Seele auf Papier – Handschrift darf nicht aussterben

Die schwungvolle Schrift der Künstlerin Jeannine Platz macht vor nichts Halt. Sie zaubert Worte nicht nur auf handgeschöpfte Papiere und auf Leinwand, sondern auch veganes Leder, Seide, Metall, selbst Sportwagen, einen kostbaren Flügel und Menschen verwandelt sie mit ihrer Feder in Kunstwerke, mal flüchtig, mal für die Ewigkeit. Brands wie Montblanc und Chanel vertrauen auf die betörende Schönheit ihres Handgeschriebenen. Erstmals inszeniert Jeannine Platz in einer Ausstellungsserie ihre Liebe zur skripturalen Kunst – WORDS IN MOTION heißt ihre Hommage an die Handschrift. Jedes Werk ein Unikat, von Ornament bis zum Buchstaben, von purer Feinheit bis zum kräftigen Strich, von einzelnen Wörtern bis zu Poesie, so wird das Lesen zu einem fesselnden Erlebnis.

Die Kunst des Schreibens blickt auf eine rund 7.500-jährige Geschichte zurück und ist in nahezu allen Kulturkreisen seit den Mayas und Sumerern zu finden. Mit der Erfindung des Papyrus entwickeln sich neue Alltagsschriften und die Kunst der Kalligraphie hielt Einzug in die westliche, hebräische, japanische, chinesische und arabische Welt. Doch die Handschrift ist ebenso vom Aussterben bedroht wie die einstmals blühenden Zivilisationen früherer Jahrtausende. Mit weitreichenden Folgen für unsere Gesellschaften wie Untersuchungen zeigen und Jeannine Platz bedauert. „Dieses wichtige Kulturgut darf niemals abhandenkommen, dafür setze ich mich mit meinem Tun ein und widme meine neueste Ausstellungsserie, die im Sommer ihren Auftakt in der Hamburger Barlach Halle K. nimmt, diesem Herzensthema.“

Doch was unterscheidet das von Hand geschriebene Wort vom digitalen Schreiben? Handgeschriebenes spiegelt die Persönlichkeit des Schreibenden und drückt Wertschätzung aus. Darüber hinaus regt sie unser Gehirn über die Sensorik an. Schreiben ist ein sehr komplexer Vorgang, bei dem zwölf Hirnareale aktiv sind, mehr als 30 Muskeln und 17 Gelenke zusammenwirken, die von den Schreibenden mit zunehmender Fertigkeit unbewusst koordiniert werden. Wenn wir charakteristische Buchstabenformen schreiben, verarbeiten wir die damit verbundenen Bewegungsabläufe im Gehirn, beim Tippen handelt es sich dagegen immer um die gleiche Bewegung, egal welchen Buchstaben wir ansteuern. So fließen Wissen und Informationen über die Hand in unseren Verstand, Emotionen und Kreativität aus ihr heraus.

Wenn Jeannine Platz ihre Kalligraphie-Kunstwerke schafft, gerät sie in einen Flow-Zustand: „Die Worte sind in Bewegung und nehmen mich mit, fließen aus meinem Kopf durch mein Herz und in meine Hand. Es ist ein regelrecht magischer Schaffensprozess.“ Die Kalligraphie bildet einen fließenden Übergang zu ihrer Malerei, die sie virtuos mit ihren bloßen Händen als Pinsel erschafft. Ihre Sujets verbinden sich zu Kunstkonzepten wie bei The Sound of Ice, für die sie auf Containerschiffen und auf Eisschollen am Nordpol und in der Antarktis war, Suite Views führte sie für jeweils 24 Stunden in die spektakulärsten Hotels der Welt, ihr neuestes Projekt verfolgt sie ein Jahr lang zum Vollmond auf der Insel Rügen. Und immer führt die Kunst sie auf die Spuren der Kalligraphie, die sie seit Kindheitstagen fasziniert.

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