26. IHF 2022 in Innsbruck – Branchentreffen des Holzbaus mit grosser Bandbreite an Diskussionsthemen

Mit über 2.600 Teilnehmenden an drei Tagen (30. Nov. bis 2. Dez.) und 175 Ausstellern hat das „26. Internationale Holzbau-Forum 2022“ nach zwei Jahren Corona-Pause seine Rolle als wichtigster Holzbau Kongress und Netzwerktreffen in Mitteleuropa weiter ausgebaut. Wer da war, wird es bestätigen, wer nicht da war, hatte Wichtigeres zu tun – hat dann aber auch etwas verpasst.

Neben dem umfangreichen Fachprogramm von FORUM HOLZBAU über Projekte, Produkte, Forschungsergebnisse und Innovationen spielten in den Vorträgen in Innsbruck die Auswirkungen der Wirtschaftstransformation von fossil zu klimaneutral auf (Holz-)Wirtschaft und Gesellschaft eine wichtige Rolle. Das ging bei der IHF-Auftaktveranstaltung am Mittwoch los, setzte sich in den IHF-Startvorträgen von DHWR- und HDH-Geschäftsführer Dr. Denny Ohnesorge und Zukunftsforscher Matthias Horx fort, kulminierte im Abendvortrag von Ifo-Präsident (i.R.) Dr. Hans-Werner Sinn und zog sich bis in den IHFEpilog am Freitag hinein – u.a. mit dem Vortrag von Silvia Melegari, der CEI-Bois- und EOSGeneralsekretärin aus Brüssel. Sie erläuterte dem IHF-Publikum Hintergründe zum European Green Deal und stellte das Projekt New European Bauhaus vor. Das IHF bot bis zum Schluss ein informatives Programm und die Tagung war selbst am frühen Freitagnachmittag noch erfreulich gut besucht.

Finanzwissenschaftler Sinn beleuchtete die Ursachen für die aktuelle Inflation bei den Erzeugerpreisen, die am Bau bereits 2021 für deutliche Störungen gesorgt hat und keineswegs auf den Einmarsch der Russen in die Ukraine zurückzuführen sei. Er wies dabei der Finanzpolitik der westlichen Industrieländer und den Notenbanken die Hauptverantwortung zu. Die Ursachen lägen in der Bereitschaft zu überhöhten Staatsschulden, einer zu starken Geldmengenvermehrung, zusätzlichen Schulden zur Abfederung von Pandemiefolgen bei gleichzeitiger Angebotsverknappung in Lockdown-Zeiten mit Unterbrechungen der internationalen Lieferketten. Als weiteren Grund für wachsende Inflationsraten nannte Sinn den Anstieg der Energiepreise bei Erdöl und Erdgas nach Drosselung der Produktion durch die OPEC-Länder zu Beginn der Corona-Pandemie. Mit dem Einmarsch der Russen in die Ukraine und dem Ende russischer Gaslieferungen nach Westeuropa schossen sie dann in die Höhe. Der Preisanstieg bei Energie sei dabei durch eine falsche Zinspolitik der EZB noch verstärkt worden, die mit inflationsdämpfenden Massnahmen zu lange gewartet habe.

Deutliche Kritik übte er aber auch an der Energiepolitik im Euroraum. Russlands Krieg mit der Ukraine habe deutlich gemacht, dass mit der angestrebten Energiewende etwas nicht stimme, so Sinn. Wegen des deutschen Doppelausstiegs aus Kohle- und Atomstrom bleibe nur Gas als Energieträger in schnell regelbaren Kraftwerken, um die unstete Produktion aus Wind- und Solarkraftwerken zu verstetigen. Das Vorhalten fossiler Reservekraftwerke sei aber sehr teuer. Vom Gas als Energieträger des Übergangs komme man daher nicht so schnell weg, wie sich das manche vorstellten. Es sei vielmehr sinnvoll, alternative Energien zur Marktreife zu bringen, ehe man aus den fossilen Energien aussteige, nicht umgekehrt. Das CO2-Einsparungssziel der EU sei nicht zu schaffen, ohne Europa zu deindustrialisieren. So wichtig die grüne Energiewende und so gross das Klimaproblem sei: Sinn forderte eine energiepolitische Kurskorrektur mit Augenmass, auch um die demokratischen Strukturen in Europa nicht zu gefährden. Seine Warnungen vor naiven Annahmen bei der Energiewende wurden von Teilen des IHF-Publikums jedoch durchaus kritisch aufgenommen, wie sich am Folgetag zeigte.

