Lassen wir die Schulen mit ihrem Lehrermangel einmal beiseite. Hier haben die 16 Schulminister schlicht und einfach versagt. Denn wenn man bereits im Jahr 2008 wusste, dass die Hälfte der Lehrer älter als 48 Jahre ist und man trotzdem keinerlei offensive Personalpolitik angeleiert hat, dann ist die aktuelle Unterversorgung der Schulen mit Lehrern – es geht um eine mittlere fünfstellige Zahl – ein hausgemachtes Problem.
Schauen wir über den Bildungssektor hinaus und fragen: Muss es diesen Fachkräftemangel wirklich geben? Brauchen wir wirklich, wie Politik und Wirtschaftslobby insinuieren, massenhaft Zuwanderung, um personelle Lücken zu schließen? Brauchen wir ein neues, nahezu voraussetzungsloses Staatsangehörigkeits- und Aufenthaltsrecht, wie die „Ampel“ es inszeniert, um Fachkräfte aus Drittstaaten anzulocken? Muss Deutschland, wie Kanzler Scholz meint prognostizieren zu müssen, auf 90 Millionen wachsen?
Die selbstgewollte Demographiefalle
Was sind in dieser Frage überhaupt die maßgeblichen Fakten und vor allem die demografischen Rahmenbedingungen?
1. Die Deutschen sind Opfer ihrer eigenen, von ihnen freilich so gewollten demografischen Entwicklung geworden. Auch Opfer der von ihnen so gewählten (Nicht-)Familienpolitik. Jetzt sitzen sie regelrecht in einer Demographiefalle. Denn: Die sogenannten Babyboomer sind in die Jahre gekommen und gehen ab sofort in Rente. Gab es in den damals beiden Teilen Deutschlands im Jahr 1960 noch 1,3 Millionen und im Jahr 1970 – also unmittelbar nach dem Pillenknick – immerhin noch 1,0 Millionen Geburten, so ist diese Zahl im Jahr 1980 bereits auf 0,86 Millionen gesunken. Will sagen: Wir haben heute rund 30 Prozent 40- bis 45-Jährige weniger als 60- bis 65-Jährige. (Siehe dazu nachfolgende Tabellen) Das hatte damit zu tun, dass die Kinderzahl je Frau zwischen 1980 und 1985 Tiefststände erreichte. Folge dieser Tiefststände sind heute die zahlenmäßig „ausgedünnten“ heute 43- bis 38-Jährigen. Was allein diese beiden 5-Jahres-Alterskohorten (40/45 versus 60/65) betrifft, geht es in absoluten Zahlen um eine Lücke von rund zwei Millionen Menschen. Zuwanderung, die stattgefunden hat und diese Lücke teilweise ausgeglichen hat, nicht mitgerechnet. Das Thema Alterslastquote bzw. Sicherheit der Renten lassen wir an dieser Stelle außen vor.
2. Seit 1991 sind in Deutschland rund 4 Millionen Menschen mehr gestorben als geboren wurden. Grund: Das sog. generative Verhalten, sprich: Zeugungsverhalten, der Deutschen ist deutlich rückläufig. Pro gebärfähige Frau war die Zahl ihrer Kinder in der alten Bundesrepublik auf bis zu 1,28 (im Jahr 1985) gefallen, wo für eine ausgeglichene Alterspyramide doch 2,1 Kinder pro Frau notwendig wären. Nur Frauen in der DDR bekamen auch über den Pillenknick hinaus etwas mehr Kinder: 1985 etwa 1,73.
Quelle: https://de.statista.com/…
3. Dennoch hat sich die Bevölkerungszahl von 79,8 Millionen im Jahr 1990 um 4,5 Millionen auf zuletzt 84,3 Millionen (2022) erhöht. Unter Berücksichtigung des Sterbesaldos (4 Millionen; siehe Punkt 4) und des Auswanderungssaldos (mehr als eine Million) heißt das: Seit 1991 sind mehr als 9 Millionen Menschen zugewandert.
4. Gleichzeitig hat die frühere sog. Alterspyramide mit einem breiten Sockel als Art Glocke allmählich die Form einer Urne mit einer Verdickung angenommen.
Konkret in Zahlen:
– Im Jahr 2020 waren 30 Prozent der Bevölkerung jünger als 30 Jahre und 15 Prozent älter als 60 Jahre.
– Im Jahr 1970 waren 43 Prozent der Bevölkerung jünger als 30 Jahre und 8 Prozent älter als 60 Jahre.
Siehe: www.bpb.de/…:~:text=%2C3%20Prozent).-,Der%20Anteil%20der%20jüngeren%20Altersgruppen%20hat%20in%20der%20Vergangenheit%20beständig,nur%20noch%2018%2C4%20Prozent
Das wiederum hat mit dem Geburten-/Sterbe-Saldo zu tun. Im Jahr 1971 gab es in Deutschland (West + Ost zusammen) zum letzten Mal einen positiven Bevölkerungssaldo. Damals wurden 47.773 mehr Geburten als Sterbefälle registriert. Im Jahr 2021 wurde der bislang größte negative Saldo errechnet: In diesem Jahr starben 228.206 Menschen mehr (zum Teil auch durch Corona bedingt), als geboren wurden.
