Die Performance ›A Day is a Hundred Years‹ macht in einem Bruch mit gängigen Theater-Dramaturgien das Bühnenbild zum Hauptakteur und stellt dabei die Sehgewohnheiten des Publikums spielerisch auf die Probe. Mit seiner Drehbühne erinnert das Szenenbild von Jozef Wouters an ein Planetarium. Barry Ahmad Talib, gleichzeitig Protagonist der Performance und Bühnenbild-Maschinist, entwirft dabei ein Theatererlebnis, welches die gewohnte Zentralperspektive durch eine Vielzahl an Blickrichtungen ersetzt und das Bühnenbild selbst den Blick auf uns zurückwirft. Diese Bühne ist Spielfeld, Handelnde und Kulisse zugleich. Sie gestattet den Zusehenden somit immer wieder wechselnde Formen der Wahrnehmung, während die Grenzen wer schaut und wer agiert, bei diesem Erlebnis in einem Getriebe der Abläufe verschwimmen. Auch inhaltlich ist Wouters Werk viel mehr als die Summe seiner Teile, denn die Performance erzählt in ihren Tiefen auch die Geschichte eines Werkortes und Kulturzentrums in Brüssel, dem »Decoratelier«, welcher in der realen Welt durch Stadtentwicklung und Gentrifizierung bedrängt wird und in seiner Bühnenverortung dabei zum transformativen Imaginationsraum wird. Das Bühnenbild manifestiert die Vorstellungswelten der mit dem Atelier verbundenen Menschen und webt ein komplexes szenographisches Gefüge, welches Themen und Erfahrungen aus dem Atelier aufwirft, erzählt und maschinell übersetzt.
Seit 2019 arbeitet der belgische Bühnenbildner und Theatermacher Jozef Wouters, der als Artist in Residence bei Damaged Goods viele Produktionen der bekannten amerikanischen Choreographin Meg Stuart prägte, in seiner Werkstatt »Decoratelier«. Wouters teilt diese Wirkungsstätte mit Barry Ahmad Talib, einem Künstler aus Guinea. Die beiden finden in den langen und dunklen Wintermonaten zu einer neuen und ihnen eigenen konzentrierten Zusammenarbeit und fertigen Tausende Blätter aus Stoff für eine Baum-Installationen Talib´s an. In der besonderen Stille der Nacht finden die beiden einen Arbeitsrhythmus, in dem sie sich Geschichten erzählen über ihre beidseitige Schlaflosigkeit, ihre Ängste um den für sie und andere Kunstschaffende so essentiellen Werk- und Seinsort, dem Decoratelier und auch zum stofflichen Spiel aus Licht und Schatten. Die gemeinsame Unruhe und der Wunsch, innere Vorstellungswelten auf eine neue Art zu manifestieren, darzustellen und neu erlebbar zu machen, treibt sie dabei an. Damit weben sie das inhaltliche Material für das Werk, welches im Verlauf entstehen soll und bei PACT zur Deutschlandpremiere gebracht wird: ›A Day is a Hundred Years‹. Eine Kompliz:innenschaft aus Techniker:innen, Musiker:innen, Performer:innen und Dichter:innen unterstützt sie dabei und so entsteht ein kollaboratives und inhaltlich sehr sensibles, gar persönliches Werk in der Zwischenwelt zwischen Tag und Nacht, wechselnder Zeitlichkeit und dem Spiel zwischen Sichtbarkeit und dem Nicht-Dargestellten. Für Wouters heißt Arbeit im Atelier vor allem Zusammenarbeit und so wurde sein Werkraum im Laufe der Jahre immer mehr zu einem Zentrum für künstlerischen Austausch und Kollaboration. Diese Welt mitsamt seines ureigenen Storytellings bringen Wouters und sein Team bei PACT mit ›A Day is a Hundred Years‹ so nahe wie möglich an das Publikum heran. Magali Degrande von der flämischen Tageszeitung ›Het Nieuwsblad‹ beschreibt die Performance als ein »fast schon meditatives Bühnenerlebnis«, während Mia Vaerman von ›Pzazz‹ in ihrer aktuellen Rezension der Uraufführung in Antwerpen anmerkt: »Irgendwie gelingt es Jozef Wouters immer wieder, Erwartungen an seine Kunst auf den Kopf zu stellen, während er die Theatermaschine bewegt. Das Bühnenbild wird dabei zum Protagonisten, Techniker:innen bewegen sich über die gesamte Bühne und was die Zusehenden für gemeinhin gesetzt betrachten, wird immer wieder neu in Frage gestellt.«
Gefördert im Rahmen des Bündnisses internationaler Produktionshäuser von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Produziert durch Damaged Goods in einer Koproduktion mit den Wiener Festwochen, dem Toneelhuis in Antwerpen und PACT Zollverein. Mit Unterstützung der flämischen Regierung, der flämischen Gemeinschaftskommission und der belgischen Bundesregierung.
Der Vorverkauf für die Veranstaltungen hat begonnen – Tickets und Gutscheine sind über tickets.pact-zollverein.de erhältlich.
Über Jozef Wouters
Jozef Wouters, geboren 1986, ist ein Bühnenbildner und Theatermacher aus Brüssel. Ausgehend von seiner Werkstatt »Decoratelier« in Brüssel arbeitet er an verschiedenen Projekten und in unterschiedlichen künstlerischen Kollaborationen. 2019 wurden Wouters und Co-Gründer Menno Vandevelde für ihre Arbeit mit dem Flämischen Kulturpreis Ultima in der Kategorie Performing Arts ausgezeichnet. Wouters’ Arbeit steht oft in Beziehung mit einem spezifischen Ort und initiiert einen Dialog zwischen strategischen Räumen, sozialen Prozessen und der Vorstellungskraft. 2020 wurde sein Buch ›Moments before the wind‹ veröffentlicht, eine heterogene Sammlung von Notizen und Reflexionen zu Raum, Szenografie, dem künstlerischen Schaffen und institutioneller Kritik, editiert von Jeroen Peeters. Seit 2017 ist er Artist in Residence bei Meg Stuart/Damaged Goods. 2021 war Jozef Wouters Teil der Veranstaltungsreihe ›MITTEN‹ der Wiener Festwochen, letztes Jahr präsentierte er seine Produktion ›INFINI 1-18‹.
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