Das Konzept sieht ein sogenanntes hybrides Wärmenetz mit Speicherfunktion vor: Der Holz- und Fabrikenhafen sowie der Großmarkt nehmen Energie in großem Umfang ab. Derzeit werden diese überwiegend mit Erdgas versorgt. Gleichzeitig fällt dort an verschiedenen Stellen Abwärme an, die bisher nicht genutzt wird. Auch im neu entstehenden Gewerbegebiet an der Hafenkante ist von Abwärmepotenzialen auszugehen, etwa durch Rechenzentren oder Produktionsprozesse. Daneben sollen weitere Quellen für erneuerbare Energien erschlossen werden, wie Photovoltaik auf sämtlichen geeigneten Dachflächen, vertikale Windkraftanlagen oder Wärmepumpen, welche die Umgebungswärme aus Hafenbecken, Erdreich und Luft nutzen. Die erneuerbaren Energien sowie die Abwärme sollen in Form von Strom und Wärme im Energiehaus zwischengespeichert und bedarfsabhängig eingesetzt werden. Sollte die Energie vor allem in der kalten Jahreszeit mit hohen Verbrauchsspitzen nicht ausreichen, kann das lokale Netz durch Fernwärme oder andere Wärmequellen ergänzt werden.
„Das neu entstehende Gewerbebiet an der Hafenkante kann sich durch unser Vorhaben in signifikantem Umfang mit Energie selbstversorgen. Die Kopplung von energieerzeugenden und -verbrauchenden Unternehmen ist ein für Bremen einmaliges Konzept mit überregionaler Strahlkraft. Deutschlandweit gibt es bisher nur wenige vergleichbare Planungen", sagt Kristina Vogt, Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa. „Bremen kann mit dem Energiehaus an der Hafenkante bundesweit eine Spitzenposition bei der Entwicklung klimaneutraler Wirtschaftsstandorte einnehmen und die langfristige Energiesicherung der örtlichen Unternehmen mit mehr Unabhängigkeit von den Energiemärkten organisieren. Gleichzeitig soll das Projekt als Blaupause für die klimafreundliche Energieerzeugung in Quartieren und Gewerbegebieten dienen, wie wir sie in unserer Bremer Strategie für zukunftsweisende Wirtschaftsstandorte bereits dargelegt haben“, ergänzt Vogt.
„Das Kühlhaus hat das Potenzial, zu einem neuen Wahrzeichen der Überseestadt und zu einem wichtigen Ansiedlungsplus für die Hafenkante zu werden“, sagt Andreas Heyer. „Statt es abzureißen wollen wir dieses markante Bestandsgebäude bewahren, sanieren und daraus ein Modellprojekt für die Energiewende entwickeln.“ Im Energiehaus sollen laut Konzept der WFB innovative Speichertechnologien eingesetzt werden, die bereits in der Praxis erfolgreich erprobt wurden.
Neben der Energieversorgung könnte ein Wissensvermittlungsangebot das Energiehaus komplettieren. „Die Energiewende gelingt uns nur, wenn Politik, Bevölkerung und Wirtschaft gemeinsam an einem Strang ziehen. Ein Informationsangebot ist daher ein wichtiger Baustein, um die nötigen Schritte zur Transformation zu gehen", erklärt Heyer. „Bremen zählt zu den ersten Kommunen, die die Transformation der Wirtschaft so aktiv vorantreiben. Wir sind überzeugt davon, dass diese Geschwindigkeit richtig ist und uns mittelfristig Wettbewerbsvorteile bringen wird. Da wir zu den Vorreitern zählen, ist es aber umso wichtiger, diesen Prozess intensiv zu begleiten und den Unternehmen umfangreiche Unterstützung zu geben. Gerade hier sehen wir unsere Rolle als WFB." Im Gebäude werden dazu laut Konzept Flächen für Bildungsangebote, interaktive Ausstellungen, Reallabore und Austauschräume vorgesehen. „Das Energiehaus soll sich mit diesem Angebot auch zum Quartier hin öffnen“, ergänzt Heyer.
