Der Grund für den Rückzahlungsanspruch liegt darin, dass Online-Glücksspiele und Online-Sportwetten in Deutschland bis zur Reform des Glücksspielstaatsvertrags verboten waren. Angeboten wurden die Sportwetten im Internet aber trotzdem. „Ohne Genehmigung waren und sind Online-Sportwetten in Deutschland verboten. Das bedeutet, dass die Verträge nichtig sind und die Veranstalter daher keinen rechtlichen Anspruch auf die Einsätze der Spieler haben. Die Spieler können daher ihre Verluste zurückfordern“, sagt Rechtsanwalt István Cocron, CLLB Rechtsanwälte.
So werde auch der BGH mit großer Wahrscheinlichkeit zu Gunsten des Spielers entscheiden und ihm die Erstattung seiner Verluste zusprechen, schreibt die SZ weiter. Im konkreten Fall hatte der Kläger beim Wettanbieter Tipico zwischen 2013 und 2018 sein Geld verzockt. Tipico hat die erforderliche Lizenz jedoch erst im Oktober 2020 erhalten.
Wenn das BGH-Urteil so kommt wie erwartet, betrifft das auch alle anderen Anbieter von Online-Sportwetten, die dann ihre Verluste mit einer Verjährungsfrist von zehn Jahren zurückholen können. Rechtsanwalt Cocron hat den Anspruch auf Rückzahlung der Verluste schon für zahlreiche Spieler durchgesetzt. Die SZ fragte ihn nach seiner Einschätzung, ob eine verbraucherfreundliche BGH-Entscheidung eine Klagewelle auslösen wird. Rechtsanwalt Cocron geht davon aus, dass es mindestens zu zehntausend Klagen kommen wird. Allein CLLB Rechtsanwälte vertritt die Ansprüche von rund 3.400 Spielern – und er werden mehr.
Spieler, die bei Online-Sportwetten zum Teil hohe Beträge verloren haben, sehnen also die Entscheidung des BGH herbei. Dabei gibt es jedoch einen Haken. Denn der große Teil der Sportwettenanbieter hat seinen Sitz in Malta und die maltesische Regierung hat am 16. Juni 2023 mit der Bill No. 55 ein Gesetz erlassen, dass die Durchsetzung ausländischer Urteile erschwert. Die Regelung besagt, dass Urteile aus dem EU-Ausland nicht vollstreckt werden, wenn der Anbieter über eine in Malta gültige Lizenz verfügt.
Das ist ein klar rechtswidriges Verhalten, dass die EU kaum dulden wird, und die EU-Kommission befasst sich bereits damit. Doch das dauert und Glücksspielanbieter können auf Zeit spielen. „Seit die Bill No. 55 gilt, gibt es mehrere Anbieter, die Zahlungen auch auf rechtskräftige und vollstreckbare Urteile verweigern“, zitiert die SZ Rechtsanwalt Cocron. Zu diesen Anbietern gehört auch Tipico. Ein Sprecher von Tipico habe auf Anfrage nur darauf verwiesen, dass man davon ausgehe, dass der BGH zunächst den EuGH anrufen werde. „Das dürfte unwahrscheinlich sein. Es ist davon auszugehen, dass der BGH am 25. Juli zu Gunsten des Spielers entscheiden wird“, so Rechtsanwalt Cocron.
Der Glücksspielstaatsvertrag wurde zwar mit Wirkung zum 1. Juli 2021 liberalisiert und Anbieter können Lizenzen für ihre Online-Glücksspiele erhalten. Der Spielerschutz genießt jedoch weiter Priorität. Daher sind die Einsätze der Spieler auf 1.000 Euro im Monat gedeckelt. Ein Limit, an das sich oft nicht gehalten wurde, wie der Bremer Senat kürzlich anlässlich eine Anfrage der FDP-Fraktion vom 28. Mai 2024 zur „Evaluierung Glücksspielstaatsvertrag“ mitteilte. Bis Juli 2022 seien die Vorgaben missachtet worden.
Auch bei einer Missachtung des Limits können Spieler Rückzahlungsansprüche geltend machen. Die SZ verweist auf einen Hinweisbeschluss des BGH vom März 2024. Danach gehen die Karlsruher Richter davon aus, dass auch ein Verstoß gegen das Limit zur Nichtigkeit der Verträge führt. „Dann könnten die Spieler die Rückzahlung ihrer Verluste verlangen“, so Rechtsanwalt Cocron.
Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) ist dafür zuständig, dass die Vorgaben aus dem Glücksspielstaatsvertrag eingehalten werden. Bei Verstößen kann sie den Glücksspielanbietern die Lizenz auch wieder entziehen. Bei der Behörde stapeln sich nach Angaben der SZ die Beschwerden. Auch Rechtsanwalt Cocron hat der Behörde mitgeteilt, dass Tipico die Rückzahlung der Einsätze aus einem vollstreckbaren Urteil des Amtsgerichts Offenbach bislang nicht geleistet hat.
Spieler sollten sich aber deshalb von der Geltendmachung ihrer Rückzahlungsansprüche nicht abhalten lassen. „Zahlreiche Gerichte haben den Rückzahlungsanspruch schon bestätigt. Malta wird sich nicht ewig gegen die Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsurteilen aus der EU sperren können“, so Rechtsanwalt Cocron.
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