Auch beim Diskussionsforum der TU München am Freitag zu Wald im Spannungsfeld von Rohstoffinteressen für Bau und Industrie und Wald-Totalschutz ging es kontrovers zu. Denn auch der Holzwirtschaft stehen in den kommenden zwei Jahrzehnten deutliche Veränderungen ins Haus – zumindest den energieintensiveren Teilen. Bei der Rohstoffversorgung für die Industrie, bei den Transportradien und den Produktionsstandorten wird es Verschiebungen geben.

Sichtlich besorgt blickt die Branche nach Brüssel, inwiefern sich mehr Waldnatur- und Artenschutz mit der ebenfalls notwendigen Holzversorgung und den Verarbeitungsmöglichkeiten in Europa austarieren lassen – und ob sich, falls nicht, dann die Transformationsziele mit Holz als Roh- und Baustoff überhaupt erreichen lassen. Dabei darf nicht ausgeblendet werden, dass einige Holzsortimente als Substitut für die fossilen Energieträger eine Rolle spielen.

Ein Fazit zum 26. IHF in Innsbruck zu ziehen, fällt nicht leicht. Nach erfolgreichen Jahren für den Holzbau, wenn auch bei noch wenig Gesamtumfang, war es sicher eine Feier dieses Erfolgs, der selbst unter Corona-Bedingungen anhielt. Der Optimismus vieler Teilnehmenden beim IHF basiert eben darauf, dass man mit dem noch am wenigsten klimaschädlichen Baustoff arbeitet, von dem ausserdem, auch bei Besorgnis erregendem Kalamitätsholzanteil, ausreichende Mengen vorhanden sind. Die eigentlich immer positive Stimmung am IHF vermischte sich in Innsbruck diesmal jedoch erkennbar mit Sorgen über die aktuelle und weitere Marktentwicklung, sind doch die Wirtschaftsaussichten am Bau bei steigenden Zinsen, unter inflationärer Entwicklung der Preise und energiepreisbedingten Versorgungsengpässen bei einzelnen Produkten zunehmend schwer einzuschätzen.

Insbesondere für Deutschlands energiehungrige, im- und exportabhängige Volkswirtschaft zeichnen sich schwierige Monate und eine Rezession ab. Am Schlepptau der Industrie hängt aber die Baubranche und damit auch der Holzbau. Die Immobilienbranche hat auf den Materialmangel und die Preisspitzen im Jahr 2021 unmittelbar mit der Stornierung von Aufträgen reagiert. Auf deren Umfang wies Alexander Rychter vom Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland-Westfalen beim IHF-Auftakt am 30. November hin. Und er kritisierte in diesem Zusammenhang auch die kurzfristigen Änderungen bei den Kriterien der Bauförderung durch den Bund.

In Innsbruck spürbar war hingegen der in Österreich höhere Stellenwert der Holzwirtschaft, den der Branche im Vergleich zu Deutschland oder auch der Schweiz eingeräumt wird. Das unterstrich u.a. der Besuch von Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig beim Forum. In seinem Grusswort wies Totschnig auf den wichtigen, aber steigerungsfähigen CO2-Substitutionsbeitrag von Holz in Österreich hin. Den anwesenden Fachleuten aus dem Holzbereich dankte Totschnig für ihren Einsatz zur Steigerung der Holzverwendung und die geleistete Aufklärungsarbeit, was die Vorzüge von Holz betrifft. Gleichzeitig bedauerte der Minister aber, dass ein so wichtiges Forum wie das IHF eben „nur ein Expertenforum“ sei – und darüber hinaus wenig bekannt. Das hier vorhandene Wissen müsste viel stärker in der Breite der Bevölkerung getragen werden.

Immerhin: Österreich will seine Holzbauquote (aktuell 24%) in den kommenden zehn Jahren um weitere 15% ausbauen und vor allem den grossvolumigen Holzbau fördern. Auch die Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie auf Holzbasis sollen intensiviert und das EU-Projekt New European Bauhaus von österreichischer Seite unterstützt werden. Totschnig berichtete ferner über die Schaffung einer holzpolitischen Plattform (Wood policy platform -woodPoP), um die Transformation der Holzwirtschaften auf europäischer Ebene zu koordinieren. Diese Plattform war parallel zum IHF am selben Tag in Innsbruck auf gemeinsame Initiative von Finnland und Österreich ins Leben gerufen worden.

