik, Sportmedizin, Epidemiologie, Medizintechnik, Pathologie und Rechtswissenschaften. Die Projektpartner sind zudem über das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) miteinander vernetzt.
Gesundheitsdaten von Tausenden Patienten trainieren die KI
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen eine Künstliche Intelligenz (KI) mit den umfassenden Gesundheitsdaten von mehreren tausend Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche trainieren, um bisher verborgene Zusammenhänge zu erkennen und in personalisierte Therapieempfehlungen einfließen zu lassen. Als konkretes Anwendungsbeispiel für eine KI-gestützte Therapieempfehlung soll eine Bewegungstherapie-Studie angeboten werden, bei der die Teilnehmenden in ihrem Training von einem individuell angepassten Exoskelett unterstützt werden.
Die Patientengruppe, um die es im Projekt geht, leidet an einer häufigen Form der chronischen Herzschwäche, bei der die linke Herzkammer zunehmend versteift, aber noch ausreichende Mengen Blut ausstoßen kann (erhaltene Ejektionsfraktion). Unbehandelt kann dies langfristig zu Herzversagen führen. Derzeit gibt es keine einheitlichen medikamentösen oder operativen Therapien, die die Veränderungen des Herzmuskels rückgängig machen und die Prognose der Betroffenen verbessern können.
Viele verschiedene Faktoren beeinflussen den Krankheitsverlauf und das Therapieansprechen. Daher soll nun eine „multi-modale“ KI in der Fülle der Kombinationsmöglichkeiten nach wiederkehrenden Mustern und möglichen Zusammenhängen suchen, um Untergruppen mit möglichst einheitlichem Krankheitsverlauf zu identifizieren. „Multi-modal“ bedeutet, dass Patientendaten aus ganz unterschiedlichen Quellen zusammengeführt und als Trainingsmaterial für die KI verwendet werden. Dabei handelt es sich einerseits um klassische Patientendaten wie Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen und Blutwerte, aber auch um digitale Daten aus der Bildgebung, Gewebeanalysen und – falls vorhanden – genetische Informationen. „Die medizintechnischen und bioinformatischen Fortschritte, insbesondere in der maschinellen Erhebung und Analyse genetischer Daten, erlauben es uns, Patientinnen und Patienten auf Mikro- und Makroebene individuell zu charakterisieren“, erläutert Projektsprecherin Professorin Sandy Engelhardt, Arbeitsgruppenleiterin an den Kliniken für Herzchirurgie sowie für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD).
Wer profitiert von einer Bewegungstherapie?
„In unserem Projekt geht es dabei konkret um die Frage, welche Betroffenen aufgrund welcher Merkmalskombination voraussichtlich von einer Bewegungstherapie profitieren werden. Wir hoffen, dass unser systemmedizinischer Ansatz mit vielen molekularen Daten es uns ermöglichen wird, den Verlauf der Erkrankung und die Mechanismen für den Erfolg einer Therapie besser zu verstehen“, ergänzt Professor Philipp Wild, Leiter der Präventiven Kardiologie und Präventiven Medizin im Zentrum für Kardiologie der Universitätsmedizin Mainz.
Wer an Herzschwäche leidet, kommt schnell in Atemnot und ist weniger leistungsfähig. Viele Betroffene vermeiden daher Anstrengungen und sind auch sportlich nicht aktiv, was wiederum ihre Herzgesundheit weiter verschlechtert. Die in der Studie angebotene Bewegungstherapie begegnet diesem Problem, indem die Teilnehmenden in ihrer körperlichen Aktivität von einem sogenannten Exosuit unterstützt werden, der von einem Team um Professor Lorenzo Masia, Leiter der Abteilung „Biorobotik und Medizintechnik“ am Institut für Technische Informatik der Universität Heidelberg, konzipiert wurde. Ähnlich einem Außenskelett werden die Roboterelemente während des Trainings beispielsweise an Armen, Beinen und Rumpf angelegt, übernehmen einen – flexibel einstellbaren – Teil des nötigen Kraftaufwands und steigern so die Mobilität. Das Bewegungsprogramm wird von Teams der sportmedizinischen Abteilungen der beiden Universitätsklinika entwickelt und betreut.
Während und nach Abschluss des Trainingsprogramms bewerten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wiederholt Verbesserungen der Lebensqualität ebenso wie Effekte auf molekularer bis zur makroskopischen Ebene, was wiederum in das KI-System einfließt. „Wir erhoffen uns durch die KI-Unterstützung, zukünftig Therapien sehr viel gezielter als bisher auswählen und auf ihren Nutzen hin bewerten zu können“, so Professorin Engelhardt.
Über die Carl-Zeiss-Stiftung
Die Carl-Zeiss-Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, Freiräume für wissenschaftliche Durchbrüche zu schaffen. Als Partner exzellenter Wissenschaft unterstützt sie sowohl Grundlagenforschung als auch anwendungsorientierte Forschung und Lehre in den MINT-Fachbereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). 1889 von dem Physiker und Mathematiker Ernst Abbe gegründet, ist die Carl-Zeiss-Stiftung eine der ältesten und größten privaten wissenschaftsfördernden Stiftungen in Deutschland. Sie ist alleinige Eigentümerin der Carl Zeiss AG und SCHOTT AG. Ihre Projekte werden aus den Dividendenausschüttungen der beiden Stiftungsunternehmen finanziert.
Weitere Informationen im Internet
Klinik für Herzchirurgie des UKHD
Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie des UKHD
AG Artificial Intelligence in Cardiovascular Medicine
Präventive Kardiologie u. Präventive Medizin, Zentrum für Kardiologie, UMMainz
Das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für Patientinnen und Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 14.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit rund 2.500 Betten werden jährlich circa 86.000 Patientinnen und Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.100.000 Patientinnen und Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe (DKH) hat das UKHD das erste Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg etabliert. Ziel ist die Versorgung auf höchstem Niveau als onkologisches Spitzenzentrum und der schnelle Transfer vielversprechender Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik. Zudem betreibt das UKHD gemeinsam mit dem DKFZ und der Universität Heidelberg das Hopp Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), ein deutschlandweit einzigartiges Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD) rund 4.000 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion. www.klinikum.uni-heidelberg.de
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