NABU-Kommentierung zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans

Umweltsenator Jens Kerstan hat heute den zweiten Teil der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans vorgestellt. Außerdem wurden die Durchfahrtsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge an zwei Straßen aufgehoben. Diese vermeintlich positive Botschaft erscheint in einem ganz anderen Licht, wenn man die aktuelle Diskussion um strengere Stickoxid-Grenzwerte verfolgt. Der NABU Hamburg kritisiert, dass der Senat zu wenig unternimmt, um für sauberere Luft in Hamburg zu sorgen.

Dazu Malte Siegert, Vorsitzender des NABU Hamburg:

„Kosmetische Maßnahmen in homöopathischen Dosen wie die Durchfahrtsbeschränkung für einen einzigen Straßenzug machen Hamburgs Luft nicht sauberer, lenken aber medial wirksam vom Problem ab. Dabei steht die Gesundheit der Hamburgerinnen und Hamburger auf dem Spiel. Mit fast 15 Jahren Verspätung hält man jetzt in Hamburg jetzt mit Ach und Krach rechtlich verbindliche europäische Grenzwerte ein und feiert sich auch noch dafür. Das ist doch wohl ein schlechter Scherz! Der Hamburger Senat ignoriert zudem, dass die neuen, wissenschaftlich fundierten Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO mit Blick auf den Gesundheitsschutz schon deutlich weitreichender sind. Eine Halbierung des Stickoxid-Grenzwertes von aktuell 40 auf 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft würde die Freie und Hansestadt Hamburg vor massive Herausforderungen stellen. Bitter genug ist, dass ausgerechnet deutsche Interessenvertreter*innen in Brüssel aktuell schon wieder dafür lobbyieren, die Grenzwerte nicht zu streng zu gestalten. Wieder einmal droht, dass wirtschaftliche Interessen wichtiger sind, als die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger.

Der Senat ist gut beraten zu akzeptieren, dass sowohl in der Luftreinhaltung als auch im Klimaschutz kein Weg an der Reduzierung des Autoverkehrs vorbeigeht. Wenn die Stadt angesichts lascher internationaler Regulierung wasserseitig bei großen Container- oder Kreuzfahrtschiffen hinsichtlich gewaltiger Mengen an ungefiltertem Feinstaub oder Stickoxiden keinen Zugriff hat, müssen erst recht Maßnahmen wie Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit, flächendeckende Parkraumbewirtschaftung oder Einfahrtsbeschränkungen auf der Straße umgesetzt werden. Wenn am Ende wieder Gerichte die Einhaltung von europäischem Recht erzwingen müssen, wäre das ein Armutszeugnis für die umwelt- und klimapolitischen Ambitionen des Senats.

Gerade auch vor dem Hintergrund der aktuell umso dringender gebotenen Einsparung fossiler Treibstoffe muss die Transformation zu sauberen Antrieben und die Mobilitätswende hin zu umweltfreundlicheren Verkehrsträgern deutlich beschleunigt werden. Die Luftreinhaltung gerät im Zuge der Konzentration auf den Klimaschutz zuweilen etwas in Hintertreffen – die meisten Maßnahmen helfen aber zur Lösung beider Probleme.“

Hintergrund:

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2021 nach mehr als 15 Jahren neue Leitlinien zur Luftqualität veröffentlicht. Sie enthalten Empfehlungen für neue Richtwerte bei verschiedenen Schadstoffen. Vor allem die Belastungen mit Feinstaub und Stickstoffdioxid (NO2) müssten demnach deutlich gesenkt werden.

Der nun von der WHO empfohlene Wert für Stickstoffdioxid liegt bei zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. In den alten Leitlinien von 2005 waren es noch 40 Mikrogramm. So hoch ist bislang auch der rechtlich bindende Grenzwert, den die EU vorschreibt. Dieser Grenzwert befindet sich aber bereits in Revision, da auf europäischer Ebene bereits Einigkeit herrscht, dass die bestehenden Grenzwerte nicht mehr mit dem übereinstimmen, was wissenschaftlich empfohlen wird.

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