In welche Richtung sich das Bauwesen mit Holz künftig entwickeln wird, darüber konnte auch das 26. IHF keine Klarheit verschaffen, den einzelnen Teilnehmenden aber sicher wichtige Informationen mitgeben. Denn es geht um nicht weniger als den Umbau des westlichen Wirtschaftssystems, und das in möglichst kurzer Zeit. Martin Löcker, CEO des Immobilienentwicklers UBM, rief beim IHF-Auftakt dazu auf, den wirtschaftlichen Erfolg in Kombination mit Ressourceneffizienz zu suchen und viel mehr Holz als bisher einzusetzen. Alle seien gefordert, diesen Weg zu gehen. UBM hatte das bereits vor Corona für sich entschieden. Diesen Weg werde man fortsetzen, so Löcker, weil es aktuell kein besseres Baumaterial gebe. Dabei dürften die Materialien nicht gegeneinander ausgespielt werden. Der grösste Hebel seien keine neuen Studien oder Diskussionen über Holz, sondern bei Projekten mineralische Baustoffe durch Holz zu ersetzen. Mit dem European Green Deal und der EU-Taxonomie (Klassifizierungssystem zur Definition ökologisch nachhaltiger Geschäftsaktivitäten) würden sich auch die Bedingungen der Immobilienbewertung und -finanzierung in absehbarer Zeit deutlich ändern.

Festzuhalten ist, dass es im Bereich des Baus – auch im Holzbau – viele Widersprüche gibt, die in Innsbruck zur Sprache kamen, die aber noch zu lösen sind bzw. für die ein Ausgleich gefunden werden muss. Zum Beispiel zwischen den schweren Bauweisen mit viel Holz und den Leichten mit weniger Holz, was dann auch Schallschutz, Raumklima, Dämmung, Beheizung bzw. Kühlung beeinflusst – alles Themen, zu denen das IHF Vorträge bot. Die in Gebäuden gebundene graue Energie findet in der Praxis mittlerweile stärkere Beachtung, ebenso die Schaffung flexibler Grundrisse, wie auch die Recyclingfähigkeit von Gebäuden und die Wiederverwendung von Bauteilen. Die Architektur muss ihre Rolle überdenken, ob es im Entwurf anhaltend einfallslos und stark renditeorientiert weitergehen soll, oder ob der langfristigen Nutzung und Bewohnbarkeit mehr Beachtung geschenkt werden soll. Auch darüber, ob künftig eher wieder einfacher gebaut werden wird, oder ob sich doch eher die „modernen“ Energiesparvarianten mit viel Technikeinsatz durchsetzen, gab es beim IHF keine Festlegung, allenfalls Empfehlungen oder Hinweise. Unbeantwortet blieb in Innsbruck die Frage, wie Wohnraum-Nachfrage und das Fehlen verfügbarer Bauflächen in Einklang gebracht werden können. Auch der Holzbau baut gerne neu und auf Flächen, die eigentlich geschont werden sollten. Man baut gerne groß, Standardisierung und Vorfertigung sollen das Bauen verbilligen und beschleunigen, aber die Klimaschutz-Hauptaufgabe liegt eindeutig in der schwer zu vereinheitlichenden und zu beschleunigenden Sanierung des Gebäudebestands. Und über allem schwebt die Frage: Wer setzt die Arbeit in den Werken und auf den Baustellen eigentlich um, wenn nicht genügend qualifizierte Kräfte da sind?

Mit dem „Master Colloquium“ als IHF-Programmelement für die Studenten im Bereich des Holzbaus wurde erneut auch der ursprüngliche Zweck des IHF fortgeführt – den der Kontaktbörse zwischen Lehre und Forschung auf der einen Seite und Wirtschaft und Industrie auf der anderen.

Wer sich während zwei Jahren pandemiebedingter IHF-Abstinenz insgeheim eine Rückkehr nach Garmisch gewünscht hatte, den dürfte das IHF 2022 in Innsbruck überzeugt haben. Im Prinzip bieten die Stadt und ihr Kongresszentrum ja ganz ähnliche Bedingungen wie Garmisch, nur eben mit deutlich mehr Fläche für den wichtigen Messeteil der Tagung.

Die Tagungsunterlagen des 26. IHF 2022 können nach einer Registrierung auf unserer Website www.forum-holzwissen.com heruntergeladen werden.

Das 27. „Internationale Holzbauforum“ wird vom 29. November bis 1. Dezember 2023 erneut in Innsbruck stattfinden.

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