Können sich Süßwasserfische zukünftig noch vermehren?

In einer aktuellen Studie untersuchten WissenschaftlerInnen der Technischen Universität München im Rahmen des AquaKlif-Projekts für drei Süßwasserfischarten die Auswirkungen folgender durch den Klimawandel bedingter Stressfaktoren auf die Reproduktion: erhöhte Wassertemperatur, mehr Feinsediment und Niedrigwasserabfluss. Die Forschungsergebnisse verdeutlichen, dass multiple Stressoren in Wechselwirkung miteinander treten und überraschend starke Effekte hervorrufen können, die nicht allein durch die Addition der einzelnen Faktoren vorhergesagt werden können.

Besonders empfindlich gegenüber diesen Veränderungen sind Fischarten, die ihre Eier im Kies ablegen und deswegen für eine erfolgreiche Vermehrung ein sauberes und gut durchspültes Kieslückensystem benötigen. Vertreter genau dieser Fischarten standen daher im Fokus der Studie, welche im Rahmen des Bayerischen Netzwerks für Klimaforschung (bayklif) geförderten Projekts AquaKlif durchgeführt wurde. Hierfür wurden Eier der Bachforelle (Salmo trutta L.), der Nase (Chondrostoma nasus L.) und des Donaulachses (Hucho hucho L.) unter unterschiedlichen Umweltbedingungen inkubiert. Die Ergebnisse zeigten, dass die kombinierten Auswirkungen von Temperaturstress, erhöhtem Feinsedimenteintrag und Veränderungen im Abfluss den Schlupferfolg und das Wachstum der Fischlarven reduzieren und bestehende Toleranzgrenzen überschreiten können.

Das Außergewöhnliche an dieser Studie, betont die Hauptautorin Romy Wild, war die groß angelegte Freiland-Mesokosmenanlage mit 24 Fließrinnen, in denen erstmals sowohl die individuellen als auch die kombinierten Effekte der drei genannten Klimawandelstressoren in einem Ansatz getestet werden konnten. Und der große Aufwand hat sich gelohnt: die Ergebnisse zeigen sehr deutlich, dass Feinsediment den stärksten negativen Einzel-Effekt auf den Schlupferfolg hatte (Reduktion um 80 % bei Bachforellen, 50 % bei Nasen und 60 % bei Huchen). Wenn Feinsediment mit einem oder beiden anderen Stressoren kombiniert wurde, traten stark synergistische Effekte auf, die bei den beiden Salmonidenarten deutlich stärker ausgeprägt waren als bei der karpfenartigen Fischart Nase. Insbesondere Eier und Larven des Donaulachses erwiesen sich aufgrund wärmerer Wassertemperaturen im Frühjahr als besonders anfällig für den durch das Feinsediment induzierten Sauerstoffmangel, was zum fast vollständigen Absterben der Fischeier führte.

Die Ergebnisse dieser Studie verdeutlichen, dass sowohl individuelle als auch kombinierte Stressor-Effekte stark von den ökologischen Ansprüchen und Lebenszyklen der untersuchten Fischarten abhängen. Da in der vorliegenden Studie zum Großteil nicht-additive Effekte auftraten, ist es umso wichtiger, dass Stressoren systematisch und in Kombination untersucht werden, da nur so aussagekräftige Ergebnisse erzielt werden können. Prof. Jürgen Geist, Leiter der Studie, betont, dass Süßwasserfische weltweit zu den gefährdetsten Arten überhaupt zählen und das Wissen über die Toleranz der Arten entscheidend für deren Schutz sei.

Diese bedeutsame Studie trägt maßgeblich zum Verständnis der Auswirkungen des Klimawandels auf Süßwasserfischarten bei und zeigt die Dringlichkeit von Schutz- und Renaturierungsmaßnahmen in Fließgewässern auf. So können z.B. breite Uferrandstreifen und natürliche Auenvegetation entlang von Fließgewässern dabei helfen, sowohl durch mehr Schatten die Wassertemperaturen zu senken, als auch bei Starkregen die mit dem Oberflächenabfluss mitgespülten Feinsedimente zurückzuhalten.

Zur Publikation:

Wild, R; Nagel, Ch.; Geist, J: Climate change effects on hatching success and embryonic development of fish: Assessing multiple stressor responses in a large-scale mesocosm study. Science of The Total Environment, Volume 893, 164834, ISSN 0048-9697 (2023).
doi.org/10.1016/j.scitotenv.2023.164834

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