Das Ausmaß des Aufschwungs in fast allen Anlageklassen im vergangenen Monat ist außergewöhnlich: +4,54 % für den US-amerikanischen Index für 7- bis 10-jährige Anleihen, der stärkste Anstieg seit August 2011; +6,85 % für den europäischen "Coco"-Schuldenindex, der stärkste Anstieg seit März 2016, wenn man April 2020 und die Erholung nach Corona ausklammert; +14,56 % für Immobilienaktien, wie seit März 2009 nicht mehr.
Der Hauptfaktor für diese enormen Anstiege in allen Anlageklassen ist der starke Rückgang der Zinssätze und die Anpassung der geldpolitischen Erwartungen. Seit Ende Oktober sind die Zinssenkungserwartungen in den USA für 2024 von 79 Basispunkten auf 137 Basispunkte gestiegen, d. h. fast drei zusätzliche Zinssenkungen. Das Gleiche gilt für Europa, wo die Zinssenkungserwartungen um 50 Basispunkte gestiegen sind. Diese Neubewertung ist eng mit dem Einbruch der Inflationserwartungen verbunden, die in den USA stärker als in der Eurozone von 20 Basispunkten auf 50 Basispunkte für 2024 gefallen sind.
Der Markt geht zunehmend davon aus, dass das Inflationsrisiko ein Problem der Vergangenheit ist und dass sich die Dinge innerhalb von 3-6 Monaten wieder normalisieren sollten. Angesichts der jüngsten Inflationszahlen für die Eurozone fällt es schwer zu widersprechen: Die Kerninflation ist in den letzten sechs Monaten sehr nah an das Ziel der EZB herangerückt, und es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die EZB ihre Haltung ändert. Die Zahlen für die Erzeugerpreise weisen in die gleiche Richtung. Die für den 14. Dezember angesetzte geldpolitische Sitzung dürfte die EZB daher dazu veranlassen, ihre makroökonomischen Prognosen für Ende 2023 und möglicherweise auch für 2024 deutlich zu revidieren. Wird dies für einen radikalen Kurswechsel ausreichen? Wahrscheinlich nicht, aber solange sich die Inflationsdynamik nicht drastisch ändert, wird das Thema in der Eurozone vertagt.
Andererseits scheint das Erreichen des Inflationsziels von 2 % in den USA eine größere Herausforderung zu sein, auch wenn der Markt kaum einen Unterschied zwischen den beiden Regionen macht. Der Dienstleistungssektor zeigt, dass die Inflation immer noch über dem Ziel der Fed liegt (auch in den letzten drei Monaten), die Inflationserwartungen des Michigan-Instituts sind in den letzten zwei Monaten gestiegen, und die Indikatoren des NFIB und JOLTS zeigen eine starke Belastbarkeit des Arbeitsmarkts. Dies deutet nicht auf eine rasche Rückkehr zum Inflationsziel von 2 % hin, sondern eher auf eine Inflation von 2,5 % bis 3 %, zumindest anfangs. Das Ausmaß und vor allem der Zeitpunkt der vom Markt erwarteten Zinssenkungen in den USA erscheinen uns daher ein wenig optimistisch.
Ein positives Szenario für alle Anleiheklassen
Die OPEC+-Mitglieder hatten ihrerseits Mühe, sich auf eine Kürzung der Ölproduktion um 2,2 Millionen Barrel pro Tag im ersten Quartal zu einigen. Ein erheblicher Teil dieser Kürzungen war bereits geplant (Saudi-Arabien und Russland), und die Einhaltung der Förderquoten scheint angesichts der Unstimmigkeiten innerhalb der Organisation potenziell fraglich zu sein. Dennoch dürfte dies den Markt zu Beginn des nächsten Jahres auf ein Angebotsdefizit lenken. Abgesehen von der negativen Marktreaktion nach der Ankündigung dürfte sich der Preis pro Barrel unserer Ansicht nach in den kommenden Monaten in etwa auf dem derzeitigen Niveau halten.
Die wirtschaftliche Lage hat sich nur geringfügig verändert. In der Eurozone liegt das Wachstumstempo immer noch bei 0, könnte sich aber Anfang 2024 leicht verbessern, sofern der Aufschwung bei den Frühindikatoren (ZEW, IFO, Sentix usw.) zum Tragen kommt. Die inzwischen über der Inflation liegenden Lohnsteigerungen dürften ebenfalls zu einer leichten Belebung des Verbrauchs beitragen. In den USA hat sich ebenfalls wenig geändert. Das Wachstumstempo im 3. Quartal (5,2 % auf das Jahr hochgerechnet) ist natürlich nicht nachhaltig, aber der Konsum bleibt solide und die Haushaltslage ist recht gut. Es gibt also wenig Grund, eine rasche Verschlechterung der Wirtschaftslage zu erwarten.
Der Markt geht nun davon aus, dass sich die Inflation wieder den Zielen der Zentralbanken annähert und die Konjunktur robust bleibt, ohne außergewöhnlich zu sein. Dieses Szenario ist positiv für alle festverzinslichen Anlageklassen und folglich auch für die Aktienmärkte. Dies dürfte insbesondere dazu führen, dass Sektoren, die von den Zinserhöhungen stark betroffen waren und deren Bewertungen in den letzten zwei Jahren stark gesunken sind, für die Anleger wieder attraktiver werden.
Versorger, Immobilien und mittelgroße Unternehmen gehören zu diesen Investments, die weiterhin von dem starken Rückgang des Inflationsrisikos profitieren könnten. Aus den bereits erwähnten Gründen sowie aufgrund der sehr umfangreichen bevorstehenden Emissionen in den USA, die das lange Ende der amerikanischen Zinsstrukturkurve unter Druck setzen könnten, ist uns dieses Szenario in Europa jedoch lieber als in den USA. Die kommenden Ankündigungen des Finanzministeriums zu den Beträgen und Arten der Emissionen werden genau beobachtet werden, vor allem angesichts der stark gelockerten Finanzbedingungen.
Ausblick auf Dezember und Januar
Die Bewegungen im November waren sehr aggressiv. Die Folgen des starken Rückgangs des Inflationsrisikos sollten jedoch nicht unterschätzt werden, insbesondere in der Eurozone. Einige stark in Mitleidenschaft gezogene Sektoren gewinnen wieder an Attraktivität und weisen historisch niedrige Bewertungen auf. Wir bevorzugen derzeit diese Sektoren.
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