Lebererkrankungen gehören weltweit zu den großen gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit. Doch abseits der weit verbreiteten Lebererkrankungen wie Fettlebererkrankungen oder Virus-bedingten Leberentzündungen (Hepatitiden) gibt es eine Gruppe von Erkrankungen, die oft im Schatten stehen und dennoch das Leben der Betroffenen erheblich beeinflussen: die seltenen Lebererkrankungen. Wie viele seltene Erkrankungen sind auch die seltenen Lebererkrankungen meistens genetisch oder autoimmun bedingt und oft chronisch. Ihr Verlauf ist häufig fortschreitend und kann die Lebenserwartung senken.
Es gibt verschiedene seltene Erkrankungen, die zu einer Leberschädigung führen können. Unter dem Begriff autoimmune Lebererkrankungen wird eine Gruppe von Lebererkrankungen zusammengefasst, die sich im Krankheitsverlauf und in der Ausprägung unterscheiden, jedoch in einem wesentlichen Punkt eine Gemeinsamkeit haben: Das körpereigene Immunsystem ist fehlgesteuert. Körpereigene Strukturen werden als „körperfremd“ identifiziert und bekämpft. Diese Erkrankungen sind komplex, oft schwer zu diagnostizieren und stellen eine erhebliche Belastung für die Betroffenen dar.
„Zu den drei relevanten autoimmunen Lebererkrankungen gehören die Autoimmunhepatitis (AIH), die Primär Biliäre Cholangitis (PBC) und die Primär Sklerosierende Cholangitis (PSC). Die neuesten Entwicklungen in der Therapie und in der Diagnostik dieser seltenen Lebererkrankungen liefern vielversprechende Ergebnisse. Einige der bisher nicht behandelbaren seltenen Lebererkrankungen sind mit den neuen Therapie-Optionen gut zu kontrollieren. Für Betroffene ist es jedoch häufig sehr schwierig, rechtzeitig die richtige Diagnose und die für sie notwendigen und oft sehr individuellen Therapiemöglichkeiten zu bekommen“, erklärt Prof. Dr. Michael P. Manns, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Leberstiftung, und gibt eine Empfehlung für betroffene Patienten: „Es gibt spezialisierte Exzellenzzentren zur Diagnostik und Therapie von Kindern und Erwachsenen, die an einer seltenen Erkrankung leiden. Das in Hamburg koordinierte Europäische Referenznetzwerk für seltene Lebererkrankungen (ERN RARE-LIVER) hat sich das Ziel gesetzt, das Wissen und die Erfahrung ausgewiesener Hepatologie-Experten europaweit zu bündeln und allen Patienten und ihren behandelnden Ärzten zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich zur fachlichen Expertise gewährleisten zahlreiche unterschiedliche Patientenorganisationen, die dem Netzwerk angeschlossen sind, dass auch die Berücksichtigung der Patienteninteressen im Fokus steht.“
Die aufgeführten genetischen und autoimmunen Lebererkrankungen sind aktuell nicht heilbar, doch mit den neuen Therapien immer besser kontrollierbar. Zudem gehen Experten davon aus, dass das transplantationsfreie Überleben verlängert werden kann. Doch die Symptome sind vielfältig und unspezifisch, was zu Verzögerungen bei der Diagnose führen kann. Dies hat zur Folge, dass viele Patienten bereits in einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung sind, wenn sie Hilfe suchen. Hier die drei Krankheitsbilder im Überblick:
Autoimmune Hepatitis
Die Autoimmune Hepatitis (AIH) ist eine chronische Hepatitis, die durch eine immunologische Reaktion ausgelöst wird: Die eigenen Leberzellen werden vom Immunsystem als „körperfremd“ identifiziert. Die Symptome dieser seltenen Lebererkrankung, die in jedem Alter auftreten kann, sind so unspezifisch wie bei anderen Leberentzündungen. Betroffene können unter Beschwerden wie Müdigkeit, Bauchschmerzen oder Juckreiz leiden – bei einem Teil der Patienten verläuft die Erkrankung zunächst beschwerdefrei. Frauen erkranken wesentlich häufiger als Männer. Unbehandelt führt die Erkrankung schnell zu einer Zirrhose oder es kann ein akutes Leberversagen auftreten. Immunsuppressive Medikamente können die AIH unterdrücken und eine weitgehend normale Lebenserwartung ermöglichen.
Primär Biliäre Cholangitis – Gallenwegsentzündung
Primär Biliäre Cholangitis (PBC) ist eine entzündliche Erkrankung, die die kleinen Gallengänge in der Leber betrifft. Unbehandelt kann die Krankheit zu einer Zirrhose führen. Die Krankheit tritt häufig, aber nicht immer bei Frauen mittleren Alters auf und 90 Prozent der Betroffenen sind weiblich. Symptome wie Fatigue und Juckreiz sind häufig und können unabhängig vom Stadium der Leberschädigung auftreten. Heute verfügbare Medikamente können die Leberschädigung verlangsamen und mitunter zum Stillstand bringen. In aktuellen Forschungsstudien werden neue Medikamenten evaluiert, die wirksam bleiben, selbst wenn die derzeitigen Medikamente keine Effekte mehr zeigen.
Primär Sklerosierende Cholangitis – Gallenwegs- und Darmentzündung
Die Primär Sklerosierende Cholangitis (PSC) ist eine Entzündung der Gallenwege, die häufig zusammen mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung vorkommt. Primär Sklerosierende Cholangitis geht häufig in eine Leberzirrhose über, zudem besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Cholangiokarzinoms. Bislang gibt es noch keine zugelassene medikamentöse Therapie der PSC und die Betreuung beschränkt sich darauf, Komplikationen wie z.B. bakterielle Entzündungen oder verengte Gallenwege zu behandeln und Betroffene rechtzeitig für eine Lebertransplantation zu listen. Patienten mit dieser entzündlichen Erkrankung ist besonders zu empfehlen, regelmäßig an Krebsfrüherkennungsprogrammen teilzunehmen. An besseren Therapiemöglichkeiten wird geforscht.
Neben den autoimmunen Lebererkrankungen gibt es eine Reihe weiterer seltener Lebererkrankungen, bei denen z.T. bereits wirksame Therapien zur Verfügung stehen. So gibt es Enzym-Ersatztherapien für angeborene Stoffwechselerkrankungen wie LAL-D und Morbus Gaucher und IBAT-Hemmer für cholestatische Erkrankungen wie PFIC und das Alagille-Syndrom. Doch Betroffene können von diesen Therapien nur dann profitieren, wenn ihre Erkrankung diagnostiziert wird. Deswegen ist es wichtig, bei unspezifischen Beschwerden die Leberwerte zu kontrollieren und seltene Lebererkrankungen als Ursache in Betracht zu ziehen. Viele seltene Lebererkrankungen sind inzwischen behandelbar. Mit dem Motto des diesjährigen Lebertages: „Kennen Sie Ihre Leberwerte?“ richten sich dieAusrichter nicht nur an die breite Bevölkerung. Auch die ersten Ansprechpartner bei neu auftretenden Gesundheitsproblemen, in der Regel also Haus- und Kinderärzte, müssen noch mehr für autoimmune und andere seltene Lebererkrankungen sensibilisiert werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass Verdachtsfälle frühzeitig an Fachleute oder ein Zentrum überwiesen werden.
Mehr Informationen zum 24. Deutschen Lebertag und alle bislang im Rahmen des diesjährigen Deutschen Lebertages veröffentlichten Presseinformationen finden Sie unter: www.lebertag.org.
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