Siehe: www.destatis.de/….
Dazu eigene Berechnungen
Geburten-/Sterbesaldo auf je Tausend gerundete Zahlen in Fünf-Jahres-Perioden
Zwischenbilanz und schlummernde Binnen-Potenziale
Es fehlen zunächst einmal die Jungen. Paradoxerweise dürfte es aufgrund des Bevölkerungszuwachses zumal von Zuwanderern jüngeren Alters (durchschnittliches Einreisealter 2021: 24,8 Jahre) eigentlich keinen Fachkräftemangel geben. Dennoch geht die Bundesregierung Mitte Oktober 2022 laut Fachkräftemonitoring davon aus, dass ab 2025 jährlich mehr als 200.000 Arbeitsplätze mehr zu besetzen sind, als Arbeitskräfte verfügbar sein werden. Als Hauptgrund gibt die Bundesregierung an, dass die sogenannten Baby-Boomer vermehrt oder komplett in Ruhestand gehen. Nun will die Bundesregierung den Fachkräftemangel auf fünf Handlungsfeldern beackern – was immer das heißen mag: durch zeitgemäße Ausbildung, gezielte Weiterbildung, Erhöhung der Erwerbsbeteiligung, Verbesserung der Arbeitsqualität sowie durch Modernisierung der Einwanderung und Reduzierung der Abwanderung.
„Handlungsfelder“ der Bundesregierung: Das klingt recht und schön. Aber so richtig konkret ist das nicht. Wir setzen einiges entgegen und wollen aufzeigen, wo innerdeutsch Potentiale schlummern:
– Jedes Jahr bleiben rund einhunderttausend junge Leute ohne Bildungs- und Berufsabschluss.
– Berechnet über die Jahre einer verschleiernd „Verweildauer“ genannten Studierzeit hinweg, bricht von den derzeit 2,9 Millionen Studenten ein Drittel das Studium ohne Abschluss ab.
– Das Alter der Hochschulabsolventen mit Masterabschluss hat sich mittlerweile bei knapp über 27 Jahre eingependelt und ist damit höher als in den meisten Ländern der westlichen Welt. Mit anderen Worten: Viele Hochschulabsolventen kommen recht spät auf den Arbeitsmarkt.
– Die deutschen Hochschulen installieren immer mehr Studiengänge, mit denen nur die öffentlichen Haushalte belastet werden und die wahrlich nichts zum Sozialprodukt beitragen und als Fachkräfte in Mangelbranchen de facto ausfallen: siehe Studiengänge in Genderforschung, kritischer Weißseins-Forschung, postkolonialer Forschung …
Zuwanderung hin oder her: Damit allein ist es schon deshalb nicht getan, weil die Zugewanderten oder deren auch in Deutschland geborene Kinder bei Schulleistungstests oft ein bis zwei Schuljahre hinterherhinken. Das hat sich in allen Schulleistungsstudien seit dem Jahr 2000 bestätigt – soweit die Autoren von PISA, IGLU, VERA oder IQB-Studien diese Tatsache nicht sogar unter Tisch fallen ließen oder verschleierten. Nur wenige mutige Forscher bringen es auf den Punkt: Der Chemnitzer Psychologieprofessor Heiner Rindermann stellte 2015 fest: Ingenieure, die aus dem Nahen Osten nach Deutschland kommen, haben Realschulniveau. (Siehe: www.focus.de/…) Ein anderer Psychologieprofessor, Bruno Klauk von der Hochschule Harz in Wernigerode, hatte 2020in der Zeitschrift „Wirtschaftspsychologie“ eine Studie mit dem Titel „Intelligenzdiagnostik bei überwiegend Nicht-EU-Migrantinnen und -Migranten. Ergebnisse einer empirischen Studie mit einem kulturfairen Messverfahren“ erarbeitet. Hauptergebnis war: Bei den 505 Testanden, darunter 44,4 Prozent aus Syrien, zeigten sich Ergebnisse, die im Durchschnitt dem Niveau von in Deutschland getesteten Hauptschülern entsprechen. (Siehe: www.tichyseinblick.de/…) Das vergleichsweise niedrige Bildungsniveau nach Deutschland Zugewanderter (hier im Alter von 25 bis 34) wird auch von „Eurostat“ bestätigt. Danach sind 29,2 Prozent „Niedrigqualifizierte“, das heißt, sie haben keine Berufsausbildung und keinen höheren Schulabschuss. (Quelle: https://iwkoeln.de/…)
Außerdem: Jährlich verlassen mehrere hunderttausend Deutsche das Land: viele für einige Jahre, viele auf Dauer – meist junge, akademisch oder anderweitig gut qualifizierte Leute. Viele aus beruflichen Gründen, viele wegen andernorts besserer Verdienstmöglichkeiten, viele wegen des deutschen Steuersystems und wegen hoher Lebenshaltungskosten in Deutschland. Viele auch wegen des politisch stickigen Klimas in Deutschland. Seit 1991 etwa sind 1,3 Millionen Deutsche ausgewandert und nicht zurückgekehrt.
