In den vergangenen Jahren ist unser Bewusstsein für umweltbelastende Abfälle und Emissionen sowie für Ressourcenverbrauch und Energieeinsatz deutlich gestiegen. „Jedes Produkt kann in Beziehung zu den Umweltauswirkungen gesetzt werden, die durch seine Produktion, seine Nutzung und seine Entsorgung entstehen. Das gilt übrigens auch für Dienstleistungen“, erklärt Prof. Dr. rer. nat. Jörg Sebastian, Professor an der Hochschule Kaiserslautern.
Diese Umweltauswirkungen werden häufig mit dem sogenannten „CO2-Fußabdruck“ angegeben. Je höher der Fußabdruck, desto größer die negativen Effekte auf unsere Umwelt. Um den Fußabdruck zuverlässig bestimmen zu können, wurde die Methode der Ökobilanz-Studie entwickelt. Ihr Aufbau ist in DIN-Normen geregelt. Der international gebräuchliche Begriff des Life Cycle Assessment (kurz: LCA) hat sich in Deutschland inzwischen ebenfalls etabliert. „Eine vollständige LCA geht jedoch über die reine Bestimmung des CO2-Fußabdrucks hinaus. Mit ihr kann man vor allem Möglichkeiten der CO2-Einsparung aufzeigen und verschieden Szenarien vergleichen“, erläutert Sebastian. Aus diesem Grund ist die LCA für die Forschung an der Hochschule Kaiserslautern so interessant. Prof. PhD Sergiy Grishchuk erklärt: „Das Interesse an Chemie mit bio-basierten Ausgangsstoffen verbunden mit einer deutlichen CO2-Reduktion ist in den vergangenen Jahren sehr stark gestiegen. Deshalb haben Kollegen und ich auch das In-Institut für Biobasierte Chemie an der Hochschule gegründet, in dem unser Fokus auf biobasierten, leistungsfähigen Spezialkunststoffen liegt.“ Dabei nutzt das Team die Methodik der LCA, um die Reduktion der Umweltauswirkungen nachzuweisen. „Unsere Projekte haben alle den Anspruch auf Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung. „Wir müssen künftigen Herausforderungen heute begegnen, um sie in Zukunft meistern zu können“, sagt Grishchuk.
Ein Beispiel für diesen Anspruch ist das von der Europäischen Union mit insgesamt 14,6 Millionen Euro geförderte Projekt BIOMAT. Die Hochschule Kaiserslautern ist einer der internationalen Partner und produziert Schäume aus Polyurethan, die häufig in Möbeln und Matratzen eingesetzt werden. „Unsere Schäume sind inzwischen zu über 70 Prozent aus biobasierten Materialien und liefern dennoch relevante Eigenschaften für ihre Anwendung. Uns sind keine anderen Produkte mit ähnlich hohem biobasierten Anteil bekannt“, sagt Philipp Haag, Doktorand im Projekt. Der aktuelle Stand des nun seit zwei Jahren laufenden Projekts ist also jetzt schon einzigartig.
Ein weiteres Beispiel für den Nachhaltigkeitsanspruch des Chemie-Teams ist das EU-Projekt Waste2BioComp, das mit 5,9 Millionen Euro gefördert wird. Obwohl in dem Projekt 13 internationale Partner aktiv sind, liegt der Anteil der Hochschule an der Fördersumme alleine bei knapp 1 Million Euro. Im Projekt Waste2BioComp werden Polyester, darunter Polyhydroxyalkanoate (kurz: PHA), entwickelt und genutzt, um gemeinsam mit Industriepartnern Polymerschäume für die medizinische Fußversorgung, Verpackungsmaterialien und Fasern für medizinische Masken oder andere Textilien herzustellen – natürlich alles biobasiert. „Das Thema innovative Schuhmaterialien ist mit dem Hochschulstandort Pirmasens natürlich eng verknüpft. Waste2BioComp eröffnet die Möglichkeit, biobasierte und biologisch abbaubare PHA zu maßgeschneiderten Werkstoffen für innovative Anwendung wie die medizinische Fußversorgung zu entwickeln“, erklärt Prof. Dr. Gregor Grun, der das Projekt an der HSKL leitet.
Die Hochschule Kaiserslautern macht die vollständigen LCA für das Projekt Waste2BioComp, mit denen die neuen Herstellungsprozesse nach und nach zur umweltschonenden Alternative für die gängige Produktion entwickelt werden. „Trotz der kurzen Laufzeit von weniger als einem Jahr konnten wir beim Einsatz des PHA bereits einige Erfolge erzielen und stehen kurz vor unserer ersten wissenschaftlichen Veröffentlichung zu dem Thema“, sagt Wael Almustafa, der in dem Projekt promoviert. Im Projekt modifiziert er unter anderem einige biobasierte PHA, um ihre Kristallinität zu reduzieren. Denn je höher die Kristallinität, desto spröder ist das Material oft und desto schwerer ist dann seine Verarbeitung.
Das jüngste Forschungsprojekt, das das Chemie-Team auf der Hannover Messe vorstellt, ist r-LightBioCom. Das Projekt ist Anfang des Jahres gestartet und wird mit knapp 5 Millionen Euro, ebenfalls von der EU, gefördert. Ziel des Projektes ist es, mit Hochleistungsverbundwerkstoffen den Leichtbau in der Automobil-, Flug- und Bauindustrie nachhaltig, biobasiert und recycelbar zu gestalten. Doktorandin Laura Riehm erläutert: „Wir müssen die Anwendung für die Industrie interessant machen, um Erfolge zu sehen. Neben der Nachhaltigkeit und der Ressourcenschonung ist auch das bei Forschungsprojekten immer unser erklärtes Ziel.“
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