Die Erfassung der Symptome in der Forschungsdatenbank des Registers wurde nach Erscheinen der neuen MS-Leitlinie überarbeitet, wodurch nun eine größere Anzahl an Symptomen von den beteiligten Zentren dokumentiert werden. Die Abbildung 1 zeigt die prozentualen Häufigkeiten der MS-Symptome zum Zeitpunkt der letzten Konsultation nach Juli 2022 (N=13.394) bzw. bis zum letzten Zeitpunkt vor der Überarbeitung der Symptomatik (N=32.072). Von den neun neu im MS-Register erfassten Symptomen gehören Gleichgewichts-, Feinmotorik- und Sensibilitätsstörungen zu den häufigsten, die jeweils bei mehr als einem Viertel der Betroffenen auftreten.
Zu den am häufigsten unbehandelten Symptomen zählen okulomotorische Störungen (79,7%), sexuelle Störungen (73,6%), Dysarthrie / Dysphonie (67,5%), und Dysphagie 65,5%). Vergleicht man die Therapiearten zwischen den Zeiträumen, zeigt sich, dass Fatigue vergleichsweise häufiger
(nicht-)medikamentös behandelt wird als noch vor Juli 2022 (41,2% zu 32,0%). Dies könnte im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie stehen. Aufgrund der Zunahme von Fatigue als Langzeitfolge von COVID-19 werden nun neue Ansätze zur Behandlung dieser Erschöpfungs-symptomatik erforscht. Generell steigt die Häufigkeit der (nicht-)medikamentösen Behandlung bei allen Symptomen. Der prozentuale Anteil einiger Symptome wie Mobilitätseinschränkungen / Paresen, okulomotorische Störungen und Schmerzen haben nach der Anpassung der Erfassung der Symptome nach der MS-Leitlinie vergleichsweise abgenommen.
Zusätzlich zur Erfassung neuer Symptome wurden sowohl Blasenfunktions- als auch Bewegungsstörungen in weitere Unterkategorien unterteilt, wie in Abbildung 2 dargestellt. Der größte Anteil der Blasenfunktionsstörungen entfällt auf den imperativen Harndrang. Insgesamt haben 15,9 % der MS-Erkrankten, bei denen eine Blasenfunktionsstörung dokumentiert wurde, mindestens zwei verschiedene Formen der Funktionsstörung.
Hinsichtlich der Bewegungsstörungen sind 12,6 % der Betroffenen von mindestens zwei Formen der Bewegungsstörung betroffen. Mit 21,6 % ist die Ataxie hier das häufigste Symptom.
Durch die Erfassung neuer Symptome entsteht ein umfassenderes Verständnis für die Vielfalt der Symptome bei MS und deren Versorgungssituation in Deutschland. Dies trägt dazu bei, auch die „unsichtbaren“ Facetten der Krankheit besser zu charakterisieren und mögliche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Symptomen zu identifizieren. Darüber hinaus lassen sich spezielle Forschungsfragen mit den Symptomen als Endpunkt oder als Einflussfaktor beantworten und Langzeit-Trends hinsichtlich der Symptomatik und deren Therapie lassen sich untersuchen.
„Diese Auswertung des MS-Registers ermöglicht uns einen sehr guten Einblick in die Belastungen von Menschen mit Multipler Sklerose, die durch die MS-Symptome entstehen und wirft auch Fragen hinsichtlich der Behandlung und Therapie auf", hält DMSG-Bundesgeschäftsführer Herbert Temmes fest. „Wir müssen der Frage nachgehen, ob Menschen mit MS Behandlungen nicht angeboten werden, die möglich sind, oder ob diese abgelehnt werden – und gegebenenfalls die Gründe dafür in Erfahrung bringen."
Hintergrund:
Der DMSG-Bundesverband e.V., 1952/1953 als Zusammenschluss medizinischer Fachleute gegründet, vertritt die Belange Multiple Sklerose Erkrankter und organisiert deren sozialmedizinische Nachsorge.
Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft mit Bundesverband, 16 Landesverbänden und derzeit mehr als 750 örtlichen Kontaktgruppen ist eine starke Gemeinschaft von MS-Erkrankten, ihren Angehörigen, 4.186 engagierten ehrenamtlichen Helfern und 251 hauptberuflichen Mitarbeitern. Insgesamt hat die DMSG rund 42.000 Mitglieder.
Mit ihren umfangreichen Dienstleistungen und Angeboten ist sie heute Selbsthilfe- und Fachverband zugleich, aber auch die Interessenvertretung MS-Erkrankter in Deutschland. Schirmherr des DMSG-Bundesverbandes ist Christian Wulff, Bundespräsident a.D.
Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark), die zu Störungen der Bewegungen, der Sinnesempfindungen und auch zur Beeinträchtigung von Sinnesorganen führt. In Deutschland leiden nach Zahlen des Bundesversicherungsamtes mehr als 240.000 gesetzlich Versicherte Menschen an MS. Bundesweit kann daher von etwa 280.000 Menschen mit MS ausgegangen werden, weltweit etwa 2,8 Millionen. Trotz intensiver Forschungen ist die Ursache der Krankheit nicht genau bekannt.
MS ist keine Erbkrankheit, allerdings spielt offenbar eine genetische Veranlagung eine Rolle. Zudem wird angenommen, dass Infekte in Kindheit und früher Jugend für die spätere Krankheitsentwicklung bedeutsam sind. Welche anderen Faktoren zum Auftreten der MS beitragen, ist ungewiss. Die Krankheit kann jedoch heute im Frühstadium günstig beeinflusst werden.
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