Nida-Rümelin weiß, wovon er spricht. Als Philosoph, vielbeachteter Autor, Professor und ehemaliger Kultur-Staatsminister, war sein ganzes Leben von Diskursen geprägt. Da, wo Diskurs nicht zugelassen werde, weil einzelne Meinungen nicht zugelassen würden, könne man das Phänomen der „Cancel Culture“ beobachten. Ein Reizwort für viele: Die einen praktizierten sie, wiesen aber jede Beschränkung anderer Meinungen dadurch zurück, da Zensur etwas sei, das nur Staaten anwenden würden. Die anderen, oftmals Konservative, kritisieren „Cancel Culture“ als eine Art „Sprachpolizei des linken Mainstreams“, so der Autor.
Er selbst, Mitglied des Deutschen Ethikrats, setzt auf die Werte des Humanismus, um Demokratie zu erhalten, denn genau das liege ihm am Herzen. Dazu gehört, dass man mit fast jedem rede. „Nur mit Neofaschisten diskutiere ich nicht“, betont er „denn hier sind die grundlegenden Gemeinsamkeiten, die im Grundgesetz verankert sind, nicht mehr gegeben“. Ansonsten ist die Offenheit, sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen, der Schlüssel zum Erhalt unserer Gesellschaftsform. „Die Demokratie als Staatsform ist weltweit in einer Krise. Das bereitet mir große Sorge“, sagt Nida-Rümelin. Trotzdem glaubt er an die politische Urteilskraft der Bürger*innen – und deshalb müsse man keine Meinungen vor diesen fernhalten.
Die Verteidigung von Humanismus und Aufklärung gegen Intoleranz und das Unterdrücken anderer Meinungen sieht er als persönliche Aufgabe. Auch dass er den Menschen offensichtlich für ausreichend vernunftbegabt hält, um die Brandmauer gegen Rechtsextremismus aufrechtzuerhalten, die er noch intakt sieht, macht sein Vortrag deutlich. Sein Lohn: sehr langer und lauter Beifall vonseiten des Publikums. Die zahlreichen Fragen im Anschluss zeigen, dass das Thema die Gemüter erregt und bisweilen spaltet. Zum friedlichen Ende gehört, ganz gemäß Nida-Rümelins Ansatz, dass sich alle ausreden lassen und zuhören an diesem Abend.
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