›Silent Legacy‹ begann mit der Begegnung von Maud Le Pladec und der damals achtjährigen Adeline Kerry Cruz, die als Wunderkind des Tanzstils Krump gilt und für Ihre Fähigkeiten viel Aufmerksamkeit in sozialen Netzwerken erhielt. Das erste Treffen mit dem jungen Ausnahmetalent beschrieb die Choreographin als Schock: »Adelines Tanz faszinierte mich und warf gleichzeitig unendlich viele Fragen in mir auf.« Daraus entstand eine Arbeit, die ein Spannungsfeld entwirft, in dem der Körper zum Instrument für die Dekonstruktion von Normen und sozialen Regeln, für die Weitergabe des kulturellen Erbes, zu Dialog und Konfrontation wird.
Auf der Bühne verhandelt Adeline Kerry Cruz gemeinsam mit der an der renommierten belgischen P.A.R.T.S. Schule ausgebildeten Tänzerin Audrey Merilus die Frage, ob Tanz Generationen, Identitäten und Gemeinschaften überschreiten und verbinden kann.
In zwei getanzten Porträts spürt ›Silent Legacy‹ der Frage nach, auf welchem Weg das kulturelle Erbe des Krump wie auch des zeitgenössischen Tanzes in all seinen Facetten zu den beiden Darstellerinnen gelangt ist. Krump hat seine Wurzeln in afroamerikanischen Communities im Los Angeles der 2000er Jahre. Er konzentriert widerständige Kraft und raue Emotion und ist tief mit der schmerzvollen Erfahrung von Unterdrückung verbunden. Durch seine zunehmende Präsenz in Hip-Hop-Videos und Popkultur fand Krump seitdem seinen Weg in den Mainstream. Adeline Kerry Cruz wächst fernab von Unterdrückung und den »Schlachtfeldern« des Krump auf. Trotz ihres jungen Alters zeigt die Tänzerin, die von Krump-Legende Jr Maddripp ausgebildet wurde, all diese Erfahrungen des Tanzstils auf eine außergewöhnliche Weise und entführt das Publikum in unsichtbare Welten, die die Missstände der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufgreifen. Das Porträt von Audrey Merilus reflektiert Fragen von Herkunft entlang der Biografie der Tänzerin. Hinter den familiären und intimen Geschichten ihrer professionellen Tanzausbildung, aber auch in den künstlerischen Kollaborationen mit international renommierten Choreograph:innen wie Anne Teresa De Keersmaeker und Florentina Holzinger, greift sie Fragen nach Traditionen und Wurzeln des zeitgenössischen Tanzes auf. Was bedeutet es, Bewegung und Stile zu erlernen und sie in sich aufzunehmen? An welchem Punkt verschmelzen die eigene Identität und die des Tanzes miteinander?
Weit davon entfernt, neutral zu sein, lädt die Choreographin das Publikum zu einer visuellen und sinnlichen Begegnung mit den Ursprüngen »neuer Tänze« ein. Ihre von der ästhetischen Anmutung her grundverschiedenen Soli eröffnen den Raum für unzählige Fragen nach Traditionen und Wurzeln, nach Geschlecht, Unterdrückung und künstlerischer Selbstermächtigung.
Die beiden werden live von der bekannten französischen Elektro-DJ Chloé Thévenin begleitet, die einen eigens produzierten, minimalistisch-elektronischen Sound zu dieser schlichten, aber energetischen Konfrontation liefert.
Über Maud Le Pladec
Maud Le Pladec ist Tänzerin und Choreographin. Nach ihrem Studium am Nationalen Zentrum für Choreographie in Montpellier wirkte sie in Produktionen von Georges Appaix, Loïc Touzé, Mathilde Monnier, Mette Ingvartsen und Boris Charmatz mit.
Ihr Debüt als Choreographin feierte sie 2010 mit ›Professor‹, dem ersten Teil eines Diptychons über die Musik des Komponisten Fausto Romitelli. Für die Produktion wurde Le Pladec mit dem Preis ›Révélation Chorégraphique‹ der französischen Vereinigung der Theater-, Musik- und Tanzkritiker ausgezeichnet. 2012 folgte mit ›Poetry‹ der zweite Teil des Diptychons. Le Pladec erhielt 2013 das ›Hors les Murs‹-Stipendium des Institut français und forschte damit in New York zur amerikanischen post-minimalistischen Musik. Aus der Recherche gingen Stücke wie ›Democracy‹ mit dem Ensemble TaCtuS und ›Concrete‹ mit Ictus, einem Ensemble für zeitgenössische Musik, hervor. Ab 2015 stellte Le Pladec die Ermächtigung weiblicher Stimmen in das Zentrum eines neuen Werkzyklus: So entstand mit der New Yorker Choreographin und Performance-Künstlerin Okwui Okpokwasili ›Hunted‹.
Maud Le Pladec ist Associated Artist am Produktionshaus La Briqueterie – CDCN du Val de Marne. 2017 übernahm sie die Leitung des Nationalen Zentrum für Choreographie in Orleans und präsentierte Werke wie ›Borderline‹ mit Regisseur Guy Cassiers, ›Je n’ai jamais eu envie de disparaître‹ mit dem Autor Pierre Ducrozet sowie die Produktionen ›Moto-Cross‹ und ›Twenty-seven perspectives‹ für das Festival Montpellier Danse 2018. 2021 brachte sie ›Static shot‹ mit dem Nationalen Zentrum für Choreographie – Ballet de Lorraine heraus. Ihr ebenfalls 2021 erstmals präsentierte Arbeit ›counting stars with you (musiques femmes)‹ ist eine Kreation, die Le Pladec dem musikalischen Erbe von aus der Geschichte verdrängten Komponistinnen widmete.
Gefördert im Rahmen des Bündnisses internationaler Produktionshäuser, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
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