Corona und psychische Gesundheit: Gesundheitspolitischer Kongress der bayerischen Bezirke zieht Lehren aus der Pandemie

Während der Präsident des Robert-Koch-Instituts in Berlin eine Aufarbeitung der Corona-Pandemie fordert, hatten sich die sieben bayerischen Bezirke genau dies zum Thema ihres diesjährigen gesundheitspolitischen Kongresses gemacht. Die jährlich Ende Januar in Kloster Irsee, dem Tagungs-, Bildungs- und Kulturzentrum des Bezirks Schwaben stattfindende Tagung führte Bezirkspolitikerinnen und –politiker mit den Spitzen der bezirklichen Gesundheitsunternehmen, ihren Vorständen, ärztlichen wie pflegerischen Direktorinnen und Direktoren zusammen.

Zum Auftakt rekapitulierte Medizinethiker Prof. Dr. Jochen Vollmann (Ruhr-Universität Bochum) die enorme technische Erfolgsgeschichte der raschen Impfstoff-Herstellung, bemängelte aber auch sozialmedizinische Defizite, so dass ein „unsichtbares Drittel der Bevölkerung“ durch die Impfkampagnen kaum erreicht worden sei. Die Pandemie habe als Brennglas gewirkt und bestehende gesellschaftliche Gerechtigkeitsfragen, die Fragilität des modernen Lebensstils wie auch die ökologisch destruktiven Aspekte der Konsum- wie Wohlstandsgesellschaft deutlich vor Augen geführt. Prof. Dr. Mathias Zink (Sprecher der ärztlichen Direktorenkonferenz der bayerischen Bezirkskrankenhäuser) rief dabei insbesondere den steigenden „mortality gap“ zwischen gesunden und psychisch erkrankten Menschen ins Bewusstsein, der mittlerweile bei etwa 15 Jahren liegt: „Die Pandemie und ihre Schutzmaßnahmen haben schwer psychisch kranke Menschen besonders belastet, was die Öffentlichkeit meist nicht ausreichend berücksichtigt hat“, konstatierte der Chefarzt aus Ansbach.

Welche Alternativen zum gewohnten Stations-Setting erprobt sind bzw. welche Chancen und Risiken sie bieten, darüber wurde lebhaft diskutiert: Chefärztin Dr. Eva Ketisch (kbo-Isar-Amper-Klinikum München-Ost) stellte die sogenannte stationsäquivalente Behandlung vor, eine komplexe, aufsuchende, zeitlich begrenzte ambulante Behandlung zu Hause; Prof. Dr. Peter Zwanzger, ärztlicher Direktor am kbo-Inn-Salzach-Klinikum in Wasserburg, thematisierte telemedizinische Versorgungsformen und digitale Gesundheitsanwendungen. In Erinnerung gerufen wurde aber auch die nach wie vor hohe Belastung von Kindern und Jugendlichen: Anhand eindrücklicher Fallschilderungen forderte Prof. Dr. Marcel Romanos (Klinikdirektor Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Würzburg) dringend die Einführung zielgenauer wie wissenschaftlich begleiteter Präventions-Maßnahmen, mahnte aber auch ganz grundsätzlich: „Wir müssen Schule neu denken!“  

In einem dritten Teil des Kongresses wurde über regionale Verbünde zur Weiterentwicklung einer stärker Patienten-orientierten Gesundheitsversorgung berichtet (Dr. Matthias Keilen, strategischer Vorstand der Bezirkskliniken Mittelfranken), die Einrichtung Pflege-geleiteter Anlaufstellen für Patienten wie deren Angehörigen vorgeschlagen (Prof. Dr. Christian Rester, Dekan der Fakultät für angewandte Gesundheitswissenschaft in Deggendorf) und ein großflächiges Modellprojekt zur sektorenübergreifenden Behandlung von schwer psychisch erkrankten Menschen mit dauerhaft reduziertem Funktionsniveau vorgestellt. Der aus der benachbarten Pfalz angereiste Paul Bomke (Geschäftsführer des Pfalzklinikums für Psychiatrie und Neurologie, Klingenmünster) forderte dazu auf, „weniger Beton, dafür mehr Zelte“ zu finanzieren, sprich die bereits am Markt tätigen Akteure intensiver zu vernetzen. Das Modell ermögliche, durch multi-professionelle Teams sowohl mehr ambulante als auch mehr aufsuchende Behandlungsangebote flexibel und bedarfsgerecht vorzuhalten.

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