Nach dem Wohnungsgipfel mit Bundeskanzler Scholz fordern mehrere im Bausektor tätige Organisationen ein Krisengespräch auch für Baden-Württemberg. „Alles, was das Land selbst zum Ankurbeln der Baukonjunktur tun kann, muss es jetzt schleunigst auf den Weg bringen. Und alles, was der Bund angekündigt hat, muss das Land von ihm einfordern“, so die Verbände-Allianz aus Handwerk BW, Architektenkammer, Bauwirtschaft sowie den Vertretern der baufinanzierenden Banken, Sparkassen- und Genossenschaftsverband. Die Landesregierung solle ihre Aktivitäten bündeln.
Vorgeschlagen wird ein „Krisengespräch Bau“ mit Ministerpräsident Kretschmann und Bauministerin Razavi. Ziel des Vorstoßes ist, einen wirksamen, praxistauglichen und teilweise erweiterten Forderungskatalog auf Bundesebene in die nächste Ministerpräsidentenkonferenz zu tragen. Der Bedarf an Wohnraum sei ungebrochen hoch, aber kaum noch finanzierbar, argumentiert das Bündnis. Dies bedrohe den sozialen Frieden. Die Baugenehmigungen brachen zuletzt um über 30 Prozent ein aufgrund massiv gestiegener Zinsen in Folge der verfehlten Niedrigzinspolitik der EZB bei gleichzeitig drastisch gekürzter Neubauförderung (von 10 auf 2 Mrd. Euro) sowie staatlich verordneter Verschärfung der energetischen Standards. „An allen Stellschrauben wurde Richtung ‚teurer‘ gedreht“, klagen die Verbände.
Insbesondere bei privaten Bauherren gingen die Genehmigungen drastisch zurück. Dies verschärft die Wohnungsnot weiter. Schon im vergangenen Jahr entstanden 15.000 weniger Wohnungen in Baden-Württemberg als benötigt. Insgesamt fehlen im Land neun Millionen Quadratmeter Wohnraum.
Die schwächelnde Baukonjunktur stelle längst nicht nur ein Problem für Bauunternehmen, Bauträger und Planungsbüros dar, sondern für weitere Teile der Wirtschaft. „Die nachgelagerten Ausbaugewerke im Handwerk sehen schon mit Sorge ins nächste Jahr, Industriezulieferer vom Stahlerzeuger über Werkzeugproduzenten bis hin zu Heizungsherstellern planen bereits mit Minusumsätzen“, so Handwerk BW-Präsident Rainer Reichhold.
„Der Bau ist die Konjunkturlokomotive. Wenn die stottert, fährt der ganze Wirtschafts-Zug langsamer. Eine solche Rezession trifft alle, und am Ende sinken Steuereinnahmen“, ergänzt Markus Böll, Präsident der Bauwirtschaft.
Und Architektenkammer-Präsident Markus Müller betont: „Nur wenn wir weiter bauen und sanieren, können wir uns überhaupt über Nachhaltigkeit oder Bezahlbarkeit unterhalten. Daher ist die Stützung der Baukonjunktur eine kluge Prophylaxe für den ganzen Standort Baden-Württemberg.“
Peter Schneider, Sparkassenpräsident, und Dr. Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands, unterstrichen: „Was am Bau jetzt benötigt wird, sind weniger Auflagen und bessere Förderkonditionen, so beispielsweise höhere Einkommensgrenzen für die Fördermittel, Sonderkreditprogramme und für die energetischen Maßnahmen Zuschüsse statt nur Darlehen. Auch die Mittel im sozialen Wohnungsbau reichen – trotz Aufstockung in Baden-Württemberg – noch längst nicht aus, um den Bedarf zu decken.“
Die angekündigten Pläne gingen in die richtige Richtung: so die Pausierung beim EH 40-Standard bessere Abschreibungsmöglichkeiten oder die Vorschläge von Landesministerin Razavi zur Entschlackung der Landesbauordnung (kein Widerspruchsverfahren mehr, keine verpflichtenden Park- und Spielplätze). Ob aber der gestern angekündigte 14-Punkte-Plan der Ampel auch umgesetzt würde, sei noch nicht sicher.
„Über die genannten Beschlüsse und Vorschläge hinaus sind aber weitere umfassende Maßnahmen erforderlich, um den Abwärtstrend im Wohnungsbau zu stoppen“, so die Verbandsvertreter Böll, Glaser, Müller, Reichhold und Schneider.
Dazu gehörten eine deutliche Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus sowie der KfW-Förderprogramme für den Neubaubereich. Bei der Grunderwerbsteuer müsse das Land jetzt aktiv werden und diese Steuer für Selbstnutzer deutlich senken oder mindestens eine vergleichbare Förderung anbieten. Nicht zuletzt die Digitalisierung der Baubehörden müsse nun oberste Priorität haben und nicht nur vom Land beschlossen, sondern von den Kommunen umgehend realisiert werden.
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