„Mit dem Vorgehen gegen Kloop will Präsident Sadyr Dschaparow Kirgistans einflussreichstes Investigativmedium zerschlagen“, sagt Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. „Die Schließung wäre ein weiterer dramatischer Rückschlag für die Pressefreiheit in dem Land, das bis zu Dschaparows Machtantritt als demokratische Ausnahme in Zentralasien galt. Die Klage muss zurückgenommen werden!“
Kloop weist die Anschuldigungen als unbegründet zurück. Das Vorgehen gegen die Redaktion sei politisch motiviert. Mit der Klage reagiere die Staatsanwaltschaft auf eine Recherche von Kloop zu Günstlingswirtschaft beim Bau einer Fußballakademie des spanischen Fußballvereins FC Barcelona in Kirgistan. Dem Artikel zufolge sollen sich Verwandte von Präsident Sadyr Dschaparow und Söhne des Geheimdienstchefs Kamtschybek Taschijew Aufträge für das lukrative Bauvorhaben verschafft haben. Auch ein russischer Geschäftsmann mit guten Kontakten zum russischen Atomenergiekonzern Rosatom sei in das Vorhaben eingebunden. Nach dem Erscheinen des Artikels am 22. August reichte die Staatsanwaltschaft am selben Tag Klage ein. Medien wie Kloop würden Kirgistan nur Schaden und keinen Nutzen bringen, schimpfte Präsident Dschaparow wenige Tage später in einem Interview.
Ein näherer Blick in die Begründung der Anklage bestätigt die Vermutung von Kloop. Der angebliche Verstoß gegen die Satzung des Mediums spielt dort nur eine untergeordnete Rolle. Stattdessen konzentriert sich das Schreiben auf angebliche Schäden, welche durch Kloops kritische Berichterstattung drohten. So ziele das Medium auf die Diskreditierung von Regierung und Behörden. Kloop manipuliere die öffentliche Meinung und stachele zu Hass auf. Die Klage zitiert aus mehreren Gutachten zur Arbeit des Mediums, welche die Behörden offenbar zwischen den Jahren 2021 und 2023 in Auftrag gaben. Diesen zufolge riefen Kloops Texte bei Lesenden Angst, Besorgnis, Hoffnungslosigkeit und Depressionen hervor. Die Publikationen führten außerdem zu psychischen Störungen, Aggressionen, kriminellem Verhalten, sexuellen Anomalien, Süchten und Selbstmordgedanken, wird in den Untersuchungen behauptet. Zudem verhöhne Kloop in seinen Publikationen Russen und stelle die Beziehungen zu Moskaun einem negativen Licht dar.
Die Klage gegen Kloop ist Teil einer besorgniserregenden Entwicklung: Seit dem Amtsantritt des populistischen Präsidenten Sadyr Dschaparow im Januar 2021 verschlechtert sich die Lage der Pressefreiheit in Kirgistan immer weiter. In dem zentralasiatischen Land, das in der Region lange als demokratische Ausnahme mit vergleichsweise vielfältiger Medienlandschaft galt, stehen kritische Journalistinnen und Journalisten zunehmend unter Druck, werden unabhängige Medien gegängelt und der Raum für öffentliche Kritik immer mehr eingeschränkt.
So ließ die Regierung beispielsweise im Oktober 2022 die Internetseite von Radio Azattyk (Kirgisisch für Freiheit) sperren, dem kirgisischen Dienst des US-finanzierten Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL). Am 23. Januar 2023 beantragte das kirgisische Kulturministerium die Schließung des Mediums. Der Konflikt endete im Juli 2023 mit einem Vergleich vor Gericht: Der Sender löschte einen von der Regierung kritisierten Beitrag über Kämpfe an der tadschikischen Grenze 2022 und durfte im Gegenzug die Arbeit wieder aufnehmen.
Im November 2022 schob Kirgistan den Investigativjournalisten Bolot Temirow nach Russland ab. Zuvor hatte der Medienschaffende mehrere Videoreportagen über illegale Geschäfte des kirgisischen Geheimdienstchefs Kamtschybek Taschijews veröffentlicht, der als enger Vertrauter von Präsident Sadyr Dschaparow gilt.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt Kirgistan aktuell Rang 122 von 180 Ländern. Das entspricht einem Abstieg von 50 Plätzen im Vergleich zum Vorjahr.
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