Sensibilisiert durch tansanische Partnerschaften
Pfarrer Helmut Müller, aktuell Koordinator im Regionalen Dienst der VEM und Mitglied im Bündnisrat von „erlassjahr.de“, erinnert sich: „Ich war dabei. Mit einigen Gemeindegliedern der Evangelischen Markus-Kirchengemeinde in Oberhausen reihten wir uns 1999 in die Menschenkette rund um die Kölner Innenstadt ein. Wir waren keine Finanzexpert*innen, aber davon überzeugt: Es ist Aufgabe von Christinnen und Christen und unseren Kirchen, sich für einen umfassenden Schuldenerlass der Länder des globalen Südens einzusetzen. Denn immer mehr Länder des globalen Südens steckten in einer Schuldenfalle, die sie nicht zu verantworten hatten. Wir hatten erkannt: Die fortschreitende Überschuldung von Staaten verstärkt Armut und Ungleichheit und verhindert ein würdevolles Leben. Finanzielle Mittel, die in den Schuldendienst fließen, stehen nicht zur Verfügung, um die wachsende Armut und den fortschreitenden Hunger zu bekämpfen. Das ist das Drama, das sich in Ländern abspielt, die in der Schuldenfalle stecken. Und für uns war das keine abstrakte Sache. Die internationalen Partnerschaften zu einer lutherischen Kirche in Tansania hatten uns sensibilisiert. Wir sahen, wie der Staat gezwungen war, Bildungs- und Gesundheitsprogramme immer weiter runterzufahren, um wenigstens die Zinsen begleichen zu können und damit formal kreditwürdig zu bleiben.“
Es braucht eine echte Reform der internationalen Finanzarchitektur
Kristina Rehbein, politische Koordinatorin bei „erlassjahr.de“, meint: „Durch einmalige Schuldenstreichungen konnten die zugrundeliegenden strukturellen Probleme nicht überwunden werden. Was es heute braucht, sind echte Reformen der immer noch gläubigerdominierten internationalen Finanzarchitektur.“ Ähnlich argumentieren Pfarrer Helmut Müller und die übrigen Mitwirkenden des Aktionstags „25 Jahre Kölner Kette – 25 Jahre Einsatz für faire Entschuldung“. Sie betonen die Notwendigkeit für grundlegende Veränderungen des internationalen Finanzsystems. Prekär verschuldete Länder benötigten faire und transparente Rahmenbedingungen, mit denen sie sich aus der Schuldenfalle befreien können. Dazu gehöre es auch, koloniale Kontinuitäten innerhalb dieses Finanzsystems zu überwinden. Außerdem müssten die Länder des Globalen Nordens aus ihrer Hauptverantwortung für die Folgen der Klimaerwärmung die Notwendigkeit für Schuldenstreichungen für die Länder des Globalen Südens ableiten.
Bei der Abendveranstaltung des Aktionstages in Köln am 18. Juni ermutigte die ehemalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul die Anwesenden mit den Worten: „Ihr Engagement ist heute mindestens so nötig wie vor 25 Jahren.“
Das deutsche Entschuldungsbündnis „erlassjahr.de – Entwicklung braucht Entschuldung e. V.“ setzt sich dafür ein, dass den Lebensbedingungen von Menschen in verschuldeten Ländern mehr Bedeutung beigemessen wird als der Rückzahlung von Staatsschulden. “erlassjahr.de“ wird von mehr als 500 Organisationen aus Kirche, Politik und Zivilgesellschaft bundesweit getragen und ist eingebunden in ein weltweites Netzwerk nationaler und regionaler Entschuldungsinitiativen.
Die Vereinte Evangelische Mission (VEM) mit Büros in Wuppertal, Indonesien und Tansania ist eine internationale, gleichberechtigte Gemeinschaft von 39 Mitgliedern, darunter 32 evangelische Kirchen in Afrika und Asien sowie sechs deutsche EKD-Kirchen und den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Die VEM verfolgt konsequent ein ganzheitliches Missionsverständnis. Dazu gehört, die Lebensumstände notleidender und benachteiligter Menschen unter Achtung ihrer persönlichen Würde und Berücksichtigung ihres kulturellen Kontexts zu verbessern.
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