Emissionsfreier Schwerlastverkehr braucht dichtes Netz von Elektrolade- und Wasserstofftankstellen sowie Anreize statt Verbote

Die deutsche Automobilindustrie steht zu den Klimaschutzzielen von Paris und treibt die Transformation mit Innovationen und Investitionen entschlossen voran. Die europäische Flottenregulierung ist dabei ein zentrales Instrument auf dem Weg zur Klimaneutralität im Verkehrssektor.

„Der heute von der Europäischen Kommission vorgelegte Gesetzesentwurf zur Flottenregulierung für schwere Nutzfahrzeuge ist mit Blick auf die bisher leider nur unzureichend vorhandene Lade- und Wasserstoffinfrastruktur ausgesprochen ambitioniert. Die EU verschärft die CO2-Grenzwerte deutlich, ohne dabei notwendige flankierende Maßnahmen zu verabschieden und damit einen tatsächlich realisierbaren Hochlauf alternativer Antriebe sicherzustellen. Im Klartext: Ohne Tempo und Entschlossenheit bei den notwendigen Rahmenbedingungen, insbesondere die entsprechenden Investitionen in die Infrastruktur, wird das Ziel kaum erreichbar sein“, erklärt VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

Hintergrund: Mit den neuen Flottenzielen werden ab 2030 mehr als 98 Prozent des Schwerlastverkehrs im Hinblick auf CO2-Emissionen reguliert sein. Bisher waren es 73 Prozent. Dies schließt richtigerweise die bisherige Regelungslücke. Mit der für 2040 vorgesehenen Reduktion des Flottengrenzwerts um 90 Prozent gegenüber 2019 möchte die EU-Kommission nun sehr ehrgeizige Ziele setzen. Als Zwischenetappe sollen es 2030 bereits 45 Prozent sein und für 2035 sind sportliche 65 Prozent angesetzt. Das Potential, CO2-Emissionen durch emissionsfreien Schwerlastverkehr zu vermeiden, ist enorm – schwere Lkw und Busse stoßen derzeit rund ein Drittel der CO2-Emissionen im Straßenverkehr aus. In Europa fahren 8,1 Millionen schwere Lkw und Busse. Bis 2030 werden es voraussichtlich knapp 10 Millionen sein.

Elektrolade- und Wasserstofftankstellen entscheiden über den Erfolg

„Entscheidend ist jetzt: Die gesetzten Ziele und die dafür benötigten Rahmenbedingungen müssen strategisch zusammengedacht werden. Das heißt: Damit ehrgeizige Ziele auch tatsächlich erreicht werden können, ist – neben einem ausreichenden Angebot von Fahrzeugen, zu dem wir uns verpflichten – vor allem ein ausreichend dichtes Netz von Elektrolade- und Wasserstofftankstellen für schwere Nutzfahrzeuge in ganz Europa notwendige Voraussetzung. Das ist aktuell noch nicht einmal annähernd vorhanden. Umso problematischer ist es daher, dass die Alternative Fuels Infrastructure Regulation (AFIR) der EU-Kommission viel zu ambitionslos ist. Es ist deshalb zu begrüßen, dass sich das EU-Parlament bereits für ein höheres Ambitionsniveau ausgesprochen hat. Denn solange nicht erkennbar ist, wann für die schweren Fahrzeugklassen im Fernverkehr ein ausreichendes, öffentlich zugängliches Lade- und Betankungsnetz vorhanden ist, haben die angestrebten CO2-Reduktionsziele und Verbrenner-Ausstiegsdaten für schwere Nutzfahrzeuge reinen Symbolcharakter“, erklärt VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

Fakt ist: Die Hersteller arbeiten mit aller Kraft daran, den Bedarf an batterieelektrischen oder mit Wasserstoff betriebenen Lkw und Bussen zu decken. Bis 2026 investieren die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie insgesamt rund 220 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung, vor allem in die Elektromobilität inklusive Batterietechnik und in die Digitalisierung. Hinzu kommen etwa 100 Milliarden Euro bis 2030 in den Umbau von Werken.

„Wir stehen entschlossen hinter den ehrgeizigen Zielen der EU. Unsere Kritik an dem Vorschlag und die Betonung der notwendigen Rahmenbedingungen sind Ausdruck unserer Entschlossenheit, die Ziele auch tatsächlich zu erfüllen. Grundsätzlich gilt dabei: Ziele müssen politisch nicht nur gewollt, sondern auch durch eine umfassende Infrastrukturpolitik sowie eine engagierte Rohstoff-, Energie und Handelspolitik für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes seitens der EU flankieren werden. Die konkrete Umsetzung, die tatsächliche Realisierung muss von Anfang an mitgedacht und strategisch unterlegt werden. Dies ist bis heute nicht zu erkennen“, appelliert Müller.

Speditionen und Verkehrsbetriebe brauchen Anreize

Eine reine Verschärfung der CO2-Grenzwerte wird zudem zum Umstieg nicht befähigen, sondern lediglich die Nutzung von Lkw und Busse mit konventionellem Antrieb unmöglich machen“, mahnt Müller. „In der Nutzfahrzeugbranche besteht ohnehin ein hohes Kostenbewusstsein. Somit werden CO2-emissionsfreie Lkw und Busse erst dann in hohen Stückzahlen in die Fuhrparks aufgenommen, wenn batterieelektrische oder mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge auf der Straße profitabler fahren als solche mit konventionellem Motor.

Die Flottenerneuerung hin zu CO2-emissionsfreien Fahrzeugen kann flächendeckend dann geschehen, wenn genügend Anreize für Speditionen und Verkehrsbetriebe geschaffen werden: Anreizsysteme wie Förderungen, Mautbefreiungen und Steuererleichterungen für Null-Emissions-Lkw und -Busse. Nur so wird es gelingen, Speditionen und Verkehrsunternehmen zu ermutigen und zu befähigen, ausreichend in CO2-emissionsfreie Fahrzeuge zu investieren“, betont Müller.

Klarer Zeitplan und ständige Evaluation

„Die von der EU-Kommission eingebrachte Gesetzesänderung wird die bisher gültigen CO2-Grenzwerte für 2030 ersetzen. Die Zielverschärfungen sollten diesmal endgültig sein, um den Herstellern Planungssicherheit zu geben. Erneute Änderungen binden immer wieder neue Ressourcen, die ohnehin dringend für den Hochlauf der Elektromobilität benötigt werden. Was die Zielwerte für die Jahre 2035 und 2040 anbelangt, sollten diese – wenn schon jetzt festgesetzt – im Hinblick auf den Stand der Rahmenbedingungen zu gegebener Zeit erneut überprüft werden.

Deshalb sollte die EU einen regelmäßigen Monitoring-Prozess etablieren, um zu überprüfen, ob der Hochlauf der Elektromobilität gelingen kann. Fall nötig, kann dann mit konkreten Maßnahmen nachgesteuert werden. Dabei müssen vor allem Kriterien wie der Hochlauf der E-Lade- und Wasserstoffbetankungsinfrastruktur oder auch die Rohstoffverfügbarkeit berücksichtigt werden.

Grundsätzlich sollte die Novellierung der Flottengrenzwerte für das Jahr 2030 – auch mit Blick auf Euro VII – gemeinsam so gestaltet werden, dass der Hochlauf alternativer Antriebsarten nicht behindert wird. Auch hier gilt: Ein pragmatischer, fortschrittlicher und technologieoffener Ansatz wird sicherstellen, dass die Klimaschutzziele erfüllt werden“, fordert Müller.

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