Ausgangspunkt der Entscheidung war der Erwerb mehrerer Gewerbeeinheiten im Ihme-Zentrum in Hannover. Der Kaufpreis lag bei 1,5 Millionen Euro. Für den Austausch der objektbezogenen Unterlagen richtete die Verkäuferin einen virtuellen Datenraum ein. Die Verkäuferin stellte in diesen Datenraum drei Tage vor der Beurkundung des Kaufvertrages das Protokoll einer Eigentümerversammlung ein, in welcher die Eigentümer einen Beschluss über Umbaumaßnahmen am Gemeinschaftseigentum fassten, welche die Käuferin mit Kosten von bis zu 50 Millionen Euro hätte belasten können. Im Vertragstext selbst versicherte die Verkäuferin hingegen, dass keine Beschlüsse gefasst wurden, aus denen sich künftige Sonderumlagen ergäben und auch keine Maßnahmen bevorstünden, deren Kosten nicht bereits durch die Instandhaltungsrücklage gedeckt wären. Nachdem die Käuferin hinsichtlich der Instandhaltungskosten in Anspruch genommen wurde, erklärte sie die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und klagte unter anderem auf Freistellung von den zur Kaufpreisfinanzierung eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten.
Nachdem zunächst das Landgericht die Klage abgewiesen hat, wies auch das Oberlandesgericht Celle die eingelegte Berufung zurück. Nachdem die Käuferin Revision beim BGH eingelegt hat, hat dieser nunmehr entschieden: Für die Erfüllung der dem Verkäufer obliegenden (vorvertraglichen) Aufklärungspflicht genüge es nicht, wenn der Verkäufer dem Käufer lediglich Zugang zu einem virtuellen Datenraum mit den objektbezogenen Unterlagen gewährt, solange er aufgrund der Umstände nicht die berechtigte Erwartung haben durfte, der Käufer habe Einsicht in die und damit Kenntnis von den eingestellten Unterlagen genommen. Von einer Kenntnisnahme konnte im vorliegenden Fall aufgrund der Kurzfristigkeit der Einstellung der Unterlagen in den Datenraum (Einstellung am Freitag, Beurkundung am folgenden Montag 10 Uhr) jedenfalls nicht ausgegangen werden.
Rebecca Schultz, Rechtsanwältin und Notarin in der Kanzlei Müller Radack Schultz: „Die Entscheidung des BGH ist insoweit ein Novum, als es die Bereitstellung von Unterlagen mittels eines virtuellen Datenraumes betrifft; im Übrigen entspricht sie aber sinngemäß, wie der BGH betonte, der bisherigen Rechtsprechung zu den übergebenden (Papier-)Unterlagen.“
Der BGH hat mit seiner Entscheidung klar zum Ausdruck gebracht, dass man sich mit dem bloßen Bereitstellen von relevanten Unterlagen (mittels Datenraum oder sei es in Papierform) nicht mehr per se exkulpieren kann. Schultz: „Auf offensichtlich für den Käufer relevante Informationen und/oder Unterlagen sollte daher besonders hingewiesen und dies in jedem Falle dokumentiert werden. Bei der Verwendung von virtuellen Datenräumen, insbesondere bei größeren Transaktionen, ist es ratsam, eine feste Frist mit Datum und Uhrzeit festzulegen bis wann Dokumente und Informationen noch in den Datenraum eingestellt werden können. Der Datenraum sollte nach Ablauf dieses Zeitraumes ´eingefroren´ werden. Es bietet sich an, die Inhaltsübersicht der in den Datenraum eingestellten Dokumente sodann als Anlage zum Kaufvertrag zu nehmen.“
Datenräume bieten verschiedenste technische Möglichkeiten, um auf eingestellte Dokumente oder Informationen aufmerksam zu machen, von der Benachrichtigung der Einstellung per Email, dem Nachweises des Abrufes eines Dokumentes durch die Berechtigten oder durch Vermerk- und Hinweismöglichkeiten innerhalb des Datenraumes.
Erfolgt durch den Käufer eine Due Diligence, so wird der Verkäufer regelmäßig damit rechnen dürfen, dass in einen Datenraum eingestellte Unterlagen und Informationen im Zuge dieser intensiven Prüfung auch tatsächlich eingesehen und geprüft werden. Eine gesonderte Aufklärung durch den Verkäufer ist dann nicht nötig. Schultz: „Dies ist jedoch immer eine Entscheidung des Einzelfalls, weshalb im Zweifel ein (dokumentierter) Hinweis erfolgen sollte. Die vorliegende Entscheidung des BGH dürfte im Übrigen nicht nur für Immobilientransaktionen, sondern ebenso für Unternehmenstransaktionen von Bedeutung sein.“
Die Kanzlei Müller Radack Schultz wurde vor 32 Jahren gegründet und ist heute mit über 50 Mitarbeitern in Berlin auf die Bereiche Immobilien- und Wirtschaftsrecht spezialisiert. Neben renommierten und leistungsstarken Notaren umfasst die anwaltliche Beratung und Betreuung die folgenden Bereiche: Grundstückstransaktionen, öffentliches Bau- und Bauplanungsrecht, Zweckentfremdungs- und Milieuschutzrecht, privates Bau- und Architektenrecht, Bauträgerrecht, Geschäfts- und Wohnraummiete, Arbeitsrecht sowie Wohnungseigentumsrecht. Darüber hinaus bietet die Kanzlei fundierte und umfassende anwaltliche Betreuung und notarielle Expertise im Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht sowie Insolvenz- und Sanierungsberatung. www.mueller-radack.com.
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