Obendrein gab es in Deutschland im Januar 2023 2,6 Millionen Arbeitslose. Und ein Drittel (exakt 34,1%) davon ist jünger als 35 Jahre (hier Statistik für das Jahr 2021. Bei weitgehend unveränderter Altersverteilung bedeutet das: Zuletzt waren/sind fast 900.000 Arbeitslose jünger als 35 Jahre, also fähig für eine Ausbildung oder eine Umschulung, die auf längere Sicht trägt.
Hinzu kommen gewisse Mentalitätswandlungen: Der deutsche Michel macht in immer größerer Zahl auf Work-Life-Balance und in der Folge auf Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich. Damit fällt ein Fünftel seiner Arbeitszeit aus. Und: Die „Ampel“ hat ein Bürgergeld installiert, das man unter bestimmten Voraussetzungen ab dem 15. Lebensjahr haben kann und das so manchen Bezieher dieser Wohltat zumindest ebenso gut dastehen lässt, wie wenn er einem Vollzeitjob nachginge. Union und Arbeitgeber warfen der „Ampel“ denn auch vor, sie beließen Bedürftige auf Dauer im Hilfssystem. Der Deutsche Handwerksverband kritisierte nicht ganz zu Unrecht, dass das Bürgergeld Geringverdiener antriebslos mache: „Die Verbesserungen für die Bezieher beim Schonvermögen, der Wegfall von Sanktionen, die deutliche Anhebung des Regelsatzes, die komplette Übernahme der stark gestiegenen Heizkosten – all das wird dazu führen, dass sich für mehr Menschen als bisher das Nicht-Arbeiten mehr lohnt als das Arbeiten.“
Was geschehen muss
Die demographische Entwicklung lässt sich nicht umkehren. Aber es gibt mehrere Möglichkeiten, mit dem Fachkräftemangel mit Binnenkräften und auch ohne hohe Zahlen an Zuwanderern mit zum Teil unzulänglichen Qualifikationen klarzukommen. Folgende Initiativen sind notwendig und möglich:
– Es muss gelingen, die Zahl der Bildungs-, Ausbildungs- und Studienabbrecher mit nachdrücklichen politischen und rechtlichen Mitteln wenigstens zu halbieren, dann stehen pro Jahr zweihunderttausend bis dreihunderttausend Fachkräfte in jungem Alter zusätzlich zur Verfügung.
– Es muss gelingen, vor allem das jüngere Drittel der Arbeitslosen zu qualifizieren oder umzuschulen, dann steht in zwei bis drei Jahren eine halbe Millionen Kräfte zur Verfügung.
– Es muss gelingen, die Zahl der Auswanderer zu halbieren, dann stehen sofort hunderttausend Hochqualifizierte zur Verfügung.
– Es muss gelingen, das de-facto-Rentenalter anzuheben, dann steht wohl eine halbe Million Fachkräfte mehr zur Verfügung. Eine unsoziale Maßnahme wäre das nicht. Im Gegenteil, es wäre ein Beitrag zu einem ausgeglichenen Generationenvertrag. Denn die Lebenserwartung steigt unvermindert an. Nur in den Corona-Jahren nicht. Mehr „Alte“ in Berufen, wo dies nicht mit einer erheblichen körperlichen Belastung verbunden ist, wären mehr Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt und für viele Betriebe ein großer Gewinn an Erfahrung.
Siehe Tabelle: Entwicklung der Lebenserwartung in Deutschland 1950–2020. Hier geschlechtsneutral, das heißt ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass Frauen im Durchschnitt rund fünf Jahre älter werden als Männer. Konkret: In Deutschland betrug die Lebenserwartung von Frauen im Jahr 2021 im Schnitt 83,4 Jahre, bei Männern im Schnitt 78,5 Jahre.
Quelle: https://de.wikipedia.org/…
Alles in allem
Deutschland hätte auch ohne Zuwanderung eine Reserve-„Armee“ an mindestens eineinhalb bis zwei Millionen Fachkräften. Das schließt das Anwerben von Fachkräften aus dem Ausland nicht aus. Aber dann eben nicht als Anwerben ins deutsche Sozialsystem, sondern ins deutsche Beschäftigungssystem. Man könnte auch sagen: Es geht um ein Modell, wie es etwa Kanada, Australien und Neuseeland praktizieren. Von hundert Zuwanderern, die man dort aufnimmt, werden 80 aufgrund ihrer Qualifikation aufgenommen, zehn Prozent aus Gründen der Familienzusammenführung und zehn Prozent aus humanitären Gründen.
Eine polemische Anmerkung noch zum Schluss: Bevor all diese Maßnahmen ergriffen werden, sollte eine Maßnahme vorausgehen, nämlich die Beseitigung des Fachkräftemangels in der „hohen“ Politik. Sonst wird das nichts.
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