„Verheerende Folgen für Fernstraßen“ befürchtet
Im Dezember 2021 wurde das Dilemma der deutschen Brückenlandschaft besonders augenfällig: Die über 400 Meter lange Rahmedetalbrücke im Zuge der Autobahn A45 musste von einem Tag auf den anderen komplett gesperrt werden. Seit nunmehr eineinhalb Jahren schon quälen sich Autound LKW-Schlangen über die Umleitungsstrecken im Raum Lüdenscheid. „Das ist eine Katastrophe nicht nur für die Anwohner, sondern genauso für die Wirtschaft, die auf einen reibungslosen Warenverkehr angewiesen ist“, urteilt BVMB-Hauptgeschäftsführer Michael Gilka. Er befürchtet, dass das kein Einzelfall bleibt: „Wir haben aktuell in Deutschland rund 10.000 Brücken, die dringend zu sanieren oder zu ersetzen sind. Wir können es uns nicht leisten zu bummeln“, unterstreicht er. Die Bauwirtschaft treffe die Entwicklung ebenso: „Unsere Baufirmen haben im Vertrauen auf die angekündigten Brückenprojekte Kapazitäten aufgebaut – und die werden jetzt nicht ausreichend abgerufen“, klagt Gilka.
Als „kurzsichtige Politik und Bärendienst“ für das deutsche Fernstraßennetz bezeichnet Gilka die aktuelle Entscheidung der Ampelkoalition, Teile der Einnahmen aus der LKW-Maut – konkret geht es um den CO2-Zuschlag ab 2024 – vom Straßenbau abzuziehen und stattdessen in den Bereich Schiene zu verlagern. „Hier wird ein maroder Verkehrsträger gegen den anderen ausgespielt. Das schadet der Mobilität in Deutschland, die Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung in unserem Land ist!“, kritisiert Gilka. „Wenn die Politik das durchzieht, wird das verheerende Folgen für unsere Fernstraßen haben“, prophezeit der Baufachmann.
Ohne ausreichende Finanzmittel durch den Bund um die stark gestiegenen Baukosten auszugleichen seien der Autobahn GmbH „faktisch die Hände gebunden“. Für den Güterverkehr wäre jede Brückensperrung „ein Drama“, weil die Schiene noch nicht leistungsfähig genug ist. „Auch die Schiene hat die Politik in den vergangenen Jahrzehnten kaputtgespart und steht jetzt vor einem Scherbenhaufen. Den gleichen Fehler zweimal zu machen, nun aber bei der Straßeninfrastruktur, ist vollkommen talentfrei“, schimpft der Verbandschef.
Zu langsame Planungen und zu langwierige Genehmigungsverfahren
Ein weiterer Bremskeil für die dringend erforderliche Frischzellenkur für die deutschen Straßenbrücken sind nach Überzeugung der BVMB weiterhin zu langsame Planungen und zu langwierige Genehmigungsverfahren. „Die Bauverwaltungen sind chronisch unterbesetzt und brauchen dringend Verstärkung“, fordert BVMB-Hauptgeschäftsführer Gilka. „Allein der Autobahn GmbH fehlen nach unseren Informationen bis zu 1000 Ingenieure.“ Ihm ist nach seinen Worten allerdings bewusst, dass sich auch die öffentliche Hand wegen des allgemeinen Fachkräftemangels schwertut, qualifiziertes Personal zu finden. Zudem hadert die BVMB mit den immer noch viel zu schwerfälligen Genehmigungsverfahren:
„Wenn endlich mal eine Planung fertig ist, dauert es bisweilen mehrere Jahre bis die erste Schalung aufgestellt wird, obwohl die neue Brücke praktisch an der gleichen Stelle steht wie die alte Brücke – das kann nicht sein!“, bemängelt Gilka. Für Bundesfernstraßen ist im Genehmigungsbeschleunigungsgesetz Verkehr u. a. vorgesehen, dass existierende marode Brücken deutlich schneller und einfacher saniert bzw. ersetzt werden können als bisher. „Es bleibt abzuwarten bis wann dieses Gesetzesvorhaben aus dem Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung der Ampelkoalition vom März dieses Jahres umgesetzt ist und dann in der Praxis zieht. Wir dürfen mit Blick auf die desolate Brückensituation in Deutschland keine Zeit mehr verlieren,“ mahnt der BVMB-Chef.
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