Die Dresdner Bürgermeisterin für Umwelt und Klima, Recht und Ordnung, Eva Jähnigen, erklärte während eines Pressetermins im Klärwerk Dresden-Kaditz am 19.10.2023: „Das Abwasserbeseitigungskonzept enthält auch Antworten auf die aktuellen globalen Fragen unserer Zeit. Wie lässt sich der Energiebedarf reduzieren? Wie können wir den Anteil regenerativer Energien bzw. der Eigenenergieerzeugung erhöhen? Wie lassen sich CO2-Emissionen reduzieren, wie entfernen wir Mikroschadstoffe aus dem Abwasser? Klima- und Umweltschutz spielen in der Abwasserbeseitigung eine große Rolle. Das ist mir besonders wichtig. Und: Trotz all dieser Maßnahmen werden wir die Abwassergebühren im Vergleich zu anderen Preissteigerungen sehr stabil halten können.“
Bis zu 600.000 Einwohner bis 2035
Ralf Strothteicher, Leiter des Eigenbetriebes Stadtentwässerung, ergänzt: „Jetzt geht es darum, das Abwassersystem für weitere Jahrzehnte zukunftssicher zu gestalten. Deshalb wurde mit ‚Dresden 600‘ ein Strategieprojekt entwickelt, um die Anlagen fit für die Zukunft zu machen. Mit diesem Projekt analysieren wir seit Jahren, wie unsere technische Infrastruktur ausgebaut werden muss, um dem Bevölkerungswachstum und dem Zuwachs der Industrie gerecht zu werden“. Der Name des Projekts ist von der Perspektive der Großstadt abgeleitet. Hatte Dresden 2010 noch 517.052 Einwohner, so waren es Anfang 2023 bereits 569.173. Die Bevölkerung könnte insbesondere durch die anstehenden Industrieansiedlungen auf bis zu 600.000 Einwohner im Jahr 2035 anwachsen.
240 Prozent mehr Abwasser in der Industrie
Vor allem wegen großer Industrieansiedlungen im Dresdner Norden zwischen Hellerau, Wilschdorf und Klotzsche sind die Abwassermengen in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Dieser Trend wird sich fortsetzen. 8,7 Millionen Kubikmeter leiten allein die Werke von Globalfoundries, Infineon, Bosch und X-Fab ins Dresdner Kanalnetz ein. Das entspricht 93 Prozent der Dresdner Industrie-Abwässer. Die Abwassermenge aus der Chipindustrie entspricht der von 250.000 Einwohnern. Mit der Erweiterung von Infineon an der Königsbrücker Straße und dem geplanten Werk des taiwanesischen Chipherstellers TSMC im Rähnitzer Gewerbegebiet wird die Abwassermenge aus der Industrie um bis zu 240 Prozent steigen. Zudem soll die Schmutzfracht im Abwasser um 80 Prozent zunehmen, beim Stickstoff sogar um 250 Prozent.
Verschärfte Anforderungen durch EU-Richtlinie
Ende 2022 wurde ein Entwurf der neuen europäischen Abwasserrichtlinie veröffentlicht. „Daraus ergeben sich verschärfte Anforderungen an die Abwasserbehandlung“, so Ralf Strothteicher. So sollen die Grenzwerte für Phosphor und Stickstoff weiter gesenkt werden. „Voraussichtlich müssen wir auch eine vierte Reinigungsstufe zur Behandlung von Mikroschadstoffen bauen“, verweist er auf eine weitere Konsequenz. Damit könnten Medikamente, Haushalts- und Industriechemikalien aus dem Abwasser entfernt werden. Sowohl die Kläranlage Kaditz als auch das Kanalnetz sollen so ausgebaut werden, dass das System nicht überlastet wird und das Abwasser sowie der zusätzliche Klärschlamm entsprechend der Vorgaben behandelt werden können.
Industriesammler für Halbleiterindustrie
Mit der neuen Infineon-Chipfabrik wäre das vorhandene Kanalnetz überlastet. Deshalb baut die Stadtentwässerung bis 2026 den Industriesammler Nord für die Abwässer der Mikroelektronik-Betriebe. Mit dem rund 70 Millionen Euro teuren Großprojekt sollen das rechtselbische Kanalnetz entlastet und die Möglichkeiten für die weitere industrielle Entwicklung geschaffen werden. Künftig wird das Abwasser direkt von den Gewerbegebieten zur Kläranlage geleitet. Damit entsteht neben dem Altstädter und dem Neustädter ein dritter großer Abfangkanal in Dresden.
Neue Becken und dritter Faulturm
Damit das zusätzliche Abwasser im Klärwerk Kaditz ordentlich behandelt werden kann, investiert die Stadtentwässerung zwischen 2024 und 2030 in weitere Anlagen. Strothteicher: „Das Herzstück des Klärwerks, die biologische Reinigung, soll ausgebaut werden. Die Belebungs- und Verteilerbecken fassen insgesamt 144.000 Kubikmeter. Geplant sind zwei weitere Belebungsbecken, die 32.000 Kubikmeter fassen“. Die vorhandenen sechs Nachklärbecken sollen durch zwei weitere ergänzt werden. Geplant ist außerdem, in der Schlammbehandlung einen dritten, 35 Meter hohen Faulturm zu errichten, der rund 10.500 Kubikmeter Schlamm fasst.
Neue Einlaufgruppe und 4. Reinigungsstufe
In einem weiteren Schritt sollen zwischen 2029 und 2036 Anlagen und Gebäude neu gebaut oder ersetzt werden. Am Zulauf zur Kaditzer Kläranlage kommt immer mehr Abwasser an. „Das ist das hydraulische Nadelöhr unserer Kläranlage“, sagt der Eigenbetriebsleiter. „Deshalb soll eine neue, leistungsfähigere Einlaufgruppe mit Sandfang, Rechen und Pumpwerk auf der früheren Vonovia-Fläche vor dem Klärwerk gebaut werden. Die hatte die Stadt 2019 für die der Erweiterung der Kläranlage erworben. Da dortige Grundstücke noch vermietet sind, kann der Bau nicht früher beginnen“, erklärt Strothteicher. Geplant ist zudem, auf der Fläche neben den Nachklärbecken die Anlagen der vierten Reinigungsstufe zu bauen.
Mehr Stauraum zum Gewässerschutz
Regnet es stark, wird derzeit Mischwasser in fünf Regenüberlaufbecken zurückgehalten. So läuft es nicht in die Elbe oder andere Gewässer über und belastet sie. Die beiden größten Regenüberlaufbecken im Klärwerk und neben der Waldschlößchenbrücke in Johannstadt fassen rund 36.000 Kubikmeter. Außerdem wird mit elf Steuerbauwerken das Speichervolumen des Kanalnetzes genutzt. In den Regenüberlaufbecken und im Kanal können derzeit rund 95.000 Kubikmeter Abwasser angestaut werden. „Geplant ist, zwischen 2032 und 2038 unter anderem neun Regenüberlaufbecken in Dresden zu errichten“, kündigt der Eigenbetriebsleiter an. Sie sollen ein Speichervolumen von 35.000 bis 40.000 Kubikmeter haben.
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