Von der Machbarkeitsstudie bis zur Umsetzung
Zurzeit hat das Projekt Energiehaus den Status einer Projektskizze und soll in diesem Jahr durch die WFB in Abstimmung mit dem Wirtschaftsressort und mit zusätzlichen Partnern weiterentwickelt werden. Anfang 2024 soll eine Machbarkeitsstudie stehen, die Grundlage einer öffentlichen Ausschreibung mit Konzeptvergabe ist. Auf diese Weise soll ein Betreiber für das Energiehaus gefunden werden, der auch die notwendige Technik und Netze baut und betreibt. Der Baustein der Wissensvermittlung soll hingegen in der Zuständigkeit der WFB bleiben, die sich künftig als Mieterin von Teilräumlichkeiten des Hauses sieht. „Wir werden im nächsten Schritt potenzielle Projektpartner und Unternehmen aus der Überseestadt ansprechen, um sie für das Projekt zu gewinnen“, sagt Heyer. „Je vielfältiger die Struktur der teilnehmenden Unternehmen ist, umso stabiler wird das klimafreundliche Energienetz, das wir gemeinsam mit der Wirtschaft aufbauen wollen“, so Heyer. An dem Energienetz können sich Unternehmen an der Hafenkante, im Holz- und Fabrikenhafen sowie auf dem Großmarkt-Gelände beteiligen. Als künftige Nutzerinnen und Nutzer kommen außerdem Firmen in Frage, die sich auf einer zurzeit noch unbebauten Fläche von 16 Hektar in direkter Nähe zum Energiehaus in den kommenden Jahren neu ansiedeln werden. Nach erfolgter Ansprache von Unternehmen kann das Energiekonzept konkretisiert und anschließend die Größe des benötigten Speichers ermittelt und baulich geplant werden. Bevor das Kühlhaus jedoch umgebaut werden kann, ist unter anderem eine Sanierung des Gebäudes erforderlich, da es stark mit Schadstoffen belastet ist.
Die reine Planungs- und Bauphase schätzt die WFB bei idealem Projektverlauf auf mindestens dreieinhalb Jahre. Vorab sind umfangreiche Beteiligungs- und Vergabeprozesse durchzuführen. Der frühestmögliche Fertigstellungstermin ist laut Konzept Ende 2027, allerdings könnte das Vorhaben aufgrund seiner hohen Komplexität auch mehr Zeit in Anspruch nehmen. Die Finanzierung soll perspektivisch durch Fördermittel des Landes, des Bundes und der Europäischen Union ermöglicht werden. Die Kosten werden voraussichtlich bei einem unteren dreistelligen Millionenbetrag liegen.
Das Kühlhaus wurde zwischen 1946 und 1949 durch die Kühl- und Lagerhausgesellschaft in der Bremer Überseestadt errichtet und jahrzehntelang als Lager für Im- und Exportwaren genutzt. Seit 1995 steht es leer. Mitsamt den Bestandsgebäuden Maschinenhaus, Schuppen 19 sowie Schuppen 17 bildet das Kühlhaus einen markanten Baustein und ist eines der wenigen verbleibenden Bestandsgebäude an der Hafenkante. Die Hafenkante grenzt an die Weser, an das Hafenbecken mit dem Strandpark Waller Sand, den Überseepark, den Großmarkt sowie an die traditionsreichen Bestandsunternehmen des Holz- und Fabrikenhafens, die das Herz der Hafenwirtschaft in der Überseestadt bilden.
Über die Bremer Überseestadt
Die Bremer Überseestadt ist mit einer Fläche von knapp 300 Hektar eines der größten städtebaulichen Projekte Europas. Das alte Hafenrevier wandelt sich zu einem modernen „Standort der Möglichkeiten“ mit einer Mischung aus Dienstleistung, Bürobetrieben, Hafenwirtschaft, Logistik, Freizeit, Wohnen und Kultur. Als herausragendes städtebauliches Vorhaben wurde die Überseestadt Bremen mit dem immobilienmanager-Award 2020 in der Kategorie Stadtentwicklung ausgezeichnet. Die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH ist im Auftrag der Freien Hansestadt Bremen für die Entwicklung, Erschließung und Vermarktung der Überseestadt zuständig. Weitere Informationen unter: www.ueberseestadt-bremen.de
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