Rechtsgutachten: Bundesregierung bricht Klimaschutzgesetz – Kanzler Scholz ist verpflichtet zu handeln

Vor Veröffentlichung der neuen Emissionsdaten am Mittwoch: Gutachten sieht Rechtsbruch der Regierung als Ganzes, weil sie nicht bis Ende 2022 ein Sofortprogramm beschlossen hat, um vorangegangene Versäumnisse in den Sektoren Verkehr und Gebäude zu korrigieren

Die Bundesregierung als Ganzes hat gegen das Klimaschutzgesetz (KSG) verstoßen. Sie hat es versäumt, rechtzeitig ein Sofortprogramm zu beschließen um die Versäumnisse beim Klimaschutz in den Sektoren Verkehr und Gebäude zu korrigieren. Zu diesem Ergebnis kommt ein von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten der Kanzlei Günther (Hamburg). Weiter heißt es darin, die Bundesregierung verletze ihre Pflichten „als Kollegialorgan“. „In der Verantwortung steht also insbesondere Bundeskanzler Scholz. Er hätte durchsetzen müssen, dass die Regierung den Rechtsbruch der zwei Ministerien zügig korrigiert“, betont Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch.

Die Gutachter unterstreichen, dass die im Juli 2022 vom Verkehrsministerium sowie gemeinsam von Bau- und Wirtschaftsministerium vorgelegten Sofortprogramme für den Verkehrs- bzw. Gebäudebereich nicht den Vorgaben des KSG genügen. Das Sofortprogramm des Verkehrsministeriums verfehlt selbst kumuliert bis 2030 das Klimaziel krachend. Aber auch für den Gebäudesektor, dessen Sofortprogramm auch kumuliert das Klimaziel 2030 zumindest nicht mit ausreichender Sicherheit erreicht, ging das verantwortliche Ministerium von falschen Voraussetzungen aus. Das Gutachten stellt klar: Das Klimaschutzgesetz verlangt, dass die sektoralen Jahresemissionsmengen schon im Folgejahr nach der Versäumnis-Feststellung wieder eingehalten werden. Ein Einhalten nur der kumulierten Emissionsmengen bis 2030 reicht nicht aus.

Das Gutachten betont, dass die Verantwortung nicht allein bei den betreffenden Ministerien liegt. Vielmehr weist das KSG der Bundesregierung als Kollegialorgan die Pflicht zu, beim Versagen der Ministerien schnellstmöglich ein Sofortprogramm zu verabschieden, das die Einhaltung des Klimaschutzgesetzes sicherstellt. Damit die Jahresemissionsmengen bereits im Folgejahr nach der Versäumnis-Feststellung wieder eingehalten werden, muss dieser Beschluss der Regierung laut dem Gutachten noch in dem Jahr erfolgen, in dem das Versäumnis festgestellt wurde. Eine solche Auslegung wird auch von der sonstigen Systematik des Klimaschutzgesetzes unterstützt.

Germanwatch: Scholz muss umgehend Sofortprogramm durchsetzen

Dr. Ulrich Wollenteit, Verfasser des Gutachtens, erklärt dazu: „Ein Verweis auf die Versäumnisse der Fachressorts nimmt die Bundesregierung hier nicht aus der Verantwortung. Das Klimaschutzgesetz mag der Bundesregierung große Spielräume einräumen, wie sie die Einhaltung der künftigen Jahresemissionsmengen sicherstellt. Die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes dürfen dabei allerdings nicht verletzt werden. Letztlich liegt es in der Verantwortung des Bundeskanzlers, rechtzeitig einen zielführenden Beschluss herbeizuführen.“

Christoph Bals ergänzt: „Die Bundesregierung muss nun schnellstmöglich sicherstellen, dass sich ein solcher Rechtsbruch nicht wiederholt. Die am Mittwoch erscheinenden Emissionsdaten des Umweltbundesamtes werden zeigen, dass insbesondere im Verkehrsbereich die erlaubten Emissionsmengen im vergangenen Jahr wieder deutlich überschritten worden sind. Die Bundesregierung als Ganzes ist jetzt in der Pflicht: Sie muss alle nötigen Maßnahmen ergreifen um sicherzustellen, dass die Jahresemissionsmengen in allen Sektoren schnellstmöglich wieder eingehalten werden. Der Bundeskanzler muss nötigenfalls mit seiner Richtlinienkompetenz ein wirksames Klimaschutz-Sofortprogramm durchsetzen.“

Das komplette Rechtsgutachten: www.germanwatch.org/de/87985

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