In der Güterkraftverkehrs- und Busbranche besteht ein gravierender Fahrpersonalmangel: Derzeit fehlen etwa 70.000 Lkw-Fahrer:innen. Da pro Jahr ca. 30.000 Lkw-Fahrer:innen altersbedingt ausscheiden, jedoch nur ca. 15.000 den Beruf neu ergreifen, verschärft sich allein durch diese Differenz der Fahrermangel jährlich um etwa 15.000 fehlende Lkw-Fahrer:innen. Auch in der Busbranche folgen zu wenig Nachwuchskräfte auf altersbedingte Abgänge. Laut aktueller bdo-Umfrage vom Januar 2023 fehlen heute bereits 7.768 Busfahrer:innen. Aufgrund der zunehmenden altersbedingten Personalabgänge und der geplanten Verkehrswende wird dieser Bedarf bis 2030 auf 87.000 Busfahrer:innen steigen. Die Schienenersatzverkehre für die geplanten, umfangreichen Bahnsanierungsmaßnahmen sind hier noch gar nicht berücksichtigt.
Ohne zügige Reformen wird sich der Berufskraftfahrermangel in der Güterkraftverkehrs- und Busbranche gravierend verschärfen und noch deutlichere Auswirkungen auf Wirtschaft, Versorgung und Personenverkehr entfalten.
Die Branchenverbände Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo) e.V., der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V., der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) e.V. und der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) e.V. haben deshalb ein gemeinsames Positionspapier zur grundlegenden Reform der Berufskraftfahrer-Ausbildung erarbeitet.
In einem gemeinsamen Brief an den Parlamentarischen Staatssekretär im BMDV, Oliver Luksic, sichern bdo, BGL, DSLV und BDE ihre vollumfängliche Unterstützung bei der zügigen Umsetzung umfassender und unverzichtbarer Reformen zu. Für einen konstruktiven und lösungsorientierten Austausch schlagen die Branchenverbände dazu kurzfristig einen Runden Tisch vor, um den Interessen der einzelnen Branchen ausgewogen gerecht zu werden.
Die Branchenverbände schlagen folgende konkrete Maßnahmen vor:
- Integration der Berufskraftfahrerqualifikation in die Fahrausbildung („2 in 1") unter Beibehaltung der Ausbildungsqualität
- Abbau der Sprachbarrieren bei der Berufskraftfahrerqualifikation
- Führerscheinerwerb in zusätzlichen Fremdsprachen
- Öffnung des Prüfmonopols zur Bekämpfung des Mangels an Prüfterminen
- Unbürokratische Anerkennung ausländischer Führerscheine
- Aufhebung des Wohnortprinzips für den Führerschein und die Berufskraftfahrerqualifikation
- Digitalisierung von Aus- und Weiterbildung (E-Learning) sowie der Verwaltung
- Anpassung der Mindestalter-Regelung für Lkw- und Busfahrer:innen
- Reduktion der Führerscheinpflichtstunden für den Busführerschein der Klasse D
Christiane Leonard, bdo-Hauptgeschäftsführerin: „Eine Hauptursache des enormen Fahrpersonalmangels und der unzureichenden Gewinnung neuer Busfahrer:innen ist die komplizierte Umsetzung der europäischen Berufskraftfahrer-Richtlinie, die in Deutschland noch getrennt von der Fahrausbildung unterrichtet und geprüft werden muss. Durch eine Integration der Berufskraftfahrerqualifikation in die Fahrausbildung als „2-in-1"- Modell wäre die Ausbildung weniger zeitaufwändig und deutlich günstiger, aber die Qualität bliebe erhalten. Zudem müssen jetzt zügig die Bürokratiehürden und Sprachbarrieren abgebaut werden. Sonst kann die Mobilität in Deutschland nicht in der bewährten Form aufrechterhalten werden. Verkehrswende und Deutschlandticket werden zur Utopie.“
Prof. Dr. Dirk Engelhardt, BGL-Vorstandssprecher: „Wenn die Vielzahl bürokratischer Hürden für den Berufszugang von Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrern nicht endlich abgebaut werden, steuern wir unausweichlich auf einen Versorgungskollaps zu. Es braucht grundlegende und einschneidende Reformen, damit eine echte Fachkräftewende gelingen kann. Ein Beharren auf Besitzstände können wir uns nicht länger leisten.“
Frank Huster, DSLV-Hauptgeschäftsführer: „Fach- und Arbeitskräfteengpässe bestehen auf vielen Funktionsebenen in der Logistik – die demographische Entwicklung verstärkt diesen Negativtrend. Besorgniserregend ist vor allem der Mangel qualifizierter Berufskraftfahrer, der bereits zu Produktionseinbußen führt. Seit Jahren bemüht sich die Speditions- und Logistikbranche aktiv darum, beruflichen Nachwuchs aus dem In- und Ausland zu gewinnen und die Attraktivität des Berufsbildes des Berufskraftfahrers zu erhöhen. Doch das allein reicht längst nicht mehr aus, um dem Fahrpersonalengpass entgegenzuwirken. Hierzu bedarf es auch grundlegender Veränderungen des BKF-Qualifikations- und Fahrerlaubnisrechts, ohne das allgemeine Qualifikationsniveau abzusenken. Vor allem müssen bürokratische Hürden bei den Berufszugangsvoraussetzungen sowie Sprachbarrieren abgebaut werden.“
Jens Loschwitz, BDE-Geschäftsführer: „Der gravierende Berufskraftfahrermangel gefährdet letztlich die Transformation des Industriestandorts, dessen Erfolg nicht zuletzt auf einer funktionierenden Logistik beruht. Die Ursachen für den Fachkräftemangel sind vielfältig. Der nationale und EU-Rechtsrahmen muss die Chancen Europas – wie zum Beispiel auch dessen Sprachvielfalt – nutzen. Es ist unerklärlich, warum es bislang nicht möglich ist, theoretische und praktische Führerscheinprüfungen in unterschiedlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu absolvieren. Die EU-weit einheitlichen Ausbildungsstandards stellen eine qualitativ hochwertige Fahrausbildung sicher. Das bisherige Wohnortprinzip muss daher auf europäischer und nationaler Ebene in ein „Unionsprinzip" umgewandelt werden. Dafür spricht nicht zuletzt, dass viele Berufskraftfahrer EU-weit im Einsatz sind und nur wenige Sprachen der von ihnen durchquerten Länder sprechen. Niemand käme auf die Idee, darin eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs zu sehen.“
Das gemeinsame Positionspapier der Verbände bdo, BGL, DSLV und BDE zur „Reform der Berufskraftfahrer-Ausbildung“ finden Sie hier.
Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo) e.V. ist der Spitzenverband der deutschen Busbranche und vertritt die Interessen von rund 3.000 privaten und mittelständischen Unternehmen aus den Bereichen Personennahverkehr, Bustouristik und Fernlinienverkehr gegenüber Politik und Öffentlichkeit.
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