Der Softwareanteil an Maschinen und Anlagen nimmt seit Jahren stetig zu. Diesem Umstand wird in den Lehrplänen von Berufsschulen oder Universitäten bisher oft nur wenig Rechnung getragen. Hartmut Eigenbrod von der Abteilung Bild- und Signalverarbeitung am Stuttgarter IPA fasst es so zusammen: „Unter Studierenden besteht ein reges Interesse an modernen Technologien, etwa an künstlicher Intelligenz oder am Einsatz von erneuerbaren Energien. Diese Technologien haben eine hohe Relevanz für zukünftige Maschinenbau-Absolventen und sind daher Bestandteil von Lehrveranstaltungen des Maschinenbaus. Durch die Schaffung attraktiver Lehrformate möchten wir die Studierenden möglichst früh mit dem praktischen Einsatz von KI vertraut machen und sie für dieses Thema begeistern.“
Produktionsleiter setzen verstärkt auf KI
Ein Beispiel: Schadhafte Kugellager sind in der Industrie ein alltägliches Ärgernis. Wenn sie nicht rechtzeitig ausgetauscht werden, können sie kostspielige Maschinenausfälle verursachen. Um das zu vermeiden, setzen Produktionsleiter immer häufiger auf Künstliche Intelligenz, die Defekte frühzeitig erkennt und meldet. Diesen Trend, die Produktion mit KI zu optimieren, greifen Eigenbrod und sein Kollege Christoph Birenbaum von der Abteilung Leichtbautechnologien am Fraunhofer IPA auf. Die beiden Forscher möchten Studierenden die Grundlagen der KI möglichst praxisnah und anschaulich vermitteln. Eigens zu diesem Zweck haben sie ihr Unterrichtsmaterial selbst entwickelt: das „KIstle“.
KI-Demonstrator für Vorlesungen
Das „KIstle“ ist ein Koffer, schwäbisch: Kistle. Diesen schwarzen Koffer nehmen Birenbaum und Eigenbrod nun in Vorlesungen mit. Darin befindet sich ein Lernsystem, das den Einsatz von KI anhand eines Alltagsbeispiels aus dem Maschinen- und Anlagenbau darstellt: die Überwachung von Lagern auf Schäden. Es beleuchtet dabei die interdisziplinären Zusammenhänge zwischen Hardware, Software und KI-Algorithmen. Vorteil dabei: Es beinhaltet neben dem mechanischen Aufbau mit Antriebsmotor, Welle und Lagern auch einen portablen Computer mit Komponenten zur Messdatenerfassung, Datenanalyse und Visualisierung.
Der KI-Demonstrator ist innerhalb weniger Minuten aufgebaut und in Betrieb genommen. Zunächst wird der Antriebsmotor einfach laufengelassen. „Das dient dem Einlernen der KI-gestützten Überwachung“, erklärt Birenbaum. „So lernt die KI, wie sich eine Wellenlagerung im reibungslosen Betrieb verhält.“ Nach einer Minute wird der Demonstrator angehalten und eines der intakten Kugellager durch ein defektes ausgetauscht. Danach wird die Wellenlagerung erneut in Gang gesetzt und die KI überwacht den Betrieb. „Die Sensoren erfassen nun untypische Schwingungen und die KI meldet einen Schaden“, erklärt Eigenbrod.
Den Studierenden wird so, angepasst an die Dauer einer Vorlesung, das komplette Vorgehen bei der Überwachung eines Lagers vermittelt. Dies umfasst eine theoretische Einführung in die Konzepte der Sensorik, Datenerfassung, Prozessüberwachung und Anomalie-Erkennung. Darüber hinaus werden die theoretischen Konzepte praktisch erfahrbar gemacht, indem in einer gemeinsamen Übung Messdaten am mechanischen Aufbau des „KIstle“ aufgenommen und ausgewertet werden. Birenbaum und Eigenbrod hoffen nun, dass Dozentinnen und Dozenten in ganz Deutschland ihrem Beispiel folgen und die praxisnahe Vermittlung des Themas KI im Maschinenbau voranbringen.
Die Klaus Tschira Stiftung (KTS) fördert Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik und möchte zur Wertschätzung dieser Fächer beitragen. Sie wurde 1995 von dem Physiker und SAP-Mitgründer Klaus Tschira (1940–2015) mit privaten Mitteln ins Leben gerufen. Ihre drei Förderschwerpunkte sind: Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Das bundesweite Engagement beginnt im Kindergarten und setzt sich in Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen fort. Die Stiftung setzt sich für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ein. Weitere Informationen unter: www.klaus-tschira-stiftung.de
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